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Sex für die Augen!

****yr Mann
351 Beiträge
Die Kunst, das Herz und die Phantome
Eines vorweg, mir fällt die gnadenlose Koketterie auf, mit der sich die meisten hier am „Kunstfuzzitum“, luc’scher Sprachreglung vorbeimogeln wollen, was, mit Verlaub, nicht gelingt, und das ist auch gut so.
Denn allein die Frage, ob man die Frage, nach dem Sinn der Kunst beantworten kann, ohne selbst Künstler zu sein, gibt den Blick auf den deutbaren Abgrund frei, der sich da eröffnet. Sie teilt ein in „vor und auf der Bühne“, in Verbraucher und Anbieter, in Denker und Bedachte, sie trennt und polarisiert. Die Frage wohlgemerkt, nicht die Kunst.

Denn nach dem Besuch der Documenta, bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass Kunst in der Tat für sich allein steht und lediglich die Ambitionen freilegt, sich ihr zu nähren. Denn wie auch in diesem Threat, erlebe ich oft genug im Alltag, wie Menschen eine ablehnende oder einnehmende Haltung zu jeglichem Künstlertum allein durch die Definition der eigenen Distanz dazu erlangen.
Grundsätzlich gilt das wohl für alle Arten der bildenden und darstellenden Kunst, aber nirgendwo scheinen sich ja die Geister sonst zu scheiden, wie beim Diskurs über das Abenteuer der zeitgenössischen Formfindung auf der Documenta.
Insofern ist, war und wird sie Zerreißprobe zwischen dem ästhetischen Empfinden der Konvention und dem hoffentlich niemals endenden Versuch der gnadenlosen Konfrontation mit den Problemen der Gegenwart bleiben. Und das schließt die Ästhetik ja nicht aus.

Für mich macht die Kunst genau dann Sinn, je unverstellter sie die Gegenwart beleuchtet und zum Disput auffordert, je unmittelbarer sie moderiert zwischen meinem Abstraktionsvermögen und der eigenen Sehnsucht nach emotionaler Berührung. Mithin ist es nichts neues, was ich zum Sinn der Kunst zu sagen hätte, nur die Reflexion ist andersfarbig.
Mir ist und bleibt es wichtig, das Herz bei der Betrachtung dabei zu haben und nicht dem Charme des Parlierens zu erliegen, was nicht zu Unrecht angeprangert wird, weil genau dadurch die Kunst zum Subjekt und zum Schlachtobjekt der Kritikerinstitution wird.
Ich will eingenommen werden von den Gedanken und der Spannung, ohne mich erst für die Rezension qualifizieren zu müssen. Dafür gibt es Leute, die das bezahlt bekommen.
Einiges auf der Documenta gerät dadurch an den Rand, weil es schlicht nicht wahrgenommen wird, einiges haftet aber derart fest, dass man nicht nur staunend, sondern wirklich bewegt stecken bleibt.

Die Arbeit des Preisträgers Romuald Hazoume zum Beispiel. Sein aus Kanistern gefertigtes Flüchtlingsboot erinnert, mahnt und rüttelt am Betrachter. Man muss nichts wissen, über afrikanische Kunst, man muss überhaupt nichts wissen über das Sujet. Man muss nur die Augen öffnen und sich das Schicksal afrikanischer Bootsflüchtlinge vor Augen führen und ist einen Moment stumm. Weiß man noch, dass an der Außenseite, originale Abschiedbriefe von „Nichtangekommenen“ angebracht sind, weiß man um die Metaphorik, die gar keine mehr ist, sondern eine Echtzeitvorführung des Elends der Moderne. Was ja ohnehin ein zentrales Thema der Documenta war.

Vor vier Jahren versuchte Collin Paul der Welt weiß zu machen, dass der Irak biologsche Waffen hat und untermauerte dies mit Fotos von Trucks, auf denen alles und nichts zu sehen war. Wir werden uns noch erinnern, dass daraufhin ein mörderischer Krieg vom Zaun gebrochen wurde.
Der Spanier Inigo Manglano- Ovalle stellt seinen Phantomtruck in Originalgröße aus. Der Raum ist fast völlig dunkel und die Augen benötigen eine Weile, bis sie Schemen auf dem Truck erkennen können. Bestenfalls. Und was steht da? Eine Lüge? Eine Realität? Nichts Konkretes jedenfalls.
Der Krieg hingegen war sehr real. Kein Phantom.

Ich gebe @*******_ja recht. Schöne Kunst allein kann schnell langweilig werden und ist im wahrsten Sinne des Wortes kaum der rede Wert. Die Betrachtung genügt.
Aber sofern sich Kunst traut, es mir um die Ohren zu hauen, in welchem Schlamassel wir eigentlich stecken, die Fähigkeit zur Widerrede herausfordert, Beharrlichkeiten provoziert und mir auch Momente der Einhelligkeit verschafft, solange ist sie gut und darf auch ruhig teuer sein.

Und solange stiftet sie Sinn.
*******_ja Frau
393 Beiträge
…und Futter für´s Gehirn
möchte ich dem Kunst = Sex für die Augen (schöner Titel) noch hinzufügen.
Und gaaanz manchmal auch Stoff für die anderen, bei der Wahrnehmung von Kunst oft sträflich vernachlässigten und zukurzgekommenen Sinne, s.u..

@********heid, ich glaube Du meinst mit Können, dass jeder die ihm eigenen adäquaten Ausdrucksmittel, den Stärken, Fähigkeiten und Vorlieben entsprechend finden und einsetzen solle. Das stimmt vermutlich meistens, und nicht nur bei der Kunst, wobei das Aneignen von neuem Terrain doch auch immer wieder spannend und grenzerweiternd ist.

Mir ist und bleibt es wichtig, das Herz bei der Betrachtung dabei zu haben
@****yr, das gefällt mir richtig gut! Ich würde sogar sagen: das Herz mit EINZUSCHALTEN.

Und die Betrachtung mit ins Spiel zu bringen tut jetzt gut, nach all den theoretischen Überlegungen, zumal offenbar die wenigsten, die hier schreiben, tatsächlich auf der Documenta waren.
Hier also raus aus dem luftleeren Raum und rein in weitere konkrete Beispiele:

Klar könnte man auch fragen, ob das Kunst sei, man kann es aber auch sein lassen und einfach genauer hinschauen.

