Audiatur et altera pars!
Audiatur et altera pars... das sagte Lateinfan IRedRose und es bedeutet, dass wir nun mal die andere Seite hören wollen.
Ich habe all das, was mir Ruth bisher sagte, zu einem fiktiven (ziemlich wirklichkeitnahen) Text zusammengefasst, den sie hier geschrieben haben könnte, damit ihr auch die Gegenseite hört:
"Es ist mir ein Anliegen, dass ihr auch meine Position versteht. Ich sage ja nicht, dass Daniel ein schlechter Mensch ist, im Gegenteil, er hat viel mehr Geduld als ich, er ist auch mehr ein "Gutmensch". Vielleicht ist er sogar manchmal naiv. Und er hat sich auch immer sehr um unsere Beziehung bemüht, das gebe ich ja zu.
Aber er hat mich auch sehr, sehr verletzt. Er hat mit seiner Exfrau gegrillt, weil seine Tochter und sie ihn dazu eingeladen hatten. Das ist zum einen mehr als geschmacklos, zum anderen finde ich das seiner Tochter gegenüber als nicht fair, weil ihr so eine heile Familie vorgespielt wird, die ja so nicht mehr existiert. Und wie demütigend für mich - als gäbe es mich gar nicht! Dann hat seine Schwester ihren Geburtstag gefeiert - und seine Ex war auch eingeladen! Obwohl auch ich eingeladen war, wollte ich nicht dahin - man stelle sich vor: Die "glücklich" Altfamilie und ich als "Geliebte" dabei - geht es noch?! Und auf sein Drängen bin ich ihm zuliebe dennoch hingegangen... ein Opfer, das er nicht sieht. Ich bin diejenige, die immer wieder Opfer bringen muss, Verständnis haben muss, ja, immer nur Verständnis. Ich kann's echt nicht mehr ertragen!
So habe ich jetzt über zwei Jahre Verständnis dafür, dass er sich von seiner Ex noch nicht hat scheiden lassen. Ich habe meine Scheidung auch hinausgetrödelt, aber als ich mit Daniel zusammenkam, habe ich sie sofort durchgezogen. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Die er in seinem Dickschädel nicht sieht. Ich habe keine Lust, mit einem verheirateten Mann zusammen zu sein. So ist SIE immer noch seine Frau und ich die Geliebte. Mir geht es gar nicht darum, dass ich ihn heiraten will, aber ich will auch nicht, dass er noch anderweitig gebunden und verpflichtet ist (über die Nachscheidungsverpflichtungen hinaus). Und er zieht es immer hinaus, um das gute Klima mit Tochter und Ex nicht zu gefährden oder was für fadenscheinige, sinnlose Argumente da immer von ihm kamen. Gut, jetzt hat er das Verfahren angeleiert, aber auch da in gemächlicher Geschwindigkeit. Meine Geduld ist ziemlich zu Ende.
Dann seine Angewohnheit, einfach alles wie ein Autist selbst zu entscheiden! Wo bitte ist das partnerschaftlich? Ich selbst habe immer den Anspruch, alles miteinander zu besprechen - Kommunikation ist das Zauberwort. Aber erfahre ich mal von ihm, mit welchen Freunden er telefoniert, wenn er in seinem Haus ist? Oder was es an Neuem gibt... ich erfahre es immer nur so nach und nach. Er lässt mich nicht an seinem Leben teilhaben, wir leben in getrennten Aquarien sozusagen. Nichts, aber auch gar nichts spricht er mit mir ab! Ich hingegen habe ihm jedenfalls früher einfach alles erzählt und ihn immer in Entscheidungen eingebunden.
Meine Freunde, meine Familie und auch der Therapeut stimmen mir alle zu, dass ich mich da viel zu sehr verbiege. Ich gebe ja zu, dass ich genau so ein Dickkopf bin wie er - ich habe nie behauptet, ich sei unkompliziert. Wir sind beide typische Alpha-Tiere, da will keiner seine Position hergeben. Aber mein Anspruch ist ein zivilisierter: Zwei dominante Menschen können auch zusammenleben, wenn sie sich absprechen und nicht einer den anderen immer überrollt, so wie er es mit mir macht.
Mir ist es wichtig, auch seine Seite zu sehen! Auch er hat es nicht leicht, immer dieses Pendeln zu mir, das ist nicht easy, oder die Ablehnung durch meine Kinder und meinen Ex, das ist schon schwer für ihn. Aber es ist auch viel Vertrauen kaputtgegangen, und so verschließe ich meine Liebe zu ihm (die durchaus groß ist) in einem Sicherheitsgefäß, damit ich nicht noch mehr verletzt werde. Durch sein unkooperatives Verhalten treibt Daniel mein Herz immer weiter in das Sicherheitsgefäß hinein.
Ich habe mich daher auf das besonnen, das ich wegen ihm schon viel zu sehr vernachlässigt hatte: Die Kinder, das Haus, den Garten, die Freunde. Ich bin entschlossen, mich nicht unglücklich machen zu lassen. Leider haben wir dadurch inzwischen eine Riesendistanz in der Beziehung, und ich weiß auch nicht, wie das weitergehen soll. Tja, das war es erstmal, was ich so loswerden wollte. Ich denke, das der oder die eine oder andere mich jetzt besser verstehen werden.
Ruth"