Ich wohne seit nun 9 Jahren im Wechsel von WG auf alleine auf WG.
Angefangen hat es, dass ich mit meiner damaligen Freundin in eine eigene Wohnung in einer Großstadt gezogen bin. Dann habe ich mich für ein Studium mit in Summe 2 Jahren Auslandsaufenthalten entschieden (Frankreich)
Ich bin also weggezogen und aus Kostengründen und besser ankommen im Ausland, habe ich eine WG gesucht und gefunden. Die erste WG (6 Monate) hatte einen Mitbewohner, der Ende 20 und arbeitslos war. Dadurch hat er viel Computer gespielt und Fernsehen geschaut und war immer total interessiert wie so mein Tag an der Uni verlief. Wir sind keine beste Freunde geworden, aber die 6 Monate waren angenehm und es hat mir schon geholfen jemanden (neben den Studifreunden) um mich rum zu haben.
Danach war in Frankreich Ortswechsel zwecks Praktikum angesagt. 4er WG mit 1.15h einfach mit dem Zug pendeln. Die WG war mega langweilig und das Praktikum ein Desaster. Die WG hatte leider auch kein richtiges Wohnzimmer wodurch jeder automatisch in seinem Zimmer verblieben ist. Kurzum ich war froh nach 6 Monaten wieder weg zu kommen.
In dem Jahr, in dem ich weg war, haben wir das eine Zimmer in unserer Pärchenwohnung an einen Studikumpel von ihr untervermietet. Das war so ein Kapitel, wo eine Freundschaft zu Bruch geht. Das Putzverhalten war so unterschiedlich und er hat es irgendwie immer wieder hinbekommen, dass nach dem Duschen das Bad unter Wasser stand, Geschirr nicht richtig gespült wurde etc. Sie war so froh, dass das Jahr vorbei war.
Sie ist dann selbst für ein halbes Jahr weg und ich habe diesmal die Exfreundin von meinem besten Studikumpel aufgenommen. Das war ein sehr lustiges halbes Jahr. Hat sehr gut zwischen uns gepasst. Meine damalige Freundin kam zurück und ein Semester später bin ich schon wieder weg.
Diesmal in eine 4er WG, die wir neu gegründet haben (ich mit 3 Studifreunden aus dem Jahr davor). Lustigerweise war keiner von uns vor Ort und so haben wir einen Kumpel zur Wohnungsbesichtigung geschickt und der hat für uns alles arrangiert. Ich habe für das halbe Jahr im Wohnzimmer geschlafen. Wir wollten eigentlich so Paravans aufstellen, waren dann aber zu faul sie zu holen. Und da ich eh immer der letzte war, der ins Bett ging und alle sich dran gehalten haben zu klopfen bevor sie ins Wohnzimmer kamen, war auch das kein Problem.
Anschließend bin ich für ein halbes Jahr nach Südamerika in ein kleines Kaff, in eine eigene Wohnung (von der Firma gestellt), aber mit 4 Nachbarn, die alle aus ähnlichen Grund da waren. Auch da war es einfach Anschluss zu finden.
Für das letzte Jahr hat sich meine Freundin entschieden keinen Mitbewohner mehr dazu zu holen (womöglich aus ihrer schlechten Erfahrung) und hat Wohngeld beantragt.
Unsere Beziehung hat Südamerika letztlich nicht überlebt und als ich zurückkam, zog sie aus und ich wieder ein. Gleichzeitig der Arbeitsstart. Das war am Anfang eine große Umstellung nun wirklich alleine zu sein. Es hat ein Jahr gedauert, bis ich mich wirklich daran gewöhnt habe und es angefangen habe zu genießen.