Was ist das denn hier eigentlich?
Unansehnliche triefende kleine Dinger

Es sind frittierte Spielzeugpanzer.
Hier hat ein Kriegsgerät, dessen primäre Funktion das Zerstören und Töten ist (zumindest bei der ausgewachsenen Variante), eine Metamorphose zu einem anderen Zustand vollzogen, der kaum gegensätzlicher sein könnte. Durch die Verkleinerung bereits verniedlicht und harmlos geworden, wirken die 7 Teile ausgebacken in Teig geradezu friedfertig und rücken in die Nähe von einem Lebensmittel, von weitem betrachtet wirken sie tatsächlich wie Brotlaibe.
NÄHREN statt TÖTEN! Neben einer politischen Aussage ist hier auch ein ironisches Augenzwinkern zu spüren, das zeigt schon der Titel „Add oil and march forward!“ der sich auf die Friteuse wie auf einen Kriegsschauplatz beziehen kann. Wobei wir wieder beim „Busch Krieg“ wären. „Öl ins Feuer gießen“ fällt mir dazu noch ein!

Darüber hinaus kann den mal mehr, mal weniger herausragenden und tropfenden Formen, eine gewisse sexuelle Konnotation nicht abgesprochen werden, wobei die größeren keck und (vor)witzig erscheinen und die kleinen etwas jämmerlich und Mitleid erregend.

Die Art des Humors erinnert mich an Roberto Benignis Film „Das Leben ist schön“, nur leichtfüßiger – natürlich, schließlich sind wir hier in einem ganz anderen Ausdrucksmedium und das Lachen bleibt einem nicht im Halse stecken sondern wirkt ansteckend und entlarvend.

Diese kleine Arbeit von Zheng Guogu finde ich in ihrer Vielschichtigkeit und dem ganz eigenen Humor einfach großartig! Ich war übrigens erstaunt, dass sie gar nicht von einer Künstlerin stammt, wie ich zunächst angenommen hatte (chinesische Namen sind geschlechtslos).

Ob es eine weibliche Ästhetik gibt – wäre vielleicht eine interessante Frage für die Zeit nach der Documenta.
*******_ja Frau
393 Beiträge
Stoff für die Sinne
Der knappen und präzisen Schilderung…vom Phantomtruck würde ich gern noch meine Eindrücke hinzufügen, um zu zeigen, dass nicht immer unbedingt das Wissen benötigt wird, sondern die sinnliche Wahrnehmung und das Maß des sich-Einlassens den Schlüssel zu einer künstlerischen Arbeit bergen können. Hintergrund-Infos können dann weitere Dimensionen öffnen - manchmal allerdings auch die gesamte Banalität durch bemühte Erklärungen entlarven.


Bevor man in den hinteren düsteren Raum mit dem riesigen Truck-Modell gelangt, muss ein mit rotem Licht durchfluteter Raum (erzielt durch rote Folien an den raumhohen Fenstern), angefüllt mit Funk- und Störgeräuschen aus einem Kurbelradio, wie eine Schleuse durchquert werden. (diese Radios werden tatsächlich in Kriegsgebieten verwendet, Batterien und Strom sind ja rar)
Hier stellt sich bereits eine Mischung aus körperlichem Unbehagen und Spannung aber auch Faszination ein. Dem Blick aus dem Fenster zeigt sich eine unwirkliche Welt, so etwas wie eine Endzeitstimmung.

Durch die Langzeitbelichtung und das, durch die Türöffnung schimmernde rote Licht viel heller als es dort wahrgenommen wird

Betritt man dann den dunklen Raum, sind alle Sinne geschärft, Augen weit aufgerissen, Ohren aufgestellt, die Nase wittert den Geruch der anwesenden Menschen, der gesamte Körper spürt das metallene Gefährt hoch vor einem aufragen, noch bevor die Augen es in der Dämmerung ausgemacht haben. Die Hände ausgestreckt, die Haut in Alarmbereitschaft, sämtliche Häärchen wie Antennen aufgerichtet, versucht man sich zu schützen vor einer Bedrohung, vor einem Zusammenstoß, besonders mit scharfen Kanten in Augenhöhe.

Und was dann schön ist: die verblüffende Entdeckung, dass die Wand hinter dem Phantom keinen rechten Winkel hat – und zarte Berührungen!

So, wer die Documenta noch mit eigenen Augen und eigenem Verstand sehen will: nur noch 6 Tage!
*******_ja Frau
393 Beiträge
die Buergelmaschine –
eine Runde Scheckig-Lachen.

Ich fühle mich in letzter Zeit zwar hier etwas alleingelassen, aber ich verliere die gute Laune nicht, und damit Ihr ebenfalls etwas zu lachen habt, hier die Buergelmaschine, die Euch mit sinnigen Interpretationen zu Kunstwerken aller Art und Eurer Wahl versorgt.
http://www.hanebuechlein.de/exot/buergelmaschine/

Auch wenn ihm Elfenbeinturmsprech und Elitärismen vorgeworfen werden (interessanterweise von den Kunstkritikern, die eine ähnliche Sprache verwenden), finde ich gar nicht schlecht, was er sagt, selten hat jemand auf solch bedächtige Weise so rotzfrech seine Meinung gesagt, ohne zwischenmenschlichen Respekt vermissen zu lassen, man merkt – ein Mensch mit Wohngemeinschaftskulturerfahrung.

Bald ist hier alles Roger, die Documenta schließt in 2 Tagen für den Dornröschenschlaf der nächsten 5 Jahre, und kurz vor Torschluss werde ich mich von Roger Buergel höchstpersönlich durch die Ausstellung führen lassen und bin gespannt auf die Erkenntnisse in letzter Minute!

Wenn gewünscht, werde ich berichten.
**********rmann Mann
366 Beiträge
[b]wünsch[/b] *zwinker*
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
@nirvana
[b]wünsch[/b]

*zwinker*
ich *wünsch*
mir gleichfalls vieles und bin sicher, daß viele fragen hier nicht angemessen beantwortet werden können, möchte euch aber - bevor ich mich intensiver mit eueren postings im detail hier beschäftige, meine begeisterung für edel-kitschnicht verhehlen - und ein paar diebezügliche impressionen vom gestrigen galerierundgang nicht ersparen

kurz: do you like edel-kitsch?



*zwinker*
Die Fragen...
"Was ist Kunst? Ist das Kunst, was ich da sehe? Kann der Künstler überhaupt etwas?" stelle ich mir offengestanden nicht.
Ich sehe mir eine Arbeit an, wenn sie mich anspricht, etwas in mir zum Klingen bringt, mich aufwühlt, anrührt, aufregt, abregt... Was auch immer. It has to say "hello" to me! *ggg* Tut ein Werk das nicht, gehe ich weiter.

