@sandra42
Vielleiht magst du hier kurz berichten, zu welchem Schluss die Sendung kam?
Wie war das Resümee? Wäre sehr spannend für alle, die esnicht sehen können.
Um beim Resumee anzufangen- es lautet: Betroffene Kinder brauchen Hilfe und Unterstützung und keine Vorurteile! Nur so haben sie eine Chance, ihren Alltag zu bewältigen!
Mir persönlich gefiel der Beitrag gut, da er ziemlich unaufgeregt und faktenorientiert anhand realer Personen von Jugendlichen und ihren Bezugspersonen Einblicke vermittelt in die Alltagsproblematiken, in denen sich Kinder mit ADHS und Beeinträchtigungen aus dem Autismusbereich befinden, und wie damit hilfreich und sinnvoll umgegangen werden kann, damit auch diese Kinder es schaffen, ihren Alltag erfolgreich zu bewältigen.
Es wird auch mehrfach darauf hingewiesen, wie langwierig und schwierig es ist, diese Störungen zu diagnostizieren und eine angemessene Form der Hilfestellung im Einzelfall zu finden. Und dass es eben kein Patentrezept gibt, das allen gleichermaßen hilfreich wäre.
Da die Diagnosestellung mehrere Tage benötigt, sind die meisten niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater nicht, oder eher nur selten, in der Lage, diese aufwendige Prozedur in ihren normalen Praxisablauf zu integrieren. Die Tatsache, dass es selbstverständlich auch Fehldiagnosen gibt (wie dies übrigens auf allen anderen Fachgebieten der Medizin ja ebenso der Fall ist!), wird offen angesprochen und angeraten, sich zum Zweck der Diagnose möglichst an die sozialpsychiatrischen Zentren der Kreise und Großstädte oder die Kinderambulanzen psychiatrischer Kliniken zu wenden, die nicht den selben Zwängen unterliegen, die die Fallpauschalen des aktuellen Abrechnungssystems für niedergelassene Ärzte so unbefriedigend machen.
Die Universität Bochum ist diesem Umstand nachgegangen und hat herausgefunden, dass derzeit ca, 20% der Diagnosen heute Fehldiagnosen sind. Dies hatte zur Folge, dass an dieser Uni besonderes Augenmerk auf vertiefte Kenntnisse diesbezüglich Wert gelegt und in die Studiengänge für zukünftige Mediziner und Psychologen integriert wurde.
Der Beitrag geht davon aus, dass ADHS- und Autismus-Störungsbilder sich überwieegend als soziale Störungen manifestieren, aber keinesfalls auf mangelnde Erziehungskompetenz der Eltern geschoben werden dürfen, sondern dass es sich um reale Störungen mit hohem Leidensdruck handelt, der Hilfestellungen mannigfacher Art benötigt, und dass diese Hilfen zur Bewältigung des weiteren Lebens unabdingbar sind.
Anhand der drei Fallbeispiele wurde deutlich, was heute möglich ist, um Betroffene zu unterstützen, wenn die Zusammenarbeit von Familien, Ärzten und Lehrern optimal läuft und entsprechende Einrichtungen und Umgebungsfaktoren vorhanden sind:
Lukas, der Asperger-Autist mit starker Hyperaktivität, der überall aneckte und aus der Regelschule flog, ist dabei, an der der Uniklinik Köln angeschlossenen Anna-Freud-Schule Abitur zu machen und ist dort Schulsprecher. Debbie, mit ADS ohne Hyperaktivität, die an ihrer Schule gemobbt wurde, weil sie vieles ob ihrer Träumerei verpeilte, die nach acht Monaten Schulunfähigkeit wieder eine Regelschule besuchen kann und sich dort wohl fühlt - trotz 31 Schülerinnen in der Klasse, und Luke, mit starker ADHS, ein Einzelgänger, der sich in Gruppen - und damit auch in der Klasse, immer unwohl fühlte und sie mied, spielt inzwischen ein Instrument im Schulorchester der Anna-Freud-Schule und wirkt souverän und ohne Lampenfieber bei einer Musicalaufführung mit.
