Ich hab ja ganz bewusst
ein drastisches Bild gemalt, um zu zeigen, dass es eben gesellschaftlicher Konsens ist, gewisse Dinge auf den Bereich der privaten Abgeschiedenheit zu verlagern.Dass man das Verrichten der Notdurft nicht zwingend auf einem stillen Ort verlegen muss, zeigt doch auch das Beispiel der römischen Gesellschaftstoiletten, auf denen munter debattiert wurde, wärend man seinen Bedürfnissen nachgab.
Trotzdem - und da finde ich Ursachenforschung müßig - hat sich eben irgendwann die Überzeugung breitgemacht, dass gewisse Dinge nicht zwingend vor Publikum stattfinden müssen.
Dazu gehört Süßholzgeraspel in der Öffentlichkeit am Telefon "Ja Schatzi, ich bin auch schon total heiß, ich brauch Dich so, ich werds Dir nachher noch gut besorgen.... ja, Schatzi, Du mich auch!" ebenso wie ein Verhalten, dass den Stino unbewusst damit rechnen lässt, dass in den nächsten dreißig Sekunden ein Aufreitversuch stattfinden dürfte. Weil diese Art von körperlicher Nähe für die Mehrheit einfach mit unmittelbar bevorstehender Kopulation verbunden wird. Und die meisten Menschen wollen mit der Intimität Dritter nur bis zu einer gewissen Grenze behelligt werden.
Wenn ich die bisherigen Beiträge durchgehe, dann sieht es für mich so aus, als sei diese Grenze bei einer breiten Mehrheit einfach zu ziehen. Nämlich genau dort, wo eine Bekundung von Liebe und Zuneigung in eine Demonstration von körperlichem Verlangen umschlägt.
Warum das so ist? Weil man selbst so etwas Dritten nicht zumuten wollen würde und deshalb ein wenig indigniert reagiert, wenn andere diese Rücksichtnahme vermissen lassen.
Woher das Gefühl, dass gewisse Dinge nur mich oder evtl. noch den Partner höchstselbst etwas angehen, kommt? Kann ich nicht sagen. Ich war nie ein Kind von Traurigkeit, bin alles andere als kirchlich geprägt etc. Aber ich glaube einfach daran, dass nicht alle Welt alles von mir wissen, sehen, miterleben muss.
Mann pinkelt doch auch aus diesem Grund an einen Baum oder Frau setzt sich hinter einen Busch, statt offen zu den ganz natürlichen körperliche Bedürfnissen zu stehen...
Und wenn jetzt das Gefühl des unpassenden Vergleiches aufkommt: manche Leute würde ich lieber pinkeln sehen, als ihnen beim Vorspiel oder noch weiter gehenden Praktiken zuschaun zu müssen. Auch Sex hat recht eklige Komponenten von Speichel, Schleim, Schweiß und bisweilen etwas Blut... verbunden mit eigenen Glückgefühlen ist da kein Platz für unangenehme Empfindungen. Aber Dritte sind eben nicht grad spitz und sehen das ggfs. ganz anders.
An einem Kuss, den zwei Leute tauschen, weil sie grad so glücklich sind, wird sich wohl kaum wer jemals stören. Außer in Saudi-Arabien. Dort gibts dafür den Hintern voll... ist aber dort wieder ein anderer gesellschaftlicher Konsens, weil dort ein Mundkuss wohl bereits mit körperlicher Liebe und nicht mit geistiger Nähe in Verbindung gebracht wird.