Also doch!
Genitalprolaps bei der Frau, Descensus, Scheidenvorfall
Definition
Sinken Teile der inneren weiblichen Genitalorgane im kleinen Becken tiefer als es ihrer normalen Lage entspricht, ohne aus der Scheide auszutreten, so bezeichnet man dies als Descensus (lat. descendere = absteigen). Als Prolaps oder Vorfall wird das Austreten von Organen durch die Scheide nach außen genannt. Beim Prolaps werden zwei Formen unterschieden. Zum einen gibt es den Partialprolaps oder teilweisen Vorfall, bei dem nur ein Teil der Gebärmutter, wie etwa der Muttermund, außerhalb der Scheide liegt. Beim Totalprolaps tritt die ganze Gebärmutter aus dem kleinen Becken heraus und liegt vor der Scheide.
Eine Senkung der vorderen Scheidenwand ist fast immer verbunden mit der Aussackung des Blasenbodens in die Scheide. Eine Senkung der hinteren Scheidenwand führt häufig auch zu einer Vorwölbung der Mastdarmvorderwand in die Scheide (als sog. Rektozele bezeichnet). Die Rektozele tritt seltener auf, da die Blase mit der vorderen Scheidenwand fester verbunden ist als der Mastdarm mit der hinteren Scheidenwand.
Ursachen
Die Gebärmutter und ihre benachbarten Organe (Blase, Mastdarm und Scheide) werden von einem Bandapparat aus Bindegewebe und Muskeln im kleinen Becken gehalten. Es gibt viele Faktoren, die zu einem Defekt dieses Stützapparates führen können.
Die wichtigste Rolle spielen Geburtsverletzungen. Rasch aufeinander folgende Geburten, vaginal operative Entbindungen wie eine Zangen- oder Saugglockengeburt sowie die Entbindung eines großen Neugeborenen können zur Überdehnung oder zu Verletzungen des Beckenbodens führen. Ebenso kann eine mangelhafte Rückbildung der Beckenbodenmuskulatur im Wochenbett oder eine angeborene bzw. erworbene Bindegewebsschwäche die Senkung der Genitalorgane mit späterem Vorfall zur Folge haben. Weitere Faktoren, die den Beckenboden dauerhaft überlasten, sind Übergewicht, permanente körperliche Belastungen und schweres Heben, vor allem in der Schwangerschaft und in den ersten sechs Wochen nach der Geburt. Auch chronischer Husten oder ständige Verstopfung können auslösende Gründe für eine Senkung und schließlich einen Vorfall der weiblichen Genitalorgane sein. Oft tritt ein Gebärmuttervorfall erst in den Wechseljahren auf, da es zu dieser Zeit durch Mangel an Östrogen zur Rückbildung der genitalen Schleimhaut und zur verminderten Elastizität und somit zur Beckenbodenschwäche kommt.
Meistens findet sich eine Kombination mehrerer Faktoren, die zur Schwäche des Beckenbodens und somit zum Genitalprolaps führen.
Symptome
Nahezu jede Frau, die geboren hat, zeigt einen, zumindest kleinen, Deszensus. Der Beschwerdegrad hängt nicht nur vom Ausmaß des Deszensus, sondern auch von der Empfindlichkeit der Frau ab.
Typische Beschwerden sind ein Druckgefühl bzw. ein Gefühl, als falle etwas aus der Scheide, und Schmerzen im kleinen Becken, bedingt durch einen Zug am Beckenbindegewebe. Begleitend treten unkontrollierter Harnabgang, bei Totalprolaps auch Harnverhalt, Infektionen von Blase, Scheide und Gebärmutter oder eine mechanisch bedingte Verstopfung auf. Schmierblutungen aus der Scheide kommen ebenfalls vor.
Diagnostik
Sowohl die typischen Beschwerden, die die betroffenen Frauen beklagen, als auch die Inspektion der weiblichen Genitale, insbesondere beim Pressvorgang, lassen meist schnell eine Diagnose zu. In Abhängigkeit von der Größe des Vorfalls bzw. der betroffenen Anteile treten dann mehr oder weniger große Organanteile aus der Scheide hervor.
Auswirkungen
Wird eine Absenkung der inneren Genitalorgane nicht behandelt, kann es zu einem Genitalprolaps kommen. Da dieser jedoch nicht immer mit Symptomen verbunden ist, kann in bestimmten Fällen auf eine Therapie verzichtet werden.
Therapie
Der erste Schritt der Behandlung sollte die Kräftigung der Beckenmuskulatur mit Hilfe von Physiotherapie und die Anleitung zur richtigen Belastung des Beckenbodens sein. Je nach Ausprägungsgrad kann sich eine Operation anschließen. Sie ist die effektivste Behandlung zur Rekonstruktion des Beckenbodens. Hierbei können gleichzeitig der unkontrollierte Harnabgang und eine evtl. bestehende Verstopfung behoben werden.
Prophylaxe
Einem Genitalprolaps kann man durch Vermeidung von Überbelastung des Beckenbodens vorbeugen. Dies gilt insbesondere für schwangere Frauen. Vor der Geburt eines Kindes sollte die werdende Mutter einen Geburtsvorbereitungskurs besuchen, zu dessen Inhalt auch das Erlernen von beckenbodenstärkenden gymnastischen Übungen gehört. Übergewicht sollte vermieden werden.
Bemerkungen
Literatur:
Gynäkologie, Thieme (2005); Gynäkologie compact, Thieme (2001); Gynäkologie und Geburtshilfe, Pfleiderer/Breckwoldt/Martius, 4. Auflage, Thieme (2001).
cp/aa/mb/rm;ib;ml aktualisiert: 06/2007