@VenusMars
Ist Polyamorie nur ein Fixrezept gegen Alltagsprobleme in einer Beziehung ?
Die Antwort darauf ist Nein.
Es gibt keine Fixrezepte für Alltagsprobleme in einer Beziehung.
Ausserdem kommen noch zusätzlich Probleme dazu und zwar, die die die zweite Beziehung mit sich bringt.
Sind Polyamoristen nur zu ängstlich/faul/was auch immer sich ernsthaft mit ihren Beziehungsproblemen auseinanderzusetzen und greifen daher auf neue Partner zurück, um von jedem das angenehmste mitzunehmen?
Die Antwort darauf ist ebenfalls Nein.
Im Gegenteil, Polyamoristen geben sich sogar dem "Masochismus" hin, sich ernsthaft mit den Beziehungsproblemen mehrerer Beziehungen und den entsprechenden Synergieeffekten auseinanderzusetzen. Man könnte wohl eher sagen, sie können nicht genug Beziehungsprobleme haben und halsen sich damit gerne noch mehr auf.
("Nach zwei jahren verspürte ich wieder Lust auf fremde Haut...")
Dieser Satz ist kein Kennzeichen für Polyamorie, er könnte sowohl bei Monos, Polys oder auch Swingern auftauchen.
Ein deutliches Kennzeichen für Polyamorie und auch der kleinste gemeinsame Nenner aller Poly-Strömungen ist Offenheit.
Das heißt Offenheit über seine Gefühle in Bezug auf andere Menschen. Das heißt Offenheit in den Beziehungen und nicht das Betrügen einer Beziehung.
Es gibt Polys, die sich aus einer monoamoren Beziehung zu Polys entwickelt haben und nun eine Mehrfachkonstellation leben.
Es gibt Polys, die mehrere Beziehungen parallel führen.
Es gibt Polys, die mehrere Beziehungen parallel und gemeinsam führen.
Es gibt Polys, die eine Beziehung zu einem Poly-Netzwerk führen.
Es gibt Polys, die mehrere Beziehungen parallel und dessen Partner wiederum mehrere Beziehungen parallel führen.
Es gibt Polys, die schon immer so gefühlt haben, aber erst seit kurzem den Mut haben so zu leben.
Es gibt Polys, die sich von anfang an mit Offenheit neuen Beziehungen gegenüber präsentieren und damit in einer mehrheitlich monoamorösen Gesellschaft eher mehr Probleme haben, wirklich tiefergehende Beziehungen zu knüpfen.
Polys machen es sich wahrhaftig nicht einfacher.
Allerdings, wenn man die Frage von Liebe und Beziehung immer nur auf nicht erfüllte Bedürfnisse reduziert, wird es schwierig die Polyamorie in Gänze zu erfassen, da es eine Vielzahl an Bedürfnisbefriedigungsstrategien, die nichts mit Poly leben zu tun haben, gibt.
Und das ist auch mein Kritikpunkt an dem Artikel, er erscheint mir zu sehr auf Basis "Poly als Bedürfnisbefriedigungsstrategie" aufgebaut zu sein.
Ich sehe mich als Poly, der seine Neigung, Ja, Poly ist für mich eine Neigung, schon recht früh entdeckt hat, allerdings erst seit 2 Jahren den Begriff Polyamorie kennt und seit dem weiß, dass er mit dieser Neigung nicht alleine ist.
Des Weiteren muß man als Poly erstmal in der Lage sein, eine Beziehung führen zu können, bevor man sich an eine zweite Beziehung ranwagen kann.
Ich verstehe mich Als Poly-Singel, damit lebe ich soweit ganz gut, meine Bedürfnisse bekomme ich auch als Singel befriedigt und hier gibt es auch eher weniger Probleme im Kontakt mit monoamorös denkenden Menschen.
Allerdings wünsche ich mir Menschen an meiner Seite, mit denen man auch den Alltag gemeinsam genießen kann und hier entsteht für mich das Bedürfnis, mein Singeldasein aufzugeben.
Die einfachste Variante wäre hier sicherlich eine monogame Beziehungsform, nur bekommen Menschen mit monoamoröser Lebenseinstellung ein Problem, wenn ich meine Offenheit ausleben und von meinen existenten Liebschaften berichten möchte.
