Recht interessanter Thread zu einem Thema, mit dem ich mich früher sehr intensiv auseinander gesetzt habe.
Das Thema hat viele Facetten. Die gesellschaftliche Facette würde ich als Herrschaft bezeichnen, die ich für die Grundlage jeder Sozialität halte. Weil das gerne verwechselt wird: Herrschaft ist für mich
keine Unterdrückung - eher das Gegenteil davon. Aber das ist für sich schon ein sehr weites Feld und soll für mich hier nicht Thema sein.
Ich will mich also auf die Facetten beschränken, wo es um konkrete Personen und deren Verhältnisse untereinander geht.
Mit dem Begriff Dominanz an sich kann ich nicht so schrecklich viel anfangen. Ich würde den Begriff eigentlich vor allem im erotischen Bereich verwenden - aber die Frage hier ist ja wohl ein bisschen größer gezogen.
Zunächst würde ich gerne den Begriff Autorität betrachten. Hier würde ich zwischen persönlicher Autorität und Amtsautorität unterscheiden. Amtsautorität ist etwas, was in den Bereich Herrschaft gehört und hier also nicht Thema sein soll.
Persönliche Autorität erwächst für mich vor allem aus Kompetenz, die in der Regel durch Erfahrung angereichert ist. Persönliche Autorität ist also eine Eigenschaft, die sich ein Mensch mit der Zeit aneignen kann. Diese persönliche Autorität nicht zu respektieren ist aus meiner Sicht ziemlich dumm. Deswegen schätze ich übrigens auch Schmidt-Latour. Die wissen / wussten einfach wovon sie reden und h[eo]ben sich damit wohltuend von der allgemeinen Dummheit ab, die uns tagtäglich geboten wird.
Ein für mich wichtiger Begriff ist Führung. Führung ist für mich (heute) sehr positiv belegt. Führung ist eine Funktion(sic!), die eine Gemeinschaft einfach braucht um als solche überhaupt existieren zu können. Persönliche Autorität ist hierfür m.E. eine gute Voraussetzung. Aber leider wächst Kompetenz und persönliche Autorität eben nicht auf Bäumen und deswegen scheint es mir oft so, dass gute Führung selten ist. Das habe ich im Beruf sehr oft beobachtet.
Erschwerend kommt hinzu, dass Führungspositionen eben auch mit höherem Status verbunden sind und deswegen gerne von denen angestrebt werden, die nur den Status wollen, von Führung aber leider keine Ahnung haben.
Ich sprach davon, dass Führung für mich eine Funktion ist. Führung ist die Funktion, sich Gedanken um die jeweilige soziale Gruppe zu machen und alles zu deren Wohl zu richten. Um letzteres tun zu können, muss Führungsfunktion mit größeren Machtmitteln ausgestattet sein, als andere Funktionen in der Gruppe.
Führung ist übrigens nicht rücksichtslos - das Wohl der Gruppe kann ja gar nicht gedacht werden ohne das Wohl der Individuen. Rücksichtslosigkeit würde ich in den Formenkreis der Unterdrückung zählen. Das hat mit Führung aber nichts zu tun. Ähnliches gilt für Bevormundung wobei es bei Führung aber leider auch Situationen geben kann, die Bevormundung erfordern.
Als Funktion für die soziale Gruppe hat Führung übrigens eine wichtige Entlastungsfunktion: Ich muss mir selbst keine Sorgen um die Gruppe und deren Wohl machen, da ich mich der Führung anvertrauen kann. Damit kann ich meinen spezifischen Aufgaben in der Gruppe um so besser nachkommen. Führung hat also auch etwas mit Arbeitsteilung zu tun.
Darüber kann ich auch gut den Bogen zur Dominanz in der Erotik schlagen. Hier geht es ja eben auch um das Abgeben von Verantwortung, was ich für das
Fallen lassen...
ja brauche.
