Wir möchten uns für diesen ideenreichen, sehr fantasievollen und erneut überaus inspirierenden Adventskalender mit einer kleinen Geschichte bedanken, in der das 16. Kalendertürchen eine ganz besondere Rolle gespielt hat...
Ein bezauberndes und (be)sinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr...
Respektvolle und ergebene Grüße
DieTraumweber aus Berlin
Der Mittelalter-Weihnachtsmarkt
„Nö, auf Weihnachtsmarkt hab ich echt keine Lust!“ Er sah seine Freundin erstaunt an. Sonst stand ihr der Sinn doch auch nicht danach, sich zwischen Tausenden muffeliger Erwachsener, quengelnder Kinder, angeschickerter Jugendlicher und verängstigter Kleinhunde über einen Markt zu schieben, egal ob es sich dabei um einen Trödel-, einen Jahr- oder einen Weihnachtsmarkt handelte.
Und mal Hand aufs Herz, minderwertiger und mit zu viel Zuckercouleur auf Geschmack und Farbe getrimmter Glühwein zu horrenden Preisen aus übermäßig bepfandeten Bechern, der süßlich-klebrige „Duft“ zu lange gerösteter Mandeln und die parallele Dauerbeschallung mit allen gängigen Versionen von ‚I’m dreaming of a white Christmas‘ bei frühlingshaften Außentemperaturen von fast 15° C konnten doch nun wirklich niemandes Idealvorstellung eines zauberhaften und sinnlichen spätnachmittäglichen Adventssonntags sein. Die seine war es jedenfalls nicht. Er drehte sich auf den Bauch und robbte an sie heran. Langsam wanderte seine Hand an ihrem rechten Oberarm empor.
„Ich dachte, den Besuch letzte Woche auf dem Weihnachtsmarkt am Alex hättest du ganz furchtbar gefunden?!“, ergänzte er in der Hoffnung, sie würde sich vielleicht noch eines Besseren besinnen und mit einem neuen Vorschlag kommen. Schließlich gab es ja noch eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, das Wochenende angenehm zu gestalten. Wie zufällig berührte er mit den Finger ihre Brust.
„Nichts da!“ Energisch schob sie seine Hand beiseite und rollte sich von der zur Spielwiese umfunktionierten Couch. „Du hattest mir heute zur Aufgabe gemacht, dass ich mir überlege, was wir anstellen. Und du wolltest dich auf jeden Vorschlag einlassen, hast du gesagt. Egal wie schräg er wäre. Aber schon klar, dass dir dabei andere Gedanken durch dein Mastergehirn gegangen sind.“ Sie grinste ihn frech und herausfordernd an. „Du kannst mich ja heute Abend bestrafen. Aber jetzt will ich auf den Mittelalter-Weihnachtsmarkt am Schloss. Der soll nämlich sehr schön und richtig knuffig sein. Und auch gar nicht überlaufen. Bitte! Du hast es versprochen.“
Seufzend gab er sich geschlagen. Sie hatte ja Recht. Schließlich besagte der heutige Eintrag im BDSM-Adventskalender des JOYclubs, dass sub bestimmen durfte. Was sie bis jetzt auch schon weidlich und, wie er mit einem anzüglichen Grinsen zugeben musste, sehr zu seinem Vergnügen ausgenutzt hatte.
„Nun gut, kleine Serva! Du machst heute die Ansagen.“ Er stand ebenfalls auf. „Aber zieh dir trotzdem was an, oder wolltest du so aus dem Haus gehen?“ Lüstern betrachtete er ihren nackten Körper. Sie streckte ihm die Zunge raus und lief ins Schlafzimmer, bevor er nach ihr greifen konnte.
Über die Schulter rief sie ihm kichernd irgendetwas wie „Das war‘n Zungenkuss!“ zu, aber da war sie schon halb in den Kleiderschrank abgetaucht und der Satz ging in ihrem Geraschel unter. „Was sagst du? Luftikus? Voooorsicht, kleine Serva!“ Warnend hob er die Hand und drohte ihr spielerisch mit dem Zeigefinger, was sie jedoch nicht mitbekam. Dann musste er aber selber lachen. Diese Frau war einfach der Hammer! Langsam folgte er ihr ins Schlafzimmer, um sich ebenfalls anzuziehen.
Nicht einmal drei Stunden später - die Entscheidung für die richtige Kleidung und das dazu passende Schuhwerk brauchten nun einmal ihre Zeit - standen sie vor einem reichlich provisorisch wirkenden Eingang, durch den sie nach der Entrichtung von jeweils drei Talern ins dunkle Mittelalter eintraten.
Mittlerweile war es Abend geworden. Überall brannten Fackeln, die eine ganz eigene Atmosphäre zauberten. Dutzende gusseiserne Feuerschalen, die über das gesamte Gelände verteilt waren und in denen Buchenholzscheite brannten, spendeten eine wohlige Wärme, denn inzwischen war es doch, der Jahreszeit angemessen, deutlich abgekühlt.
An den ersten Ständen, an die sie herantraten, waren handgezogene Kerzen aus echtem Bienenwachs zu erwerben. Ein Stückchen weiter demonstrierten ein Seifensieder und ein Seilmacher ihr uraltes Handwerk, und ein kahlköpfiger Schustermeister ließ sich dabei zusehen, wie er gerade mit Hilfe einer breiten Zwickzange das Schaftleder für einen Stiefel über einen Leisten zog. Gold- und Silberschmiede boten Geschmeide und Schmuck von Finger- und Ohrringen über Arm- und Fußreifen bis hin zu Ketten und Halsbändern an, letztere überwiegend aus Silber oder Edelstahl gefertigt.
