*****e69:
War mir noch eingefallen ist: der Umgang hängt auch davon ab,
• ob die Überschreitung gewollt war.
• um wieviel die Grenze überschritten wurde.
********ence:
Wenn Sie Überschreitung gewollt war, dann war es ja irgendwie keine Überschreitung. Deinen Gedankengang finde ich unlogisch.
Nun, ich finde das, was Cesare schreibst durchaus logisch. Hängt ganz vom persönlichen BDSM ab. Ich habe das in den letzten Monaten mal versucht für mich auseinander zu klamüsern.
Das Bergführer-Modell
Es gibt durchaus eine ganze Reihe von Grenzen, die Menschen gerne überschreiten wollen, diese aus eigener Kraft jedoch sehr schwer überschreiten können. Menschen, die sich eben genau dafür einen Führer wünschen. Einen, der a) im Vorfeld positive Bestätigung gibt und sagt: "Ja, das ist doch völlig in Ordnung" und dabei hilft die Zweifel aus der Welt zu räumen und Motivation gibt und der
nach erfolgter Zustimmung b) Situationen kreiert, in denen er den submissiven Part über diese Grenze führen kann. Wie ein Trainer oder besser: ein Bergführer. Der dominante Part bestimmt nicht allein, welche Berge wir besteigen. Der submissive Part stimmt vorher zu. Und überlässt sich der Führung. Überlässt es dem Bergführer die Reiserouten zu bestimmen und was, wann, wie...
Hierbei steht das "freiwillige folgen wollen" im Vordergrund.
Der Wunsch "Unterworfen-Werden" findet - wenn überhaupt - auf einer anderen Ebene statt. Es betrifft bloß Dinge, zu denen grundsätzlich die Zustimmung vorhanden ist.
Und im Kontext des "freiwilligen folgen wollens" macht es für mich dann auch Sinn zwischen Grenzen, die der dominante Part überschreiten darf und Grenzen, die der dominante Part nicht überschreiten darf zu sprechen. (gewolltes Überschreiten)
Das Master-Modell
Andererseits gibt es aber auch Menschen, welche sich die Entscheidung vollkommen abnehmen lassen wollen. Null Freiheit. Null Verantwortung. Diese wünschen sich dann einen dominanten Part, der womöglich auch im Vorfeld mit ihnen spricht - wie in a) - aber der irgendwann einfach handelt. Ob nun Zustimmung vom submissiven Part erfolgt ist oder nicht. Hierbei hat das "Unterworfen-Werden-Wollen" eine viel weitreichendere Bedeutung. Der dominante Part übernimmt die ganze Verantwortung für jede sexuelle Spielart und jede Grenzüberschreitung, die durchgeführt wird. Dafür bekommt er auch die volle Entscheidungsfreiheit beim Sex. Das ist eben eine andere Art von BDSM als obige. Geht das in die Richtung, die Du meinst
ArtOfSilence ?
Manche unterscheiden Grenze von Tabu und die Bedeutungen, welche den Begriffen zugeordnet werden sind schon Mal recht individuell. - An den jeweiligen BDSM-Stil angepasst. - Andere benutzen die Begriffe als Synonyme.
Die Schwierigkeit liegt darin, wenn man auf einen dominanten Part trifft, der die Grenzen abfragt und dabei ganz natürlich davon ausgeht, dass es alleine seine Entscheidung ist, welche Grenzen erweitert werden und welche nicht. Während sich der submissive Part auf den Metakonsens ("es passiert nichts, was Du nicht willst") verlässt und davon ausgeht, dass ohne seine Zustimmung bestimmte Grenzen niemals angetastet werden. Da wird sprachlich leider sehr viel Wischi-Waschi betrieben und aneinander vorbeigeredet. Und das erschwert, den/ die passende Partnerin zu finden.
Zum Gebrauch von Code-Wortern
Das Problem ist, dass Code-Wörter zwar dazu taugen, bei Überforderung - zu viel Schmerz/ Kreislaufprobleme etc.pp. - dem submissiven Part einen Abbruch zu ermöglichen. Und das kann auch trainiert werden. Doch eine bewusste eigenverantwortliche Entscheidung für oder gegen das Ziel/ für oder gegen die Überschreitung einer Grenze ist im Rauschzustand nicht mehr möglich.
Als Switcher habe ich es von beiden Seiten erlebt.
Als dominanter Part fiel ich aus allen Wolken als ich nachträglich vorgeworfen bekam, ich hätte ihn manipuliert. Ich hätte die Situation voll ausgenutzt. Das hätte er so nie gewollt. -
War das nicht eine ganz klare Absprache und Zustimmung? Ich hatte ihn doch zu nichts gezwungen. Bloß ein Angebot gemacht und er war mir doch freiwillig gefolgt, oder nicht? Also ich hatte da keinen großen Widerstand gespürt. Das ging alles so spielend leicht...
Als devoter Part fühlte ich mich verraten und ausgenutzt. Die Grenzen innerhalb derer wir uns bewegen würden waren im Vorfeld doch glasklar gesetzt gewesen. Und dann... dann nutzt er einfach meinen Zustand der Hingabe aus und hat mich irgendwie mitgezogen und am Ende war ich genau dort, wo ich niemals hin wollte!! Und alles was er dazu zu sagen hatte, war: "Du hattest doch Dein Code-Wort. Du hättest jederzeit abbrechen können. Du wolltest das doch."
In einer Session ist für den submissiven Part gar nicht immer so eindeutig, wohin die Reise gehen wird. Selbst wenn es klar ausgesprochen wird. Die Wahrnehmung ist vernebelt. Realisiert der submissive Part erst die Grenzüberschreitung und war dies eine der Grenzen, die doch gar nicht überschritten werden sollten, ist das Vertrauen natürlich hin. - Sind große GEfühle mit im Spiel, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass der submissive Part noch eine ganze Weile versucht sich selbst die Sache schön zu reden. (Oh ja, das konnte ich gut!) Und ab diesem Punkt entwickeln Beziehungen eine destruktive Dynamik.
Die Zustimmung im Rauschzustand ist beim Bergführermodell (das ist meins) einfach nichts wert.
Die Menschen lassen sich im Rauschzustand auf Dinge ein, die sie später nicht mehr vor sich selbst verantworten können. Im Master-Modell ist das nicht so wichtig. Da will der submissive Part es später auch gar nicht vor sich selbst verantworten. Aber beim Bergführermodell kommt man verdammt leicht in Teufels Küche. Das ist für beide Seiten ätzend.
Also:
Wichtige Entscheidungen bloß im nüchternden Zustand treffen.
Bzw. nur dann, wenn man wieder vom Berg hinunter im Tal ist. Und sich beide gut vom letzten Abenteuer erholt haben. Dann kann man sich erneut begegnen und Visionen spinnen, welche Berge denn noch so alle rufen. Und dann noch Mal drüber schlafen... Das waren immer die besten Entscheidungen. Für beide Seiten.
Spontanität liebe und lebe ich nach wie vor!
Aber nicht bei Absprachen bzgl. Überschreitung von Grenzen.
Kann natürlich jeder halten wie er will.
Ich find bedeutend weniger Stress und viel mehr Spaß toll.
Liebe Grüße!
Galinthias