Ein Plädoyer für die Lebenden
Zitat: Das ist nun etwas was ich nicht glauben möchte „kein Wiedersehen“ ich denke ich habe mich dem Schmerz gestellt auch wenn es heute 19 Jahre später immer noch Momente gibt wo er hochkommt und auch mal ein Tränchen rollt aber das sehe ich eher befreiend. Allerdings glaube ich fest an ein Wiedersehen.
Der Schmerz, jemanden verloren zu haben, wird immer wieder auftauchen, auch wenn man die Trauer zugelassen hat. - Natürlich vergessen wir nicht den geliebten Menschen - wir erinnern uns an ihn und an unseren Schmerz, ihn verloren zu haben. - Und wenn wir den Schmerz zulassen und herauslassen, dann ist es befreiend und wir können lebendig bleiben. Unsere Lebendigkeit geht nicht mit dem Verstorbenen ins Grab.
Ich dachte an die Menschen, die ihre Trauer nicht zugelassen haben. Manche wissen gar nicht, dass sie traurig sind. Andere haben Angst davor und bemühen sich ein Leben lang, die Trauer zurückzuhalten und zu unterdrücken, weil sie glauben, es nicht ertragen zu können.
Wieviele Menschen sind nach Verlusten wie lebendige Tote, müssen Tag und Nacht an den geliebten Menschen denken und sehnen sich nach ihm. Manche beschreiben, sie fühlten sich wie erstarrt oder wie ein Eiszapfen.
Dieses: "Ich kann ohne Dich nicht leben!"
Dr. Canakakis, der Trauerpapst, hat das emotionale Erleben mit einem Bild beschrieben: Gefühle sind wie ein klarer Gebirgssee - stets kommen neue Gefühle hinzu, so wie Regen, Schnee und kleine Bäche den See stets mit neuem Wasser speisen. Unser See reguliert sich selber durch natürliches Abfließen. Wir können unsere Gefühle durch Gespräche, durch Tränen, durch andere Möglichkeiten ausdrücken (abfließen lassen).
Wenn unser Gefühlssee keinen Abfluss findet, dann sind wir in der Gefahr, in unseren eigenen Gefühlen zu ertrinken. Dagegen versucht unser Organismus sich zu wehren.
Wie er das macht, ist von Mensch zu Mensch verschieden: Wir empfinden ständige Schmerzen, weil wir gegen den Druck der Gefühle mit Gegendruck beantworten. Wir machen uns hart, damit wir nichts mehr empfinden oder wir lenken uns ab, treiben exzessiv Sport oder arbeiten uns krank. Bei manchen läuft der See ständig über - sie weinen häufig bei geringsten Anlässen und fühlen sich nicht befreit. Andere spüren den Druck, wissen nicht, was es bedeutet und leben in ständiger Angst, verrückt zu werden, wenn sie diese massiv aufgestauten Gefühle zulassen. Und bei anderen wiederum kommt es zu regelmäßigen Dammbrüchen - zu explosionsartigen Gefühlsausbrüchen.
All dies kostet Energie - Lebenskraft. Das meinte ich, als ich sagte, dass Trauer gelebt werden muss und das Verloren gegangene losgelassen (nicht vergessen!) werden muss, um selber weiter leben zu können.
Wenn Menschen an ein Wiedersehen nach dem Tode glauben, so ist dies eine religiöse Überzeugung und eine schöne Vorstellung.
Dieser Glaube an ein Jenseits jedoch sollte den Menschen nicht am Leben im Diesseits hindern. Ich bin überzeugt, dass Gott dies nicht von den Menschen verlangt.
Viele Grüße
Angelika