Ich kenne bisher kein Buch und keinen Film, der BDSM so darstellt, dass es einerseits für den Ottonormalmenschen umsetzbar wäre, als auch halbwegs gesunde Beziehungen darstellt.
Ich denke aber auch, dass das erstmal nicht schlimm ist - Bücher und Filme sind Medien, die vor allem mit Fantasien spielen. Man wird einige reale Elemente finden, aber darüber hinaus viele Übertreibungen, um Konflikte zu provozieren und Fantasien anzuregen.
Nichtmal meinen eigenen BDSM-Roman habe ich vollkommen "realistisch" geschrieben. Absolut alles, was darin passiert, ist realistisch umsetzbar, und dennoch gibt es Elemente, insbesonders innerhalb der Beziehung und Charakterdarstellung, die darauf abzielen, den Leser etwas träumen zu lassen. Und ich halte das auch für wichtig, wenn es um solche Medien geht, zumindest dann, wenn man will, dass sich Film oder Buch halbwegs verkauft. Da gibt es bei der Überlegung, wie man die Geschichte gestaltet, den künstlerischen Anspruch an sich selbst, aber auch - und da macht man sich bitte nichts vor - die Gedanken darüber, wie man damit das Zielpublikum möglichst gut erreicht.
Und ist das Zielpublikum, wie im Fall meines Buches, primär weiblich, gibt es eben Tendenzen, was weiblichen Lesern von BDSM-Romanen, oder Erotikromanen, und allgemein Liebesromanen, gefällt. Was eben am häufigsten gelesen wird und was am erfolgreichsten ist. Ich persönlich orientiere mich bis zu einem gewissen Grad durchaus an diesen Tendenzen, weil ich etwas verkaufen will - man hat nur sehr selten das Glück, dass etwas überraschend zum Verkaufsschlager wird, darum beschäftigt man sich mit Vorlieben und Bedürfnissen von Konsumenten und Marketing.
Und na ja, es hat geklappt, ich hatte bereits nach zwei Monaten nur mit dem Verkauf dieses einen Buchs so viel Geld zusammen, dass ich spontan einen einwöchigen Urlaub für zwei Personen finanziert habe.
Aber das eben nur am Rande, um zu erklären, warum so viele - vielleicht alle? - Darstellungen von BDSM in Film und Buch nie komplett der Realität entsprechen, warum man sich selten wirklich daran orientieren kann und warum es so viele unrealistische Elemente gibt. Es sind nunmal keine Dokumentationen. Es ist Fiktion, soll unterhalten.
Bisher habe ich den Eindruck, dass es, wenn es jetzt eben nicht gerade um Pornos geht, der Markt für BDSM-Romane und -Filme primär auf ein weibliches Publikum abzielt. Besonders Romane. Sehr viele Frauen lesen lieber Erotik, als sie zu sehen. Und so sehe zumindest ich persönlich wiederkehrende Elemente in diesen Medien, die vor allem auf die Fantasie weiblicher Leser und Zuschauer abzielt.
Und dazu gehört tatsächlich ein Mann als Hauptprotagonist und Sex/Love-Interest, der einen höheren oder gar hohen sozialen (und oft auch finanziellen) Status hat und sehr gut aussieht. Da laufen dann natürlich Normen und Klischees zusammen, was viele oder gar ein Großteil der Frauen attraktiv findet. Es gibt immer bequeme Umstände, die im realen Leben so nicht einfach mal nebenbei umsetzbar wären, weil sie zu Unterbrechungen der Erotik führen würden.
Und wenn es richtig abgefahren wird, bewegen wir uns bereits im Bereich Elite, oder sogar Fantasy.
50 Shades of Grey war meines Erachtens nicht primär wegen der Darstellung seines BDSM so erfolgreich. Ich halte diese Buchreihe für ein Phänomen, das von zu seiner Zeit sehr besonderen Umständen profitierte:
• der noch anhaltende Twilight Hype (50SoG begann als Twilight Fanfiction)
• die "Verbannung" der Fanfiction von einschlägigen Fanfic-Portalen aufgrund ihrer teilweise fahrlässigen Darstellung von Gewalt in einer Beziehung und dem Fokus auf pornografischem Inhalt
• der Skandal um die Verbannung, der zum Reiz des Verbotenen führte, als die Fanfiction auf einem privaten Blog fortgeführt wurde
• die Veröffentlichung der Fanfiction als eigenständige Original-Geschichte in E-Book Format; zu diesem Zeitpunkt begann das Zeitalter der E-Books mit Kindle und Co. und erlaubte Lesern, Bücher ganz anonym auf einem Tablet oder E-Reader zu lesen, ohne dass Außenstehende anhand des Covers mitbekamen, was da gelesen wurde. Welch besserer Zeitpunkt, um Smut überall zu lesen, wo man will?
E.L. James hatte bereits eine riesengroßen Fangemeinde in der Fanfiction-Community, bevor das Buch erstmals in irgendeiner Talkshow erwähnt wurde und der Verkauf damit durch die Decke ging. Es waren viele, sehr glückliche Zufälle, die da zusammenspielten. Und darauffolgend lasen viele die Bücher auch nur deshalb, um sie zu verreißen. Was ihr wohl egal sein dürfte, finanziell hat sie ausgesorgt.
50SoG hatte nie den Anspruch, realistisch zu sein. Inhaltlich wurde die Fanfiction kaum verändert - es wurden lediglich Namen und ein paar Haar- und Augenfarben verändert, ansonsten ist es dieselbe Fanfiction geblieben, die nunmal Twilight zum Vorbild hatte. Und auch bei Twilight finden wir maßlose Übertreibungen, was den Reichtum der Protagonisten betrifft, ihr Aussehen, und natürlich die übergriffige und toxische Beziehung zwischen Bella und Edward.
Unrealistische Darstellungen und ungesunde Beziehungen ziehen sich in der Regel wie ein roter Faden durch Filme und Bücher mit dem Thema BDSM, weil die meisten nicht den Anspruch haben, die Realität wiederzugeben, sondern erotische Fantasien zur Unterhaltung.
Insofern kann ich nicht sagen, dass ich ein Buch oder einen Film kennen würde, den ich mir zum realistischen Vorbild nehmen würde. Nichtmal 9 1/2 Wochen, den ich für einen der besten und realistischsten Filme mit diesem Thema halte, der aber nunmal auch kein Happy End hat.