Kaum genossen, wurde ich von jemanden gefragt, ob ich nicht wieder jemanden aufnehmen könnte, da wäre eine Austauschstudentin, die keine Wohnung findet. Also Wohnung wieder umorganisiert und für 6 Monate wieder jemand rein. Sie war sehr introvertiert und hat das Leben und die Stadt nicht wirklich genossen. Aber irgendwie muss es ihr halbwegs gefallen haben oder sie war dankbar, dass ich viel versucht habe sie zu integrieren, sie hat mir eine spezielle Rumsorte, die ich ihn Südamerika kennen gelernt habe, extra besorgt, als sie in der Heimat war. 6 Monate später war ich wieder alleine.
Ein Jahr später bin ich in die USA gezogen. Von einer 500k Stadt in ein 25k Städtchen. Ganz bewusst habe ich mich wieder für eine WG entschieden wegen Kosten und um besser anzukommen und ein soziales Netzwerk aufzubauen. Ich habe durch Zufall zwei Doktoranden kennen gelernt (in meinem Alter). Die beiden wussten, dass ein Haus frei wird (mit Garten
) und suchten noch einen Mitbewohner um eine Haus WG zu gründen. Bei einem Bier haben wir alles diskutiert, was wir erwarten, was für Putzfimmel wir haben, wie oft Besuch kommt, wie wir essen teilen wollen etc.
Weil wir so dermaßen gut harmonieren, haben die beiden Mitbewohner zugestimmt, dass meine Frau (nach mehreren Besuchen ihrerseits), mit in mein Zimmer einziehen kann. Und das Zimmer hat nicht mal 20m^2. Aber wir schlafen halt nur darin und der sonstige Lebensbereich im Haus ist groß genug um sich nicht auf den Keks zu gehen.
Jetzt ziehen beide aus und wir haben überlegt: Umziehen, bleiben, alleine wohnen, wieder Mitbewohner? Meine Frau fährt derzeit auch 45 Minuten morgens und über 1h nachmittags zur und von der Arbeit.
Nach rund 10 Wohnungs- und WG Besichtigungen haben wir uns entschieden zu bleiben, da der Ort und die Lebensqualität einfach viel besser ist als eine Wohnung in der Pampa, bei der wir beide 25 Minuten zu pendeln hätten. Auch haben wir beschlossen wieder Mitbewohner zu suchen, wieder aus Kostengründen und auch weil das soziale Umfeld zwar inzwischen existiert, aber bei weitem nicht so stark ist, wie in der Heimat und da fehlt uns einfach was. Wir genießen es zusammen zu kochen, nette Stunden auf der Couch zu verbringen, ein bisschen Alltag noch von anderen Personen mitzubekommen außer uns zweien.
Wir wollten eigentlich wieder Doktoranden, weil die in unserem Alter sind, nicht ganz so viel feiern aber dennoch dass erfrischende Studentenleben mit nach Hause bringen. Leider haben wir keine geeigneten Kandidaten gefunden und jetzt werden es zwei Vollzeittätige. Wir haben, denke ich, ziemlich gut abgeklärt, was wir von den neuen Mitbewohnern erwarten, dass sie zu unserem Lebensstil und unseren Eigenheiten im Haus passen. Wir sind gespannt, ob es wieder so gut wird.
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So viel zu meinem bisherigen (WG) Lebenslauf
. Zusammenfassend kann ich sagen, die Leute in der 4er WG in Frankreich und unsere beiden Mitbewohner in USA sind Freunde fürs Leben geworden. Der eine aus Frankreich hat mir durch eine sehr schwere Zeit geholfen, als es mit meiner damaligen Freundin schon gebröckelt hat und ich fliege diesen Sommer auf seine Hochzeit
. Unsere jetzigen Mitbewohner waren ein Stein im Brett, als wir unsere Beziehung öffneten, sie fremd Spaß in der Heimat hatte und ich total aufgeregt in USA saß. Mit beiden waren wir auch schon auf Familienfesten, haben zusammen Urlaub gemacht etc.
In Summe hatte ich ein gutes Händchen beim Auswählen oder auch Glück, dass ich in jeder Lebens- und Wohnsituation gut zurecht kam und nie einen unausstehlichen Mitbewohner hatte. Ich habe von 2-4er WGs alles gehabt. Größer wäre für mich persönlich nichts, dass wird dann sehr kompliziert Kompromisse und Absprachen zu schließen.