Mittelalterliche und Gothic-Bekleidung und Schuhe wurden in großer Zahl angeboten, es gab Buden mit irdenem Geschirr, Gläsern aus Bergkristall und ehernem Kochgerät, ein mit bloßer Muskelkraft betriebenes Karussell war Anlaufpunkt für die Kinder, man konnte Bier, Met, Wein und Säfte in den abenteuerlichsten Kombinationen verkosten, frisch gebackenes Brot und verschiedenerlei Naschwerk probieren, sich an Erbsensuppe und Kartoffeleintopf gütlich tun oder ein dampfendes Stück Fleisch zwischen seine Zähne schieben, um sich auf diese Weise für den weiteren Marktrundgang zu stärken.
Genau das taten die beiden dann auch, bevor sie in der hintersten Ecke einem Hufschmied zusahen, wie er einem gewaltigen Belgischen Kaltblut, das auf dem Gutshof immer noch einen unermüdlichen Dienst als Rückerpferd versah, neue Eisen anpasste, während eine Esse weiter ein Waffenschmied ein doppelhändig zu führendes Langschwert fertigte.
Mit einem Mal setzte sie sich, wie an einem unsichtbaren Band gezogen, in Bewegung. „Wo willst du denn hin?“, rief er ihr verdutzt hinterher, aber seine Stimme wurde von den dröhnenden Hammerschlägen gänzlich übertönt.
Kopfschüttelnd ging er ihr nach. Er sah noch, wie sie sich durch eine Menschentraube kämpfte und zielstrebig auf ein großes offenes Zelt zuhielt, in dem vor allem, so sah es aus der Entfernung für ihn jedenfalls aus, Röcke, Kleider, Mäntel, Umhänge und Capes angeboten wurden. Als er sie erreichte, stand sie mit offenem Mund vor einem schon auf den ersten Blick sehr außergewöhnlichen Korsett.
Ein dunkelbrauner, in sich gemusterter Stoff wechselte sich mit einem ebensolchen, aber zart cremeweißen ab, an der Vorderseite hielten es fünf fein gearbeitete Schließen zusammen und die Schnürung im Rückenteil gab ihm den perfekten Sitz.
Was dieses traumhaft schöne Stück aber wirklich besonders machte, waren ein von den Stoffen und der Machart exakt dazu passendes separat zu tragendes Schulterteil und ein schmaler und abnehmbarer brauner Gürtel mit einem seitlich anhängenden Ledertäschchen.
„Schau dir das bloß an!“, flüsterte sie fast andächtig, als ob sie sich ängstigte, das Korsett durch eine zu laute Stimme zu verschrecken und uneinholbar in die Flucht zu schlagen. „Das will ich haben!“
Er trat ganz nah hinter sie, umfing sie mit den Armen und zog sie mit ihrem Rücken gegen seine Brust. „Dann probier’s an, kleine Serva!“
„Nee, brauch ich nicht. Das passt mir auch so.“
Inzwischen hatte sich ein großer Mann zu ihnen gesellt, der von Kopf bis Fuß in Leder gewandet war. Ein kunstvoll gestutzter und geflochtener Vollbart, das dicke schwarze Haar, das unter seiner Kappe hervorquoll, und vor allem das Feuer, das in seinen Augen loderte, gaben ihm ein äußerst verwegenes Aussehen.
„Ein tolles Korsett, nicht wahr?“, sprach der Mann sie an und stellte sich dann als Markus von Ebersfeld vor, seines Zeichens bekennender Mittelalterfan, Modedesigner, Schneidermeister und Korsettmacher. „Und es würde Euch wahrlich perfekt kleiden, edle Dame.“
„Ich bin keine edle Dame, sondern nur die Dienerin meines Herrn, die heute bestimmen darf, werter Markus von Ebersfeld“, erwiderte sie ganz leise, ohne das Korsett aus den Augen zu lassen. Sie löste sich aus seiner Umarmung und drehte sich zu ihm um. „Ich will es haben, Master!“
Markus von Ebersfeld zog sich ein paar Schritte zurück und beobachtete die beiden. Er lächelte, als er erneut die Anweisung „Probiere es vorher an, kleine Serva!“ vernahm.
„Jetzt?“, sagte sie irritiert. „Das meinst du doch nicht ernst!“
„Ich habe schon lange etwas nicht so ernst gemeint.“
„Aber ich zieh mich doch hier nicht aus! Wo mich alle Leute sehen können.“
„Dann wirst du das Korsett aber nicht bekommen, kleine Serva!“
Sie machte große Augen. „Jetzt mach aber mal ‘nen Punkt! Spinnst du? Es ist schweinekalt, es gibt keine Umkleidekabine und es laufen noch unzählige Menschen hier herum.“
„Ich weiß. Willst du das Korsett nun haben oder nicht?“
„Natürlich will ich es haben!“ Trotz schlich sich in ihre Stimme. „Aber ich ziehe mich hier in aller Öffentlichkeit nicht aus, um es anzuprobieren. Das mach ich nicht. Und im Übrigen bestimme ich heute, schon vergessen?!“
„Hast du denn mal auf die Uhr geschaut, kleine Serva?“ Er lächelte sie liebevoll an.
„Du weißt doch, dass ich keine Uhr habe.“
„Dann schau auf dein Handy“, sagte er geduldig. Sein Lächeln verstärkte sich.
Eine böse Vorahnung beschlich sie. Hektisch griff sie in ihre Gesäßtasche und kramte ihr Handy hervor. Das Display zeigte 0:07 Uhr! Der Tag, an dem sie das Sagen hatte, war also vorüber.
Sie schluckte ein paar Mal, blickte ihn an, lächelte ergeben und begann dann, ganz langsam ihren Mantel auszuziehen...