Fehlende körperliche Nähe in der Beziehung
Ich hatte gestern ein intensives Gespräch mit meinem Mann.Seit Jahren ist das Thema gemeinsame Sexualität und körperliche Nähe der große Knackpunkt bei uns. Unsere Sexualität hat sich in zwanzig Jahren Ehe gegensätzlich entwickelt, daran brauchen wir nicht mehr schrauben und haben in der Polyamorie auch eine Lösung gefunden, mit der wir leben können.
Aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten, sich körperlich nahe zu sein. Sei es über das Fesseln mit Seilen, Tantra, Streicheln oder einfach nackt und eng umschlungen nebeneinander zu liegen.
Aber: Er kann mir diese Nähe nicht von sich aus geben, weil er Angst vor Zurückweisung und „etwas falsch zu machen“ hat.
Wir sind inzwischen in einer Spirale gefangen, wo wir beide nicht mehr rauskommen: Ich bitte ihn um Körperkontakt (sehr explizit, freundlich und auffordernd) und sende kurze Zeit später unbewusst widersprüchliche, weil distanzierte Signale, denn ich weiß, dass er sich wieder nicht überwinden kann und mir das weh tun wird.
Ich bin Single in einer Ehe. Und mein Selbstwertgefühl ist über die Jahre auf Teppichbodenkante geschrumpft.
Ich habe gestern zum ersten Mal die Verantwortung abgelehnt. Dieses ständige „Ich weiß, ich muss mich ändern, ich werde daran arbeiten.“, verbunden mit der ausgesprochenen Erwartung, dass ich dann in ferner Zukunft noch bereit für Körperlichkeiten bin, hat mir nämlich die Jahre zuvor immer das Genick gebrochen. Wie bei einem Alkoholiker habe ich darauf vertraut, dass er das Thema auch angeht - in welcher Form auch immer. Ich war zu Gesprächen bereit, habe gewartet.
Einmal gab es den halbherzige Versuch einer Therapie, die er aber abbrach.
Wenn ich dann irgendwann wieder erwähnte, dass mir Körperkontakt über die liebevoll-flüchtigen Berührungen im Alltag hinaus fehlen, erstarrte er wieder, war beschämt, versprach aber: Das machen wir, auf jeden Fall. Und wieder empfand ich mich bedürftig und ausgehungert und bettelnd. Und wartete.
Mehr als: „Ich möchte eine Tantramassage von dir.“, „Ich möchte, dass du mich fesselst.“ kann ich nicht einfordern. Ich kann ihn schließlich nicht zwingen, mich zu berühren. An Wissen mangelt es nicht: Ich habe mit ihm Tantrakurse absolviert, ich weiß, dass er wirklich fesseln kann.
Aber nicht mit mir.
Es tut so weh. Ich weiß, dass er das mit seiner Freundin kann und es bricht mir das Herz.
Nun ist eben vorgestern der Punkt gewesen, wo ich beschloss, dass es genug ist. Dass ich damit aufhören muss.
Ich will mich nicht von ihm trennen, denn ich liebe ihn. Aber er wird mir meine Bedürfnisse nicht erfüllen.
Natürlich ist das mit ein Grund, warum ich nach einem anderen Mann suche: Neben meiner Neigung, neben meiner unerfüllten „ganz normalen“ Sexualität fehlt mir schlicht ein warmer Körper, der mich umhüllt. Aber so lange ich das krude Ding mit meinem Mann am Laufen habe, dieses ständige Spiel zwischen Sehnsucht und Ablehnung, hat wohl kein anderer Mann eine Chance.
Wir haben - nach einem letzten, gescheiterten Versuch von mir - also geredet und ich schätze, ein Teil von ihm ist froh, dass er nun von dieser Last befreit ist. Natürlich gab es wieder die Versicherung, dass er sich endlich seiner Angst stellen wird und ob ich denn eine Chance sehe, dass wir es dann wieder miteinander versuchen wollen. Und natürlich wirbelte wieder die Hoffnung in mir auf, dieses unnütze Ding und ich musste mich so sehr zusammenreißen, ihn nicht einfach in den Arm zu nehmen und „Ja, alles wird gut.“ zu murmeln.
Nein. Ich möchte nicht mehr auf eine vage Hoffnung hin warten und ich bin auch nicht mehr bereit, sein Problem zu meinem zu machen.
Nun weine ich und trauere etwas hinterher, was ich seit mindestens zehn Jahren nicht mehr, bzw. nur sporadisch hatte. Wie bei jeder Trauer kreischt alles in mir: „Warum geht das nicht?! Ich will aber!“. Aber ich muss mich dem stellen, wenn ich mich selbst nicht weiter falsch konditionieren will. Ich bin jetzt schon verkorkst.
Bitte entschuldigt den langen Text, aber ich möchte vermeiden, dass mein Mann schlecht da steht und versuche deshalb, die Situation möglichst gut zu erklären. Ich bin ihm nicht böse, er macht das ja nicht mit Absicht und ich sehe, dass ich selbst zu diesem Problem beigetragen habe.
Ich möchte bitte keine Tipps, keine „virtuelle Paartherapie“.
Aber ich möchte mich austauschen, über Bedürftigkeit, Ängste und was es mit einem macht, das zu erleben. Wie geht man damit um, egal auf welcher Seite man sich befindet? Wann muss man die Reißleine ziehen und wie sieht das aus?
Ich weiß, dass sich hier einige Mitglieder mit ähnlichen Problemen rumschlagen, wahrscheinlich sind es eher Männer, die das kennen.
Was habt ihr erlebt?
LG