Wenn für uns die Reise zurück nach Deutschland geht, wird unsere WG Zeit vermutlich vorbei sein. Dann wollen wir die Freiheit haben zu tun und zu lassen was wir wollen in den eigenen vier Wänden. Aus Spaß sagen wir immer, dann können wir endlich wieder nackt zum Bad laufen
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Folgende Gedankengänge möchte ich noch mitgeben:
Es kommt viel auf deine Akzeptanzlinie an um in einer WG zu wohnen. Überlege dir, was sind Dinge, die dich triggern würden und Frage explizit danach. Bei mir ist das z.b. ein dreckiger Herd. Frag mich nicht warum, aber ich muss den sauber haben und ich kann damit leben, dass ich ihn mir sauber mache, egal wer ihn dreckig gemacht hat.
Mit welchem Schlag Mensch willst du zusammenleben? In welcher Phase ihres Lebens sollten sie sein?
Bist du bereit die Freiheitseinschnitte, die du jetzt als Singlehaushalt genießt, in Kauf zu nehmen für die Vorteile, die eine WG bringen kann. Ich schreibe hier bewusst kann, denn wenn ihr WG Bewohner nur nebeneinander her lebt, hat du eigentlich nur Nachteile und keine sozialen Vorteile.
Was erwartest du von einer WG? Ehrlich gesagt je weniger desto besser, dann kann es weniger eine Enttäuschung werden. Meine Freundschaften aus den WGs haben sich entwickelt, was schön ist, aber es war keine Hoffnung, an die ich mich geklammert habe.
Ich finde es eine fatale Denkweise durch eine Investition aus der Vergangenheit die Zukunft zu beeinflussen. Es ist nicht wichtig, wie viel du schon ausgegeben hast (deine neue Wohnungseinrichtung), es ist wichtig wie viel es dich Kosten wird dein Leben so umzugestalten, dass du damit glücklich wirst. (Das ist übrigens ein gängiger Managementfehler an Projekten festzuhalten, weil man ja schon so viel investiert hat anstatt zu überlegen, wie viel es denn noch Kosten wird und ob es sich vom jetzigen Standpunkt aus lohnt den Return of Investment zu erreichen).
Jede WG wird sich über Möbel freuen, besonders über neue. Du musst damit leben können, dass die Gebrauchsspuren schneller kommen als wenn du alleine lebst. Andere Möglichkeit ist es das Zeug einzulagern. Bei Freunden oder Familie im Keller oder es gibt für ein paar hunderter im Jahr solche Lagerstationen zu mieten.
Und hilft vor allem der Gedanke, dass es nicht für immer ist bzw. dass wir einen Horizont von maximal noch 3 Jahren haben, dass wir so leben werden. D.h. sie wird maximal noch 3 Jahre so pendeln, wir werden maximal noch 3 Jahre in der WG leben etc. Dadurch, dass wir uns das bewusst machen, können wir Einschnitte viel besser akzeptieren. Aus deinem Text lese ich bis dato, dass auch du schon ein Zeithorizont hast, sobald deine Weiterbildung zuende ist, dass sich wieder etwas größeres ändern könnte im Leben.
Wenn du den Schritt WG wählst, dann rate ich dir bewusst zu sein, dass du flexibel sein musst. Flexibel was deine Akzeptanzlinie angeht und flexibel was dich betrifft, wenn es doch nicht passt, evtl. weiter in eine besser passende WG zu ziehen oder wieder in eine Singlewohnung.
Da es schon ziemlich lang geworden ist, beende ich das Mal hier. Wenn du noch weiteres Interesse hast, wie wir die WGs gegründet haben, welche Regeln wir hatten/haben, wie ich versucht habe passende Mitbewohner zu finden (welche Fragen und Punkte mir wichtig sind), kann ich das gerne noch weiter ausführen.
Le Sybarite