Wenn ich sage, dass Führung nichts mit Rücksichtslosigkeit zu tun hat, sondern das Wohl des Ganzen im Sinne hat, dann denke ich (heute), dass eigentlich
Dominanz bei sensiblen Männern?
am schönsten sein muss - wenn wir jetzt mal von Männern reden wollen. Sensibel ist hier übrigens im Sinne von einfühlsam gemeint.
So weit mal die eher theoretischen Überlegungen dazu. Praktische Beispiele waren aber gefragt.
Ein sehr schönes Beispiel von Führung demonstriert uns gerade kirschrot. Sie führt diesen Thread indem sie ab und zu mal Fragen einwirft um ihm wieder bzw. eine neue Richtung zu geben. Und wir lassen uns von kirschrot führen. Beides finde ich gut. Ob das als Dominanz bezeichnet werden sollte mag ich nicht beurteilen.
******rot:
Dominanz bedeutet für mich ...
• im Alltag bzw Beruf, sozialen Umfeld
Im Alltag bedeutet Führung eben das, was ich oben eher theoretisch geschrieben habe: Das Kümmern um das große Ganze und die damit verbundenen Eingriffe.
Ich würde heute sagen, dass ich in der Vergangenheit mehrere Führungsrollen abseits des Berufs ausgefüllt habe. In einer davon habe ich übrigens alles das gelernt, was oben steht. Ich denke, dass ich damit meinen Autoritätskonflikt doch ein gutes Stück weit gelöst habe.
Was ich damals auch gelernt habe: Am schlimmsten ist eine Führung, die nicht dazu steht, dass sie Führung ist. In der Nachfolge der antiautoritären Bewegung ab den 70ern des vergangenen Jahrhunderts - und in Deutschland aufgrund der Vergangenheit sicher noch verstärkt - hat Führung einen schlechten Ruf bekommen. Deswegen kenne ich es auch aus meiner eigenen Vergangenheit, dass Führung als solche abgelehnt wird. Wie oben geschrieben ist Führung aber für eine soziale Gruppe unabdingbar. Ich habe auch schon kollektive Führungsformen erlebt, die funktioniert haben. Die stellen an die TeilnehmerInnen aber in vielerlei Hinsicht
sehr hohe Anforderungen.
******rot:
habt ihr den mal praktische Beispiele für erlebte Dominanz - in welchen Augenblicken habt ihr sie gespürt, erlebt, wann, wie und warum kam es euch so vor, welchen Part habt ihr in dem Fall übernommen? Woran macht ihr eure Gedanken dazu fest, habt ihr da ein Bild vor Augen?
Führung im Sinne wie oben beschrieben habe ich im Beruf zwei, vielleicht drei Mal erlebt - und ich hatte schon einige Chefs. Wenn ich eine solche Führung habe, dann fühle ich mich gut aufgehoben.
Zu meinem Beruf gehören ebenfalls Führungsthemen. Fachliche Führung ist hier mein Hauptthema und dazu kann ich sehr gut stehen. Auch disziplinarische Führung gehört dazu und das Feedback von meinen Leuten ist stets sehr positiv - und ich denke auch ehrlich. Aber da es für mich bei Führung ja auch um das große Ganze geht, muss das große Ganze für mich auch passen. Ich lerne gerade, mich an den Stellen zurück zu ziehen, wo meine Vision vom großen Ganzen mit der offiziellen Linie nicht mehr zusammen passt.
Dominanz in der Erotik habe ich im zweiten der oben eingestreuten Threads ja noch sehr kritisch hinterfragt. Mittlerweile habe ich eine erotische Konstellation, in der ich mit meiner Dominanz zum beidseitigen Wohlgefallen sehr gut klar komme. Wobei wir uns noch sehr im Rahmen üblicher Erotik bewegen.
Mit dem Fallenlassen habe ich aber nach wie vor erhebliche Schwierigkeiten. Eines der Themen, an denen ich in der Zukunft gerne arbeiten möchte.
Stefan