Ich sehe mir gern Ausstellungen an, gehe gern in Museen und Galerien, aber nicht, weil ich da hin muss, sondern weil ich da hin will. So auch die dXII (die fünfte documenta, die ich besucht habe).

Ich finde erschreckend, mit welcher Absolutheit, Kunstinterpretation als Wahrheit hingestellt wird. Wie ein Krückstock dem Betrachter bereitgestellt, damit er sich nicht selbst fragen muss, was das "Werk" in ihm auslöst, was es ihm sagt, oder ob überhaupt.
Ich sage nur: "Hurz!" *zwinker*

In diesem Zusammenhang finde ich etwas anderes, das hier kurz angesprochen wurde, sehr wichtig.
Es ging um die Frage, ob Kunst etwas mit "nationalem Bewußtsein" zu tun habe, oder "grenzüberschreitend" sei. Gerade bei den vielen Beiträgen nichteuropäischer Künstler auf der dXII sieht man, wieviel Hintergrund"wissen" (mehr als lernbares Wissen: Erleben, Erfahrungen...) zum Lesen der Kunst vonnöten ist. Ich kann zwar ein Werk betrachten, aber ohne das Wissen um die Lage des Menschen, der es hergestellt hat, um die Situation im Land aus dem der Künstler kommt, kann ich nur ein Bruchteil dessen hören, was das Kunstwerk sagen kann oder verpasse "Wichtiges", weil ich es nicht hören, lesen, sehen kann. Das spiegelt sich meiner Empfindung nach sehr deutlich in den Interpretationen der chinesischen Kunst wider. Die Ansätze (das ist auch hier im Thread zu lesen) gehen von unserer Denkweise aus, von unserer Weltsicht, von unserem Kenntnisstand.
Wenn es nur darum geht, Kunst für sich selbst zu erkunden, ist das für mich legitim und macht Hintergrundwissen entbehrlich (da sind wir wieder bei der Fragestellung: "was gibt mir das Werk mit?"), wenn aber eine "falsche" Blickrichtung die Prämisse für den Krückstock Interpretation bildet, dann stört mich das kollossal. Wenn jemand eine Bedeutung in ein Kunstwerk hineinlegt, dem Künstler eine Message unterstellt, dann doch bitte aus dem richtigen Kontext betrachtet.

Liebe Grüße,
Charlotte

PS: Auch die Frage ob Kunst schön ist stelle man sich besser gar nicht - ich finde vielleicht Arbeiten von William Kentridge "schön" oder auch Dale Chihuly, meine beste Freundin hingegen hat ihre Freude an Tanzperformances von Trisha Brown und mein Nachbar räkelt sich vielleicht wohlig vor einem Caspar David Friedrich oder findet den röhrenden Hirsch an seiner Wohnzimmerwand (gemalt vom Großvater) besonders schön...
Was ist Kunst?
Dies vielleicht? -

nein, es ist kein duchampsches ready-made, sondern schlicht und ergreifend jene zufallsalltags"kunst", die entsteht, wenn man mal eben noch mal auf die schnelle seine clubmails abrufen will, während man "was auf dem feuer" hat. wer das freilch als verdampfte Fettecke ausstellen mag, der möge. *zwinker*

sorry, mehr ist derzeit leider zeittechnisch bei mir nicht drin. ich wollte aber ein kurzes feedback geben, wie sehr mich eure neuen beiträge hier freuen und inspirieren.

bald mehr. ich habe ein fazit der documenta im hinterkopf, für das ich ein wenig muße brauche. gibt es bei euch schon so etwas wie einen abschlussbericht. oder gibt es neue interesse fragen zum thema kunst, kommerz, kitsch, edelktisch, kritiker, möchtegernkünstler usw. usw usw.?

nur zu. erzählt!

-n.
*******_ja Frau
393 Beiträge
neue Spuren in der Wahrnehmung
Bevor ich später auf meine letzten Eindrücke, Einblicke, Ausblicke und Blickwinkel eingehe, hier noch schnell zwischendurch ein visueller Kommentar zu den wilden, gefährlichen Kitsch-as-Kunst-can Bildern.


Doch noch kurz @ Charlotte: mir gefällt, das Du forderst, die Künstler sollten in ihrem jeweiligen Kontext, z.B. in China wahrgenommen werden. Das ist auch wichtig. Seitdem ich 2 Jahre in China gelebt habe, habe ich eine ganz wage Ahnung davon, WIE SEHR sich ihre Weltsicht von unserer unterscheidet.

Dennoch würde ich sagen, es gibt keinen falschen Blickwinkel und auch keinen richtigen. Bei den mehrdimensionalen Arbeiten gibt es immer viele Blickrichtungen. Der erste unbeleckte, unmittelbare, sinnliche Eindruck hat genauso seine Berechtigung wie die tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Werk, zu der Hintergrundinformationen herangeholt werden. Es sind Blickwinkel nicht nur aus verschiedenen Richtungen - horizontal, sondern auch aus verschiedene Ebenen - vertikal.

Die - mit ihren eigenen Haaren - gestickten Zeichnungen auf Seide von Hu Xiaoyan sind solch ein vielschichtiges Beispiel, vielleicht schaffe ich ein anderes mal darauf einzugehen.

Zumindest bietet die Kunst noch viel Stoff zum Betrachten, Nachdenken und um neue Spuren in der Wahrnehmung zu legen!
@nirvana
...ich habe "falsch" bewußt in Anführungszeichen gesetzt und nicht, weil ich die Gänsefüßchen so niedlich finde *zwinker*
Es geht mir auch nicht darum, beim Kunstbetrachten immer den Kontext des Künstlers im Auge zu haben (bzw im Kopf - macht wohl mehr Sinn *ggg* ), sondern bevor man eine Interpretation des Kunstwerks erstellt, die so klingt als sei das Künstlergewollt, das Kunstwerk so und nicht anders zu betrachten, sehen, lesen...

Ich fühle mich von Interpretationen zuweilen belästigt. Sie geben eine Sichtweise vor, einen Blickwinkel, der nicht immer meiner ist und je nach dem, wie stark die Argumente sind, verhindern sie in meinen Augen zT einen persönlichen Zugang zur Kunst.
Wenn ein Künstler sein Werk so und nicht anders verstanden haben möchte, gut. Aber wie häufig bekommt man in Ausstellungen Führungen mit, bei denen sich einem die Nackenhaare aufstellen?

