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Diese Antwort wirft eine wichtige Frage für mich auf:
Darf ich mir meine eigenen Glaubenssätze zusammenrichten, also ist es dann nicht so das ich mir Dinge einfach schön rede/zusammenreime wies mir passt, obwohl sie vielleicht nicht wahr sind?
Ein Beispiel: das ich ab jetzt daran Glaube, das biologisch gesehen Männer und Frauen gleich sind bzw. den gleichen Sexualtrieb haben und es eben die gesellschaftlichen/politischen/erziehung/kulturelle Unterschiede gibt
Lasse mich zu Glaubenssätzen ein absolutes Nicht-Joyclub-Thema wählen, um deine Frage zu besser beantworten zu können:
Jemand lebt nach folgenden Glaubenssätzen, der sie von Kindesbeinen an immer wieder gehört hat: "Geld macht nicht glücklich." - "Geld verdirbt den Charakter."
Wenn ich mir das anschaue, wie sieht der Umkehrschluss aus? Nur, wer kein Geld hat, ist glücklich. Armut macht glücklich. Nur wer kein Geld hat, der hat eine Chance, ohne verdorbenen Charakter zu sein. Armut sorgt für einen guten Charakter.
Die Absurdität ist genauso offensichtlich wie die Unwahrheit dieser Glaubenssätze; du denkst ja darüber nach, ob deine Glaubenssätze wahr sind. Ebenso offensichtlich ist, dass Menschen mit diesen Glaubenssätzen niemals ihre Finanzen im Griff haben werden und niemals zu Wohlstand kommen werden. Ich kenne auch keinen einzigen glücklichen Armen. Ist hier jemand, der von sich sagen würde: "Seit ich zu Geld gekommen bin, ist mein Charakter total verdorben. Als ich noch kein Geld hatte, war ich viel glücklicher!"
Das ist mit Beziehungsglaubenssätzen oder sexuellen Glaubenssätzen nicht anders. Es gibt diese Klischees vom Mann der immer will und der Frau die permanent Kopfschmerzen hat. Eine Ex-Freundin von mir hatte die auch und zwar genau so lange, bis sie beim Augenarzt war und eine Brille bekommen hat. Und ich habe den Ausdruck "ich bin untervögelt" bislang nur von Frauen gehört.
Die Frage ist erst einmal nicht, ob der Glaubenssatz richtig oder falsch ist. Die Frage ist: Willst du dein Leben lang nur wie ein Papagei nachplappern, was dir andere erzählt haben? Oder noch schlimmer: Willst du das Leben einer anderen leben? Willst du Gefühle haben, die dir jemand beigebracht hat? Oder willst du deine eigenen Bedürfnisse erforschen und danach leben? - Was meinst du, wie es jemandem geht, dem von Kindesbeinen eingetrichtert wurde, dass Homosexualität böse, eine Sünde, verwerflich und total krank ist und dann bemerkt er oder sie, dass sie zum gleichen Geschlecht hingezogen ist. Bei der Form von Sexualität, die diese Person erfüllen und glücklich machen würde, fühlt sie sich schlecht, weil alle Glaubenssätze ihr sagen: das tut "man" nicht!
Es bedarf der objektiven Überprüfung und nicht des Glaubens. Glaubenssätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie niemals hinterfragt wurden. D.h. konkret, dass sie nicht wirklich im Bewusstsein angekommen sind. Ich habe viele Glaubenssätze in meinem Leben identifziert, hinterfragt und dann verworfen und ich wette, dass ich noch viel mehr unbewusst mit mir herum trage.
Grundsätzlich muss ein Glaubenssatz dem Realitätscheck standhalten können. Einer deiner Glaubenssätze könnte(!) sein: Jemand in einer Partnerschaft darf keine eigenen Bedürfnisse haben. Oder: Körperlicher Kontakt zwischen einem Beziehungspartner und anderen Menschen ist schlecht und gefährlich für die Beziehung. Ein anderer: Man darf keine Privatsphäre haben. Letzterer geht soweit, dass du eine Straftat nach StGB 202a (Ausspähen von Daten) begangen hast, denn Chats einer anderen Person zu "schnüffeln" ist nichts anderes. Noch einer: Eifersucht ist gut für die Beziehung, durch Eifersucht zeige ich meine Liebe. Und noch einer: In einer Beziehung muss man auf vieles verzichten. Dass ein Partner den anderen einhegt und ihm Vorgaben macht, wie er zu leben hat, ist doch ganz normal. Und ganz extrem: Lieber eine schlechte Beziehung als gar keine Beziehung. Oder: Mein Partner muss mich glücklich machen.