Bei dieser Schule des Landschaftsverbandes Rheinland handelt es sich um eine Schule mit "umgekehrter Inklusion", d.h. die Anzahl der motorisch behinderten Schüler ist immer größer als die der nicht behinderten, die Klassengröße umfasst maximal 10 Schüler pro Klasse, es gibt weniger Ablenkung, Lerninseln und individuelle Betreuung, sowie an der Schule integrierte Therapieeinrichtungen z.B. für Ergo- und andere Therapien und eine eigene Schulpsychologin, die mit den Schülern arbeitet. Zusätzlich sind die meisten Schüler noch in Einzeltherapien.
Gezeigt wird auch die Tagesklinik der Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie in Köln, wo die Kinder tagsüber die Schule besuchen und betreut werden, es finden dort auch familientherapeutische Sitzungen statt und die Kinder gehen abends nach Hause. Die Therapiemethoden zielen darauf ab, dass die Betroffenen bereits während der Therapie dort (spielerisch) selbst Lösungen für belastende Alltagssituationen finden und einbezogen sind in diesen Lösungsprozess und sich als Handelnde erleben und nicht als Objekte, an denen Therapie "exerziert" wird.
Ebenso wird ein in Bayern stattfindendes einwöchiges "Jägerlager" gezeigt, wo betroffene Kinder gemeinsam eine verhaltenstherapeutisch durchstrukturierte Woche erleben, das vor allem dazu dient, die Abwärtsspirale, in der sich diese Kinder oft wiederfinden (als Folge des Aneckens, der darauffolgenden Strafe, und sich wiederholender Mißerfolgserlebnisse), durchbrochen wird. Die Kinder sehen, dass sie nicht alleine sind mit ihren "Macken", sondern dass es viele sind, man muss sich nicht ständig erklären, es gibt Erfolgserlebnisse, eine andere Selbstwahrnehmung, die dann dazu führt, dass sie nach Rückkehr wieder Mut haben und gewillt sind, es doch noch einmal zu versuchen, die diversen Trainings, die ihnen eine bessere Anpassung an die Erfordernisse der Gruppe und der Familie ermöglichen, doch wieder aufzunehmen und ihnen nochmals eine Chance zu geben.
Medikamente nehmen übrigens die meisten der gezeigten Kinder ein. Zwar nicht so gerne, weil sie teilweise Nebenwirkungen haben wie z.B. Appetitlosigkeit oder das Gefühl, sich nicht wirklich selbst zu steuern, aber alle haben die Erfahrung gemacht, dass sie mit den Medikamenten letztlich im Unterricht besser zurecht kommen und die Konzentration besser möglich wird als ohne Medikament. Als Kompromiss setzen sie die Medikamente teilweise jeweils während der Ferien oder auch mal übers Wochenende ab.
Soviel zu dem Fernsehbeitrag.
Notorische Nörgler mögen nun vielleicht einwenden, dass das ja alles gut und schön sei, aber solche Einrichtungen eben keineswegs flächendeckend vorhanden seien.
Ich selbst finde es wichtig, sich nicht darauf zu beschränken oder gar immer noch in Frage zu stellen, ob es diese Beeinträchtigungen gibt, sowie Schuldige und Sündenböcke dafür auszumachen. Der Beitrag hat einen anderen, in meinen Augen wesentlich konstruktiveren, Ansatz gewählt, nämlich zu zeigen, dass die Chancen, dass auch diese Kinder ihren Lebensweg erfolgreich meistern können, mit einer sorgfältigen und dem Einzelfall angepassten Hilfestellung, gut sind.
Womit sich der Kreis schließt zu dem an den Anfang meines Textes gestellten Resume des Filmbeitrags.