...nochmal China: zu den frittierten Panzern gibt es eine Reihe von Interpretationen. Deine fand ich sehr "europäisch" gedacht. Eben aus unserem Kontext heraus. Das finde ich legitim, jedoch mag ich nicht, dass hier der Eindruck enstand, das Kunstwerk sei so zu verstehen.

Einen schönen Tag noch,
liebe Grüße,
Charlotte *g*
*****_bw Frau
520 Beiträge
DER Sex für MEINE Augen!
Erst kürzlich hielt das unten abgebildete Kleinod ein
(äußerst) wunderbarer Mensch in seinen Händen.
Ich stellte fest, daß der Blick sich jedoch auf vollkommen
andere Teilbereiche fokussierte, nachdem ich auf die
Detailgetreuheit hinwies.

Unterschiedlicher "Sex" für subjektiv betrachtende Augen.

Kann man Kunst interpretieren? Versuche - auch in ent-
sprechender Literatur - zeigen zumindest, daß es nur
Gedankenanstösse sind, wenn man diese überhaupt
benötigt bzw. in Anspruch nimmt.
Das Fühlen bei der Auseinandersetzung mit jeder Form
der Kunst, können sie jedoch weder verstärken
noch anregen.
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
@zarah
Ein sehr schönes Teil...

Und zwar vom Horn bis zu den Hufen...

*ggg*
*******_ja Frau
393 Beiträge
Bleibt noch Venedig
mit der Biennale für die ganz Kunst-besessenen.

Möchte noch vom letzten Eindruck berichten, kurz bevor der Vorhang fiel und das große Kunsttheater in Kassel für die nächsten fünf Jahre geschlossen bleiben wird.
Dabei will ich mich zunächst auf zwei Eindrücke beschränken. Das eine ist der Umgang des Kuratorenpaars Buergel/Noack miteinander und ihre Auseinandersetzung mit der Kunst. Diese letzte Führung war wie eine Teilnahme an ihrem Arbeitsprozess und nur ein geringer Anteil davon war gespielt, glaube ich. Sie lieferten sich eine für die Zuhörer spannende Debatte von Sokratischer Gesprächslust darüber, ob eine bestimmte Arbeit
vielleicht doch etwas aufgeblasen und kokett sei, und diesen Platz hier auf der Documenta vielleicht gar nicht verdient habe oder gerade deshalb doch. Zitat Buergel „ Ja, jetzt wird es Zeit, die Kunst auf der Documenta mal zu kritisieren“.
Was mir daran gefallen hat, ist die Intensität, mit der die Beiden in die Gespräche eintauchen, nahezu nahtlos von der alltäglichen Plauderei in den Kunstkontext hinüberwechselnd, mit einer Mischung aus Ernsthaftigkeit und humorvollem Spiel. Man bekommt eine Vorstellung davon, dass Leben und Arbeiten im Paar zusammen tatsächlich funktionieren kann, und das über einen langen Zeitraum.

Dabei wird die Kunst von allen Seiten beleuchtet, das Banale hat ebenso seinen Platz wie die kunsthistorische Betrachtung, der eigene kulturell gefärbte Blick genauso wie die Intention des Künstlers oder der Künstlerin, es gibt nicht nur eine Lesart. Vor allen Dingen aber nehmen sie immer den Menschen dahinter wahr und ernst. (mehr dazu am Ende)

[img]img_7166.jpg[/img]

Der zweite Eindruck war, dass eine Arbeit, die ich bis dahin nur als eher unscheinbar (trotz der enormen Größe) wahrgenommen hatte, durch intensive Betrachtung und Gesprächen mit anderen plötzlich ganz schillernd wurde: Rockenschaubs dicker, grüner Block, diesmal tatsächlich aufgeblasen, der in der Hauptsache den Weg versperrte. (Diese Funktion hatte mir die ganze Zeit schon gut gefallen.) Rockenschaubs Konzept geht von der Rücknahme des Künstlers aus, es werden PVC-Materialproben in verschiedenen Farben vorgelegt, Form und Größe können die Ausstellenden ebenfalls nach Gusto bestellen, den Standort sowieso festlegen. Seine Kunst ist eine Ware, die bestellt und industriell hergestellt wird. Die Jahrhunderte währende gültige Verknüpfung von Kunst und Original, bzw. Originalität wird auf ironische, subversive Weise komplett unterlaufen.
Und überhaupt, das ganze Teil läuft irgendwie aus dem Ruder, sieht aus wie eckig gewollt und nicht gekonnt. Es reizt zum Anfassen, wie eine Hüpfburg, nur dass man nicht rein und nicht drauf kann, es verweigert sich und steht fett im Weg rum.
(Versteht sich von selbst, dass es außer dieser noch etliche andere Sichtweisen gibt)

[img]img_7171.jpg[/img]

Ein Fazit? Kann ich nicht geben, dazu ist das Gesamtbild zu komplex.
Ich falle hier sicher auf als eine, die sich für die Kunst begeistern kann.
Kritisch bin ich trotzdem.

Mit oben erwähnten (natürlich äußerst sympathischen) Menschlichkeit und Publikumsnähe, die diese Documenta durchzog, ging allerdings doch auch einher, dass es keine extremen Positionen, wenig herausragende Persönlichkeiten, kaum wirklich überwältigenden Arbeiten gegeben hat, die man jahrelang nicht vergisst. Schade eigentlich.
(Auf der D 6 gab es z. B. eine Arbeit, die Ölwanne, die mich als Schülerin sehr beeindruckt hat, mit weitreichenden Folgen)

Was mir weiterhin ziemlich auf den Wecker ging, war einer der Leitsätze, bzw. Mottos und zwar: Migration der Formen. Durch die Präsentation im Hinblick auf Ähnlichkeiten entstand die Gefahr der bloßen Aneinanderreihung nach formalen, phänomenologischen Gesichtspunkten – für manche Arbeiten tödlich!
Anstatt dadurch Sinn zu stiften, wie es im Konzept hieß, wurden die Arbeiten zum Teil einer Beliebigkeit ausgesetzt, in oberflächlichen Analogien verharmlost, in der Bedeutung nivelliert und ihrer Sprengkraft beraubt, wenn ihnen denn eine innewohnte!
Verschenktes Potential, wie ich finde!

Nichtsdestotrotz:

Um die Welt zu erkennen braucht ihr die Kunst. Sie ist das einzig verlässliche.
(Dieter Forte)


Foto gelöscht. Bitte die Forenregeln beachten. LG Mod CathyB
*******_ja Frau
393 Beiträge
Wo sind meine Fotos?
Welche Forenfotoregeln?

