Opfer und Täter
Es freut mich, dass sich auch Männer geäussert haben.
@*******o555 bezog das Thema "Vergewaltigung und BDSM" in den grösseren Horizont von "Macht und Ohnmacht" ein. "Die Frage ist dann, wie weit jeder für sich diese [negativen] Erlebnisse verarbeitet hat und in "positive" BDSM-Spiele umwandeln kann...."
Genau dies ist eine der Fragen, denen ich in diesem Thread gerne mit euch nachdenken würde.
@*******ecs Äusserungen haben mich berührt, weil ich mich seinem Denken und Fühlen nahe wähne. Ich teile seine offensichtliche Aversion gegen männliche Macho-Militär-Kriegsspiele.
Ich fand seinen Hinweis wichtig, dass auch Männer (in homosexuellen Umgebungen) Opfer von Vergewaltigungen werden können. Ich bitte alle betroffenen Männer um Verständnis, dass ich sie in meiner Umfrage nicht berücksichtigen konnte. Falls ihr euch äussern wollt, wie ihr trotz oder gerade wegen einer Mißbrauchserfahrung BDSM lebt, seid ihr herzlich eingeladen. Ich fände es spannend, Äusserungen von dieser Seite zu lesen.
Hanno_Mecs Hinweis, dass nicht jeder Mißbrauchsvorwurf einer Frau auf Tatsachen beruht, ist zwar richtig, tut aber zur Frage des Threads nichts hinzu. Wie ich höre, sind neunzig Prozent der Mißbrauchsvorwürfe von Frauen berechtigt. Nicht alle Frauen sind Engel, aber die einen Mann unberechtigt anschwärzende Lüge einer Frau hat nichts mit dem Phänomen zu tun, dass eine überwältigend hohe Minderheit von Frauen von Missbrauchs- oder Vergewaltigungerfahrungen berichtet. Eine solche Frau nützt nur die Steilvorlage, die die Männerwelt ihr liefert. Und ein Unrecht relativiert ein anderes nicht.
Ich habe bewusst versucht, diesen Thread
nicht auf die Frage von Schuld, Unrecht, Lüge, Moral, Vergeltung und Strafe auszurichten. Zu dieser Frage gibt es im Internet sehr viel zu lesen. Die Schwierigkeit, die ich bei dieser Frage sehe, ist die, dass sich bei uns sehr schnell Empörung, Mitleid und Verurteilung einstellt. Das ist ok, nicht ok ist, dass wir häufig mit unserer Empörung oder unserem Mitleiden die Sache
für erledigt halten.
Deshalb fragte ich in diesem Thread nach dem
Fühlen von betroffenen Frauen: Wie lebt Ihr eure BDSM-Lust trotz Mißbrauchserfahrung? Kann es sein, dass eure Mißbrauchserfahrung eure BDSM-Lust verstärkt oder gar hervorgerufen hat? Oder habt ihr das Gefühl, lange gekämpft zu haben, bis Ihr eure BDSM-Lust
trotz eurer Mißbrauchserfahrung zulassen konntet?
Ich danke @******mec für den Zuspruch zum Thread. "Kaum 'outet' man sich in irgendeiner Form von privater oder öffentlicher Öffentlichkeit als irgendwo BDSM zugeneigt, kommt sofort das Thema "sexuelle Gewalt" in den Köpfen vieler hoch."
Das ist genau der Punkt. Um diesen unsinnigen Vorurteilen wirksam zu begegnen, müssen wir uns zunächst selbst klar werden, was wir an "Täter"- oder "Opfer"-Rollen in uns tragen. BDSM zelebriert ja gerade die Täter- und Opferrolle in einer die Lust stimulierenden Weise – sofern beide Beteiligte genügend Bewusstsein für die Sache entwickelt haben. Dom
ist Täter und Sub
liebt es, Opfer zu sein.