Passt davon etwas vielleicht auf dich?
Ich habe hier absichtlich die "Man-Form" bzw. keine persönliche Aussage gewählt, da sich sprachlich gerne dadurch Glaubenssätze verraten. Man tut das nicht! Damit bist nicht du oder dein Partner persönlich gemeint sondern irgendwer! Wie wäre es mit: "Ich habe mich entschieden, das nicht zu tun." Denn es ist das, was du leben willst.
Was passiert denn, wenn du diese Glaubenssätze kritisch hinterfragst und sie bei der Gelegenheit gleich auf dich selbst anwendest? Nehmen wir: Eifersucht ist gut für die Beziehung. Realitätscheck: Wie viele gute Beziehungen kennst du, in denen Eifersucht dominiert und wie viele gute Beziehungen kennst du, bei denen Eifersucht nicht bedeutend ist? Du hast selber erlebt, was bei einem Eifersuchtsanfall passiert. Hast du dich gut dabei gefühlt? Stelle dir vor, du tust ohne eine böse Absicht irgendetwas, was bei deinem Partner einen Eifersuchtsanfall auslöst. Z.B. hast du, so ganz nebenbei, festgestellt: "Der Typ auf der anderen Straßenseite hat eine gute Frisur." Nichts böses, oder? Aber dein Mann tickt total aus. Er macht dir eine Szene, er schreit dich an, weil du ihn unattraktiv findest und diesen anderen Mann anhimmelst - und was immer er von sich gibt. Wäre nicht eher adäquat, dass er (hoffentlich nicht gekränkt) feststellt: "Ich muss mal wieder zum Friseur." Du würdest wohl kaum mit jemandem dauerhaft zusammen sein wollen, der dir letztendlich verbietet, dich über das Äußere anderer Männer positiv zu äußern. Dann solltest du am besten gar nicht darüber nachdenken und andere Männer gar nicht erst anschauen.
Bzgl. deines Beispiels: Es ist vollkommen egal, ob du glaubst, dass biologisch gesehen Frauen und Männer gleich sind bzw. den gleichen Sexualtrieb haben oder ob Männer andauernd wollen und Frauen nie oder umgekehrt. Was hat das ("Männer sind so") konkret mit dir und deinem Partner zu tun? - Du wirst nicht dadurch freier, dass du nun genau das Gegenteil von dem zu glauben versuchst, was du bislang geglaubt hast.
Du müsstest auch den Begriff "Sexualtrieb" konkretisieren. Was bedeutet "Sexualtrieb" für dich? Hast du das schon einmal für dich reflektiert? Kannst du Sexualtrieb messen und wiegen und weg bringen von einem diffusen Begriff, unter dem sich jeder etwas anderes vorstellt, und hin zu konkreten greifbaren Aussagen?
Nochmals, damit das auch ankommt: Was hat der Sexualtrieb (was immer das ist) von (irgendwelchen) Männern konkret mit dir und deinem Partner zu tun?
Interessanter ist die Aussage: Mein Sexualtrieb ist anders/genauso/kleiner/größer als der meines Partners. Das ist individuell und wertfrei, obwohl noch immer nicht klar ist, was du unter Sexualtrieb zusammenfasst.
Die nächste Frage ist dann: Was machst du mit diesem gewonnen Wissen? Du hast dann nur eine quantitative Aussage, wenn in deiner Vorstellungswelt der Sexualtrieb von Männern und Frauen qualitativ gleich ist. Wenn du "mehr" willst als dein Partner oder dein Partner "mehr" will als du, dann braucht ihr dafür eine Lösung. Wie die Lösung aussieht, ist eine andere Frage. Aber wie es um das "Triebleben" des Restes der Menschheit steht, hat mit deiner persönlichen Beziehung gar nichts zu tun. Den Glaubenssatz kannst du ganz einfach als "für mich und mein persönliches Lebensglück irrelevant" weg werfen.