Habe ich nicht gefunden. Na gut, wenn Rockenschaubs grünes, aufgeblasenes Ding zu anstößig war, setze ich eben etwas anderes rein:
Im Land, wo auf Niedlichkeit 5 Jahre Kerker stehen
"Ran an die Rampe – und runter mit der Kunst!"
hieß es bei uns damals bei unsrer groß-art-igen Klein-Kunst-Chaoten-Truppe immer.

Nun fehlte mir in letzter Zeit einfach Zeit, Nerv und Muße, um auf die Beiträge, die es allesamt wert sind, hier näher einzugehen. Das möchte ich wie versprochen nachholen, denn dieser Thread liegt mir mehr als jeder andere hier am Herzen – und viele Fragen sind noch offen. Schön auch, daß mittlerweile einige der Gegangenen – wie @*****tte und @*****ani -wieder unter uns "künsteln". Wäre schön, wenn es weitergeht. Alles kann, nichts muß, gelle?

Ich fange mal irgendwo an...

@***ah (2.9.)

„Die Impression, welche die Impressionisten erzielen, ist diejenige
einer auf den Tasten des Klaviers herumspazierenden Katze oder
eines Affen, der sich eines Farbkastens bemächtigt hat.“

Ich nehme an, daß dies despektierlich gemeint war. Heute lockt man mit so einer niedlichen Miniattacke aber nicht mal mehr den toten Beuys hinter dem Kunst-Fett-Ecken-Sofa hervor, oder?

"Ich sehe (und interpretiere) heute im Gesicht einer bestimmten
alten Dame mehr Kunst, als sie mir manch ein Werk vermitteln könnte."

Das hast du unglaublich schön gesagt – und vermutend, wer diese alte Dame ist, brauche ich dem nichts hinzuzufügen. – Ausser: Würdest du dann aber so weit gehen zu behaupten, daß unser Dasein primär ein ästhetisches Phänomen ist? (Solche Ansätze gibt es ja, wie du sicher weißt)

"Da Kunst veränderbar ist, hat sie meines Erachtens keine Funktion,
denn der Betrachter geht frei auf sie zu."

Das sehe ich etwas anders. Hat sie in deiner Logik dann nicht die Funktion, die Veränderung der Kunst zu zeigen respektive zu reflektieren? Meine Meinung zur Funktion der Kunst findest du weiter unten im Text.


@*****ani (2.9.)

"Wenn jemand also eine Performance als Kunst empfindet, in der jemand eine Reihe Klodeckel mit dem Schädel zertrümmert - tut mir leid, liebe Freunde, dann ist das Kunst, und zwar nicht mehr und nicht weniger als Morbellis "Dämmerung"."

D´accord! Man fragt sich nur, ob man sich das geben muß. Das muß aber – insofern ist die Wahrnehmung, was Kunst ist in der Tat sehr, subjektiv. Ein alter Hut, wie der von Beuys, denke ich... grins Ich für meinen Teil interessiere mich momentan eher für diesen mir gar nicht bekannten Morbelli, denn wenn ich diese intensive Beschreibung hier...

"Die Wirkung des Bildes auf mich war recht intensiv. Ich konnte fast spüren, wie der Staub in den Sonnenstrahlen tanzte, ich konnte das Seufzen und leichte Schnarchen der Männer hören, ebenso die gedämpften Stassengeräusche von draussen, und ich hatte das Gefühl, wenn ich die Hand hebe sehe ich den Schatten meiner Finger im Lichtfleck an der Wand."

lese, werde ich total neu-gierig. Toll geschrieben! Es entsteht ein inneres Bild. Klasse!

@HS (3.9.)

Zitat:
Eben weil Kunst doch subjektiv ist, erscheinen auch vermeintlich sichere Wertmaßstäbe wie "Schönheit" äußerst subjektiv, findest du nicht? Oder meinst du, daß "unsere" europäische Schönheit – sagen wir mal: die Schönheit der alten Griechen und der Renaissance (Florenz: David) – auch diejenige der Japaner, der Chinesen usw. sein müßte?

"@ Luc dem muss ich dir leider widersprechen, für mich hat Kunst nichts mit nationalen Bewusstsein zu tun. Kunst ist für mich Grenzüberschreitend und öffnend. Es ist nicht relevant welche Nationalität hinter dem Kunstwerk steht, für mich ist entscheidend, was will mir der Künstler mit seinem Werk sagen und wie stehe ich persönlich zu diesem Werk. "

Du widersprichst mir nicht, denn genau wie du hatte ich es gemeint. Allerdings denke ich, daß wir viel stärker von einer Ideologie geprägt werden als wir uns das selbst eingestehen. Darauf wollte ich hinaus. Es gibt ein sehr erfrischendes – weil anschauliches – Buch von Terry Eagleton, es heißt "Einführung in die Literaturtheorie". Die "Einleitung" daraus ist in diesem Kontext sehr erhellend. Ich hab jetzt wenig Nerv das abzuschreiben, aber bei Bedarf schicke ich dir die entsprechenden Passagen gerne als Scan. Eagleton relativiert auch sehr stark den von dir vertretenen Begriff der Schönheit, insofern er eben an der Subjektivität auch dieses Begriffs festhält.

"Ich bin immer noch der Überzeugung, dass Kunst für mich ein Inbegriff für Schönheit ist und ja, ich bin intolerant gegenüber den Werken, die dieses nicht zum Ausdruck bringen."

Das finde ich – gerade aufgrund manch historischer Erfahrung mit Schönheitsbegriffen – ebenso bedenklich wie Kardinal Meissners Entgleisung das neue Kirchenfenster Gerhard Richters im Dom zu Kölle als "entartet" zu bezeichnen. Aber so meintest du es sicher nicht, oder?

@*********eidt (5.9.)

D´accord mit allem!


@*****tte (5.9.)

D´accord. Mit Geometrismus à la Mondrian kann ich auch nicht viel anfangen. Passt mitunter aber ganz hübsch zur eigenen Wohnungseinrichtung. Grins

@*****nja (16.9.)

Ich bin mit fast allem einverstanden, was du schreibst. Die Frage "Was ist Kunst" war natürlich NIE so zu verstehen, daß ich hier einen objektiven Defintionsversuch wollte. Aber das versteht sich von selbst, oder?

Hier

"Bemerkenswerterweise fragt bei einem Buch kaum jemand, ob das Literatur sei oder nicht."

muß ich – unter neuerlichem Hinweis – auf Terry Eagleton widersprechen. Die Literaturdozenten, die ich kennengelernt habe, eröffnen Ihre Erstsemesterveranstaltungen – wie gesagt – gerne mit der "Was ist Literatur?" überschriebenen Einleitung aus Eagleton. Und auch das ist eine Kunst, eine pädagogische in diesem Falle: Das Vertraute erst einmal fremd zu machen...

