„Dafür dachte würde ich das auf Oralsex und sonstig schöne Zeit beschränken.
Könntest du eventuell ein wenig erklären, was genau du dir vorstellst? Du möchtest Menschen mit Behinderung helfen. Du weißt bestimmt, dass es viele Arten von Behinderung gibt. Möchtest du Menschen mit körperlichen Behinderungen helfen oder mit geistigen oder mit seelischen? Oder möchtest du schwerst-mehrfachbehinderten Menschen helfen? Das erfordert jeweils unterschiedliche Vorbereitung und Herangehensweisen.
Wer körperlich eingeschränkt ist, wird eventuell nicht an den selben Stellen erregbar sein wie gesunde Menschen. Ich denke da zum Beispiel an Querschnittslähmung oder so was. Da muss man sich dann vorher Alternativen überlegen und je eingeschränkter der Mensch ist, desto schwieriger wird das. Natürlich wäre so ein Konzept, solche besonders geplante Sexualität etwas gutes. Und man könnte das als Dienstleistung tatsächlich zum Beruf machen. Gebraucht wird es. Und man kann auch nicht sagen "soll er zu einer normalen Prostituierten gehen", denn selbst wenn diese sich viel Mühe geben, haben sie eben keine Erfahrung damit und da wäre eine Alternative, wo die Frau ein echtes Konzept hat, sicher viel besser. Nur, freiwillig aus Mitleid würde ich das nicht machen. Erstens saugt es einen auf Dauer aus und zweitens ist es entwürdigend für diese geistig fitten Menschen, wenn sie nur aus Mitleid berührt werden. Nimm meinetwegen weniger als normale Prostituierte oder organisier es, dass es als Leistung von der Krankenkasse bezahlt wird oder was auch immer.
Oder mach es diskret und heimlich nur bei denjenigen, die du wirklich magst, weil sonst wollen "alle" und du wirst sowas nicht bei allen machen können oder wollen.
Wenn du geistig eingeschränkten Menschen diese Art von Assistenz zukommen lassen möchtest, musst du zunächst sicherstellen, dass sie wissen und verstehen, was du mit ihnen vor hast und, ganz wichtig, dass sie auch immer "Nein" sagen können und dürfen. Als Mensch mit geistigen Behinderungen ist es nicht einfach das alles zu verstehen, im Kopf zu sortieren und zu überblicken. Gerade der Punkt mit dem Nein sagen ist schwierig, denn im Alltag sind sie oft in starre Strukturen eingebunden und haben sehr selten die Gelegenheit sich zu "wehren". Und selbst wenn sie sich äußern können, fehlt es eventuell auch an der nötigen Intelligenz um präzise Argumente vorzubringen oder die eigenen Befindlichkeiten in Sprache umzusetzen.
Noch schwieriger wird es, wenn sie nicht sprechen können und nur über einen Talker oder ähnliche Wege kommunizieren können, denn dieser kann nur das sagen, was jemand anders einprogrammiert hat. Natürlich geben diese Geräte immer die Option zu sagen, dass man etwas nicht möchte, aber es gibt, wenn keiner es einspeichert, nicht die Möglichkeit, konkrete Wünsche oder Änderungsvorschläge zu äußern.
Und dann gibt es auch Menschen, die so schwer eingeschränkt sind, dass sie auch nicht mit einem Talker oder Bildern kommunizieren können. Da muss man dann besonders achtsam sein und sich ganz kleinschrittig heran tasten und so herausfinden, ob es überhaupt ein Bedürfnis dieser Art gibt und wenn ja in welcher Form.
Das alles ist viel Arbeit. Man müsste eine Art Unterrichtseinheit organisieren in der erklärt wird, worum es geht, nicht im Sinne von verschiedene Praktiken, sondern, dass viele Menschen noch andere Bedürfnisse außer Hunger etc. haben, dass man das an bestimmten Stellen am Körper spüren kann und diese ganzen Zusammenhänge (jetzt nicht, wie ein Kind entsteht oder so, das lernen sie in der Schule), natürlich in vereinfachter Form und dann müssen Worte gefunden werden für die verschiedenen Tätigkeiten (und gegebenenfalls in den Talker, die Bildkarten oder so aufgenommen werden) und oft und deutlich betont werden, dass man auch immer Nein sagen kann und soll, wenn man etwas nicht möchte. Außerdem muss irgendwie die komplizierte Kiste vermittelt werden, dass derjenige das nicht mit einem aus Liebe tut, sondern nur um zu helfen. Und das ist ja schon für einige normal intelligente Menschen sehr schwer zu trennen.
Das ist nichts, was man "mal eben" freiwillig machen kann.
Bei seelisch beeinträchtigten Menschen ist es vor allem wichtig, sie und sich selbst zu schützen. Je nach Art der seelischen Erkrankung muss man mehr auf denjenigen oder sich selbst aufpassen. Wenn sich der Klient aufgrund der bekommenen körperlichen Zuneigung in einen verliebt, weil er nicht erkennt, dass es nur eine Dienstleistung ist, kann alles mögliche passieren von Stalking bis zum Suizid wenn festgestellt wird, dass die Liebe nicht erwidert wird. Andere Menschen mit seelischen Problemen werden es als Beleidigung ansehen, wenn man ihnen Mitleidssex anbietet. Und wenn ein Mensch von Kindheit an gelernt hat, dass es sexuelle Berührungen aushalten muss, damit ihm nichts passiert, wird er auch nicht gut in der Lage sein, zu sagen, dass solche Assistenz nicht gewollt wird, sondern wird einfach mitmachen, weil er es nicht anders kennt.
Mangelnde Impulskontrolle, schlechtes Selbstbewusstsein, negatives Bindungsverhalten und vieles andere kann die Arbeit mit solchen Menschen sehr kompliziert machen und deshalb ist es da auch keine gute Idee "mal eben" freiwillig Sexualität zu verteilen.
Wenn nun jemand schwerst-mehrfachbehindert ist, also wahrscheinlich in körperlicher, geistiger und seelischer Hinsicht nicht frei ist, dann kommen die ganzen genannten Probleme zusammen und es wird extrem schwierig sein, diesen Menschen gerecht zu werden im Hinblick auf Selbstbestimmung, Konsenz und so weiter.
Ich möchte nochmal betonen: Die Idee, Menschen mit Behinderung einen Zugang zu Sexualität zu ebnen und Konzepte dazu zu entwickeln und umzusetzen finde ich gut. Ich bin insofern pro Sexualassistenz. Aber "mal eben freiwillig ein Blowjob" ist nicht, was ich darunter verstehe. Wenn dann muss das ein an den Fähigkeiten und Bedürfnissen des einzelnen Klienten angepasstes, vorher gründlich geplantes Konzept sein, was von empathischen, gut ausgebildeten Menschen professionell umgesetzt wird.