BDSM kann es also schaffen, das, was in einer Vergewaltigungserfahrung
nur negativ, weil destruktiv erfahren werden kann,
positiv, nämlich lustfördernd, zu erfahren. Warum das geht, ist klar: der Mensch, der sich zum Zwecke des Lustgewinns in die "Opfer"-Rolle begibt, tut das aus freien Willen und kann jederzeit aussteigen. Der Mensch, der sich in die "Täter"-Rolle begibt, weiss, dass er diese Rolle jederzeit zugunsten seiner Liebe und Zuneigung zum "Opfer" aufgeben wird, wenn das Spiel den SSC-Rahmen verlässt. – Dass im "wirklichen" Leben BDSM nicht immer nach diesen hehren idealen Leitlinien verläuft, bin ich mir bewusst.
@******mec ergänzt in seinem Nachtrag: "Ich glaube, es ist diese besonders verletzliche Ebene des inneren körperlichen Fühlens, die gerade die sexuelle Gewalt, das ungewollte Eindringen in den Körper in jeder Form, so besonders macht."
So ist es. Wir müssen uns wohl nicht streiten, ob Sex wirklich im Herzen stattfindet – ich entnehme der Lehre der Chakren, dass beim Menschen als energetisches Wesen die sexuelle Energie sich nicht im Herzchakra, sondern im Sakralchakra manifestiert - , die Einsicht aber bleibt, dass Sex ein
seelisches Geschehen ist, wodurch die Traumatisierung einer Vergewaltigung überhaupt erst erklärbar wird.
@*******Boy äußert einen faszinierenden Gedanken: der Kick, aus der Wehrlosigkeit (Gefesselt-Sein) Lust zu gewinnen, weil der Dom
aus seiner Liebe heraus die eigene Wehrlosigkeit nicht ausnützen wird. Diesem Gedanken gesellt sich der meinige von der "Sexualisierung von Traumata" hinzu. Kann man eine als schrecklich und verletzend empfundene Szene dann wiederholen und dann eben auch lustvoll empfinden, wenn der "Täter" (Dom) jemand ist, von dem man weiss, dass er einen liebt und eben einem keinen Schaden zufügen will?
@*******gel berichtet, Mut machend, von ihrer Erfahrung, wie sie trotz ihrer Vergewaltigungserfahrung heute sich erfüllenden BDSM zugestehen kann. Danke, Blackangel! Sag mir nur noch: ist das der Prozess, den du mit deinem Motto ausdrückst: "Wer seine Tränen lacht, braucht sie nicht zu weinen!" – Ist das Lachen deiner Vergewaltigungstränen deine Befreiung aus den Fesseln dieser Erfahrung hin zu deiner erfüllten BDSM-Sexualität gewesen?
@********1982 fragt sich genau die Frage des Threads, wenn sie an ihre Lust denkt, den "Arsch" versohlt zu bekommen: "einfach aus dem gedanken heraus 'DAS hat mich damals so sehr angewidert' ..." – Das ist die Frage: kann etwas, was uns "anwidert", uns
Lust machen? – Um die Frage zu klären, müssen wir zunächst den
Mut haben, in unseren Gedanken zuzulassen, dass
dies sein darf: dass uns etwas, was uns anwidert, eben auch Lust macht. Dieses zuzulassen ist innere Freiheit. Und ohne die führt kein Weg zum Glück.
@*******el65 hat Vergewaltigungserfahrung und BDSM-Fantasien und will diese jetzt endlich leben. Hast du Lust, der Frage nachzuspüren, ob deine BDSM-Fantasien (etwas Herrliches!) mit deinen Vergewaltigungserfahrungen zusammenhängen? – Erlaube mir nur eine Randbemerkung: du willst das "Lager" wechseln. Wenn ich an "Lager" denke, denke ich immer daran, welche schrecklichen Dinge in Lagern schon passiert sind. BDSM ist kein Lager, und sexuelle Lust in Freude auszuleben bedarf keines Lagerdenkens. Das brauchen gerade nur die Parteien in Hessen. Wir brauchen nur die Aufmerksamkeit auf den Ruf unseres Herzens und das gerade Kreuz, das uns signalisiert, dass wir nur
unser Leben leben und keines anderen Menschen sonst.
stephensson
art_of_pain