@****yr

"Eines vorweg, mir fällt die gnadenlose Koketterie auf, mit der sich die meisten hier am „Kunstfuzzitum“, luc’scher Sprachreglung vorbeimogeln wollen, was, mit Verlaub, nicht gelingt, und das ist auch gut so.
Denn allein die Frage, ob man die Frage, nach dem Sinn der Kunst beantworten kann, ohne selbst Künstler zu sein, gibt den Blick auf den deutbaren Abgrund frei, der sich da eröffnet. Sie teilt ein in „vor und auf der Bühne“, in Verbraucher und Anbieter, in Denker und Bedachte, sie trennt und polarisiert. Die Frage wohlgemerkt, nicht die Kunst."

Es ist jetzt keine Koketterie, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich dich verstanden habe. Daher bitte ich um Präzisierung, denn ich bin mir nicht sicher, was genau du mit "Kunstfuzzitum, luc´scher Sprachregelung vorbeimogeln" meinst. Ich meine mit Kunstfuzzitum (und Kunstfotzentum) jedenfalls ganz was anderes als eine Distanzierung zwischen Verbraucher und Anbieter, Eingeweihten und Nichteingeweihten HIER, falls es das ist, worauf deine Bemerkung zielt. Ich für meinen Teil sehe hier bei keinem, der schreibt eine solche Tendenz sich zum Eingeweihten zu deklarieren. Wir sind wohl mehr oder weniger alle interessierte Laien mit Meinungen, nichts weiter. Wenn die Tatsache, daß man diese Meinungen hier zum besten gibt, als Arroganz oder was auch immer ausgelegt werden sollte, dann ist das ein Problem. Aber nicht das Problem derjenigen, die hier schreiben. Mir wäre das dann offen gestanden aber auch genauso egal wie die Frage, wer hier wie weit spritzen kann, sei es nun mit Pinsel oder Pimmel. Das interessiert mich einfach nicht. Solltest du mit vorbeimogeln auf (m)eine grundsätzliche ironische Haltung gegenüber dem, was allgemein unter angesagter Kunst fungiert, abzielen, so fände ich das spannend – und fühlte mich – im positiven Sinne – von dir getroffen, denn Kunst hat für mich immer auch mit Humor und Ironie zu tun. Es gibt für mich nichts schlimmeres als unerträglich aufdringliche Betroffenheitskunst einerseits oder hochfahrend-aufdringliches Bedeutsamkeitsgeraune à la häufig erlebtem Vernissagen-Geschwätz andererseits...

Wenn ich deinen Beitrag weiter lese, dann fällt mir auf, daß ich dich vermutlich wirklich falsch verstanden haben könnte. Denn deine Ansichten zur Documenta teile ich voll und ganz – und damit komme ich gerne auch zu einem Bekenntnis, welche Funktion der Kunst ich derzeit – aus ganz subjektiven Gründen – für spannend halte...

Was mich im Nachgang der Documenta sehr geärgert hat, ist die Tatsache, daß Bürgel von den Medien z.T. als intellektuell-überheblicher Depp dargestellt wurde, der eben mit den Bedürfnissen "der Leute" nichts am Hut hat, sondern eine eben verkopfte Leistungsschau gemacht hat. Das bedeutet nicht, daß es das nicht war, denn teilweise – siehe meine vorigen Postings – hatte ich auch das Gefühl, aus diesem Intellektuellenzirkus aussteigen zu wollen und die einfachen Fragen des Lebens wie "Zu dir oder zu mir?" stellen zu wollen... zwinker Mit dieser blasierten Kritiker-Sicht der Dinge wird man der Sache aber eben nicht gerecht, ging es doch tatsächlich darum, die Kunstvermittlung in den Vordergrund zu stellen, auch wenn Theorie und Praxis weit auseinanderklafften, was unter anderem auch am Format der Documenta als Spektakel bzw. Leistungsschau liegt. Es lag aber schlichtweg auch daran, daß man der Documenta angemerkt hat, daß Bürgel einfach die Zeit gefehlt hat, sein Konzept wirklich umzusetzen. (Klar, jetzt kann man über fehlendes Zeitmanagement reden, aber das steht auf einem anderen Blatt.) Ich habe teilweise das Gefühl gehabt, in einer schlechten Kunstperformance wie weiland im Jugendzentrum zu stehen. Teilweise aber fand ich es – wie gesagt – hoch spannend, insbesondere deshalb, weil es – wie du schreibst – sehr politisch war. Gerade die von dir genannten Arbeiten fand ich auch die spannendsten – und hätte mir gewünscht, daß die Documenta aus einem Guß gewesen wäre, damit das bornierte Kritikergelaber ein Ende gefunden hätte. Was mich in meinem eigenen (kokettierendem) "Kunstdilettantentum" sehr bestärkt hat, ist die Meinung eben jener eingangs erwähnten Künstlerin – namens Sigrid Sigurdsson -, die selbst in der allerletzten Auswahlrunde von Bürgel eine Absage bekam, weil er ihre Arbeit zwar sehr schätzt, aber im Rahmen der documenta nicht für ausstellbar hielt. Großartig an Sigurdsson finde ich, daß sie ihrerseits nun nicht wie manch anderer narzißtisch gekränkter Künstlerfuzzi von dannen zog, sondern eben explizit die Stärken, aber eben auch die Schwächen der Ausstellung benennt - und zwar als Profi. Das nenne ich Größe – und das ist die Form von Größe der Kunst, die mich zwischen all den Möchtgernkünstlern, die vielleicht mehr Bilder verkaufen, interessiert. Es ist der Kontext von Kunst und Engagement, weshalb ich für mich momentan die Funktion der Kunst darin sehe "politisch" und "kritisch" zu sein (wohlgemerkt: nicht parteipolitisch, nicht notwendigerweise inhaltlich-politisch, aber eben auch!). Mein Credo. Ein subjektives.

Wie seht ihr das?
Ist Kunst politisch?
Was bedeutet Euch Engagement im Kunst-Kontext?

Ich mach jetzt mal einen Punkt und kommentiere die anderen Beiträge vielleicht ein ander Mal noch zuende, denn es gibt ja nichts Schlimmeres als Kritiker-Monologe... *zwinker

Übrigens: Wer sich für die Arbeit Sigurdssons interessiert, kann sich hier – oder falls die Links gelöscht werden bei Google - einen ersten Einblick verschaffen...

http://www.faz.net/s/RubCC21B04EE95145B3AC877C874FB1B611/Doc~E944414C6BC5E4C36B02A9DF2C9BA217F~ATpl~Ecommon~Scontent.html

http://www.keom.de/kuenstler/a_z/sigurdsson.html

Art-ig grüßend,

Luc
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ist Kunst politisch?
Oder vielleicht auch: sollte bzw. darf Kunst politisch sein?

Ich würde sagen, dass ist eine individuelle Entscheidung des Künstlers... oder nicht?

Kunst kann eine politische Plattform sein, eine politische Aussage haben, die sich dann mit Hilfe der Öffentlichkeit nach außen verbreitet. Und warum auch nicht. Das Interesse der Öffentlichkeit zu nutzen, um ein politisches Statement abzugeben, ist sicher jedem Künstler freigestellt.

Viele werden sich aber wohl bewusst dagegen entscheiden und "l'art pour l'art" praktizieren. Nachvollziehen könnte ich hierbei die Befürchtung, dass man als Künstler eben als öffentliche Plattform missbraucht wird, indem in Arbeiten eine politische Aussage hineininterpretiert wird, die gar nicht intendiert war...

Um glaubwürdig zu bleiben würde ich einem Künstler wohl raten, in erster Linie bei sich selbst zu bleiben und sich nicht vor jeden beliebigen öffentlichen Karren spannen zu lassen. Um so glaubwürdiger wird es dann sein, wenn er einmal ins Licht der Öffentlichkeit tritt um für eine sehr ausgesuchte, ihm wirklich am Herzen liegende Sache offen und direkt einzutreten. Es kommt auf die Dosierung an, die sicher sehr fein gewählt werden sollte.
ANSICHTSACHE
@**c, ich denke wir sind alle eigenständige Persönlichkeiten und so sollte auch der Kunstgeschmack ausfallen. Es ist mir gleich, wenn versucht wird ein Kunstobjekt durch Worte hochleben zulassen. Sicher bedarf es bei manchen Werken einer Erläuterung und diese wiederum kann auch ein AHA-Effekt bewirken.

Nur sollte diese Interpretation auch zum umzuschwenken bewegen?

Kunst beschränkt sich nicht nur auf eine bestimmte Ausrichtung, sie ist breit gefächert und lässt Synapsen in welche Richtung auch immer agieren. Mein Veto betrifft auch nicht die komplette Breite der Moderne, sie lässt nur einige Werke in mir nicht in das entsprechende Licht rücken. Ich muss die Spontaneität, die Verrücktheit sowie Schnelllebigkeit die unsere Zeit so mit sich bringt, in manchen Werken nicht begrüßen.

Nur weil der Ersteller der Meinung war/ist, es ist Kunst für mich.

Kunst muss mich berühren, muss in mir etwas auslösen, sie soll ganz einfach meine Sinne wecken, es muss nicht unbedingt beim ersten Kontakt sein. Sollte dieses dann zu einem Werk avancieren, lebt der Begriff Kunst in mir auf und da bedarf es schon mehr, als ein zwei Pinselstriche.

Von Ideologien geprägt werden und sind, interessant *zwinker*

Schönheit?
Wer sagt denn, das ein Objekt schön ist und wer nicht und sollten Meinungen die auf Grund eines bestimmten Triebes (ob Herden oder anderer) gefallen werden, relevant sein?

LG, HS
*******e_st Frau
3.948 Beiträge
Ojeh Luc,
da hast Du eine sehr schwere, interessante Frage gestellt, die zu beantworten ich mir mal etwas Zeit nehmen möchte.
(Hab den Thread nicht gleich wiedergefunden, bin wohl in den Körperflüssigkeiten ausgerutscht, über die sonst nebenan so heftig gestritten wird *zwinker* )

Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass Kunst sehr wohl ein politisches Thema beinhalten darf.
Dabei sollte der Künstler jedoch nur Beobachter bleiben und nicht Transporteur einer Ideologie oder seiner eigenen Ideale.

Ich denke da vor allem an die Kriegsfotographie, die hier ein Extrembeispiel in einer Extremsituation ist und unter extremen Einflüssen steht.
Denn Krieg ist ja die Weiterführung der Politik mit unfriedlichen Mitteln.
(frei nach Karl von Clausewitz)

Heute hat ja der Fotokünstler, der sich dieses Themengebiet gewählt hat zudem auch noch die Sorge, dass seine Bilder nicht die Würde des Toten, der abgebildet ist, als zu reißerisch darstellen, jedoch an der Wahrheit des Momentes, der Extremsituation Krieg, der Angst, der Zerstörung von Menschen und Sachen bleiben.

Am meisten beeindrucken mich darin nicht die Bilder der Toten, sondern z.B. die Momentaufnahme der Angst im Auge eines Soldaten.
Die Kunst, einen solchen Moment einzufangen.
Bilder denen man ansieht, dass dessen schmutzige Finger zittern.
Und uns berechtigte Angst machen vor diesen Situationen.

bonne nuit et à demain, la chatte
Kunst-Dreckchen...
Wie man vielleicht der Presse entnehmen konnte, wurde kürzlich das Arp-Museum unweit von Koblenz am Rhein gelegen eröffnet, mit großem Pomp, will sagen mit der Frau Bundeskanzlerin und Herrn Beck, dem ewig-untalentierten Oppositionsführer namens SPD. 33 Mio gab es für diesen Kunst-Zirkus aus Bundesgeldern, das letzte Projekt des Berlin-Bonn-Vertrages.

Die Genese des Arp-Museums an und für sich ist schon eine Farce, weil sich alle Erben der Arp-family bekanntlich seit Jahrzehnten in den Haaren liegen, was jeder Noch-nicht-einnmal-Insider peinlicherweise weiß. Provinzposse.

Der Zirkus mit den Originalen ging ja bundesweit durch die Presse. Auch wenn mich dieser Kunstzirkus eher langweilt, nervt doch etwas anderes ungemein. Die Tatsache nämlich, daß dieser Edelkunstpuff seinen frieiberuflichen Mitarbeitern - zum Teil promovierten Kunsthistorikern - allen Ernstes anläßlich der Eröffnung dieser Ausstellung ein Salär von 12,- Euro anbieten wollte, um dort den Ciccerone zu spielen. Diesen Unsinn hatte sich natürlich eine Agentur ausgedacht, wovon der Museumsdirektor - ein renommierter Kurator im Methusalem-Alter von 78 Jahren - vermutlich keinen blassen Schimmer hatte. Ich bin heilfroh, daß ich einigen der potentiell Beteiligten ausreden konnte, für den entwürdigenden Hunderlohn von 12,- Euro irgendeinen Finger zu rühren, zumal die Chefin einer befreundeten Kunsthistorikerin meinte, daß ihre Putzfrau immerhin 13,- Euro bekäme. Soviel dazu.

Kurz: Der Kunsthumbug, mit Steuergeldern irgendeinen Kunsttempel von 33. Mio in den Hang zu setzen, sollte aufhören! Da ich selbst die Absicht hatte, im nächsten Jahr eine Veranstaltung im Bahnhof Rolandseck zu organisieren, bin ich heilfroh, daß wir diesen Kunst-Dreck nicht nötig haben.

Kunst-Scheisse. Ohne irgendeinen Rückhalt. Meine Meinung...

Luc
Weil hier derzeit überall Photos
gepostet werden, hier auch noch mal ein paar aus der Kunstszene..

have art-fun,
Luc
*******_ja Frau
393 Beiträge
Apropos artige Kunst und Kunstscheisse...
habe hier noch etwas Feines für Euch - Freundinnen und Freunde der Trash-Kunst:

*pfeil* Delfter BLAU in KACKBRAUN


Wer Künstler und Documenta wissen will, fragt mich.


...und noch ein verwandtes Motiv aus der Alltagskultur, vielschichtig und mindestens doppeldeutig.
*pfeil* sozusagen HIGH and LOW in der Kunst.


Für eventuelle Assoziationen und Nebenwirkungen seid ihr selbst verantwortlich!


Im Moment zu kaum mehr als Blödel- und Bildkommentaren fähig -
wird aber wieder! - hoffe ich doch

Nirvana
**********r1958 Paar
11.391 Beiträge
Viel Lärm um nichts ?
1977 gibt es ein "Mordsgetöse" um ein Bohrloch. Walter de Maria versenkt eine 1000 Meter lange Messingstange in der Erde. Vom Kunstwerk bleibt am Ende nur die Idee im Kopf. Viel Lärm um nichts? Der Erdkilometer ist ein kapitales Werk der Konzeptkunst.

Alleine das Bohrloch hat eine Menge Geld verschlungen, von der Messingstange ganz zu schweigen,
bleibt die Frage wozu, wenn man im Endeffekt nichts davon sieht. *frage*


Für uns nur eine gewaltige Geldvernichtungsmaschinerie

*roll* vom Frenchloverpaar
West-Wood...
Ihr Lieben,

ich war am Wochenende in Italien unterwegs, genauer gesagt in Turin und Mailand. Turin war absolut großartig, Mailand nur bedingt spannend. In Turin habe ich leider aus Zeitgründen die "Gilbert&George"-Retrospektive verpasst, in Mailand an diesem museumsfeindlichen Montag immerhin die Vivienne Westwood-Ausstellung gesehen. Diese hat mich nicht wirklich begeistert. Ich mochte die Ausstellung ob mancher frühen Punk-Projekte im Umfeld von Malcolm Mc Laren und den Sex Pistols. Davon abgesehen aber finde ich den Medien-Hype um La Westwood schon wieder ein wenig bizarr. Ich mochte das auch nur in Ansätzen, Punk stellt sich für mich dadurch nur bedingt her; und ich halte mich da auch nur bedingt dran....

Spannender in jeder Beziehung fand ich das Filmmuseum in Turin...


Luc
*******_ja Frau
393 Beiträge
ich mag ihn,
nicht den West-Wood-Hype, sondern den Erdkilometer von Walter de Maria.

Still und bescheiden liegt er da, völlig ungeachtet des lauten Lärmens um ihn herum - sowohl vom Bohrturm bei seiner Entstehung wie vom Aufschrei der Massen und der Medien (vor 30 Jahren!), keine protzige Inschrift zu sehen, kein Sockel in Sicht, nur eine unscheinbare runde kleine Messingscheibe erinnert diejenigen, die um seine Existenz wissen an den genauen Ort.

An fast dem gleichen Ort stand mal ebenfalls eine Stange, schräg nach oben weisend, Jonathan Borofskys "man walking to the sky", mit einem bunt-kindlich gekleideteten Mann, der gen Himmel marschiert, mit all seiner schlichten und offensichtlichen Symbolik "Es geht aufwärts, Leute!"
Hübsch, gefällig, leicht verdaulich!
Da ist mir die dunkle Tiefe eines unsichtbaren Erdkilometers doch sehr viel lieber.

Schon merk-würdig, sich die Erdoberfläche in seinen geologischen Schichten vorzustellen, darin dann dieser schnurgerade Kilometer, der zum Erdmittelpunkt zeigt, wenn ich darauf stehe, bekomme ich ein Gefühl für die Masse an Erde unter mir, wo beginnt eigentlich dieser kochende Kern? Wieviel Km Durchmesser beträgt die Erde noch mal?
Wieviele Liebende schon haben diesen kleinen Punkt als ihren Treffpunkt gewählt?

Kunst ist halt doch mitunter mehr als Sex für die Augen, mitunter berührt es auch Herz und Verstand.
Und mal ehrlich: es wird für weitaus schrecklichere Dinge viel Geld verpulvert, Projekte für Drittwelt-Länder, die mehr schaden als nutzen, oder die Rüstungsindustrie - um nur 2 Beispiele zu nennnen -
und da wird noch ganz Anderes als NUR GELD vernichtet.



So - jetzt noch einen Riesenbogen und Haken geschlagen,
um an dieser Stelle mal ein Missverständnis auszuräumen:

Ich finde den oben gezeigten Delfter Kack richtig große klasse!!!!!!!!!!!!!!!
Echt - ohne Scheiß!
Die Arbeit von Wim Delvoye hat Esprit und Humor, durchaus auch gesellschaftskritische Töne, zitiert die Dekorationswut des Bürgertums. Ja, und Kacheln stehen natürlich für hyperreinliche Hygiene, also ganz im Gegensatz zu dem Dargestellten. Außerdem enthält sie historische Anspielungen, z.B. auf die niederländische Tradition der Porzelan-Malerei, und widmet sich dem Trompe`loeil, der Augentäuschung, in Holland im 17. Jh. "Bedriegertje" = Betrügerchen genannt, ein Spiel mit Illusion und Wahrnehmung.
Also sogar ziemlich vielschichtig.

Mein Weihnachtswunsch:
genug der Sockel-Kunst,
mehr Rotzfreches bitte!
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