Allein meine Liebe zu meiner Wahlschwester und meinen Wahlkindern und der damit einhergehende liebevolle Umgang, auch zu meiner Ex, erzeugte in der Vergangenheit immer wieder Eifersuchtsprozesse in meinen monoamorösen Bindungen.
Ich möchte einfach nur die Liebe zu meinen geliebten Menschen ausleben und zwar ohne Angst, Betrug oder anderen Verheimlichungstaktiken, denn meine Liebe zu anderen Menschen ist ein Teil von mir und wer mich liebt, der liebt mich so wie ich bin und dazu gehören nun auch mal alle meine Liebschaften. Soll ich deswegen auf Beziehungen verzichten und immer Singel bleiben?
Monoamoröse Menschen möchten immer gerne eine eigene Exklusivität erfahren ("Es kann nur einen geben").
Ich liebe jeden Menschen, weil er so ist, wie er ist, das finde ich schon sehr exklusiv, denn jeder Mensch ist einzigartig.
Ich sehe deshalb den Exklusivitätsanspruch eines monoamorösen Menschen nicht bedroht, er allerdings schon.
Der Schlüssel dazu scheint wohl in Besitzanspruch und Eifersuchtsempfinden zu liegen.
Meine entspanntesten und schönsten monoamorösen Beziehungen, waren die, in denen sowohl Besitzanspruch, als auch Eifersucht nahe Null tendierten, somit scheinen auch monoamoröse Beziehungen von einer Auseinandersetzung mit seinen eigenen Gefühlen zu profitieren.
Nur, wo ist dann noch eine Begründung gegeben, Polyamorie gänzlich abzulehnen?
Wird die Monoamorie vielleicht eher als Schutzmantel vor der Auseinandersetzung mit seinen eigenen Gefühlen praktiziert?
Jetzt wird sicherlich gleich die Frage auftauchen, warum meine monoamorösen Beziehungen überhaupt zu Ende gingen.
Ich nehme die Antwort darauf einfach mal vorweg.
Es gibt zwei Hauptgründe dafür, der eine Grund ist, dass ich meine Partnerinnen nicht betrüge und in diesen Beziehungen eher selber verzichtet habe andere Menschen zu lieben, also eher eine Unaufrichtigkeit mir selbst gegenüber.
Der andere Grund ist, dass sich meine Partnerinnen plötzlich in andere Menschen verliebt haben und dann nach dem Satz "Es kann nur einen geben", verfahren haben.
Es ist einfach eine Beziehung zu beenden, wo der Partner sagt, "Ich liebe dich nicht mehr", "Wir kriegen den Alltag nicht gemeinsam gebacken" oder "Unser Kinderwunsch differiert zu stark".
Aber als Mensch mit polyamoröser Neigung zu hören, "Ich liebe Dich, ich will mit Dir zusammenleben, aber da gibt es einen Menschen, den ich auch liebe und ich möchte herausfinden, ob ich diesen Menschen lieben und mit ihm leben kann. Da würde unsere Beziehung nur stören. Es kann doch nur einen geben", macht das Leben nicht wirklich einfach.
Zu mal die Begründung für einen Poly nicht wirklich logisch erscheint.
Ich hätte kein Problem mit dem anderen Mann gehabt, er allerdings mit mir und sie hätte ein Problem damit gehabt, wenn ich ebenfalls eine weitere Beziehung eingegangen wäre.
Ich spreche dabei immer gerne von dem über uns tronenden Monoamoristenschwert, dass bei solchen Ereignissen immer gerne giutinenartig nach unten schnellt und jegliche Verbindung unmisverständlich begründet entgültig trennt. Es wird immer aktiviert, wenn die Bereitschaft gemeinsam neue Wege zu beschreiten, einen großen Auseinandersetzungsfaktor bedingt.
Polys kennen dieses Schwert und haben lediglich den Auslösungmechanismus blockiert, erben dadurch aber meistens den "großen, schlimmen Auseinandersetzungsfaktor".
In der hier im Forum existierenden Gruppe Polyamory läuft zur Zeit eine Umfrage aus der hervorgeht, dass ein beachtlicher Teil der Mitglieder Singel sind.
Wenn es bei Polyamory nur darum gehen würde, sich das angenehmste herauszusuchen und nicht auch bzw. vor allem um Offenheit, dann würden es polyamore Singels deutlich einfacher haben Partner zu finden, denn sie müssten nicht darauf achten, möglichst viele Kompatibilitäten in dem Partner vereint zu sehen.
Die Praxis zeigt jedoch, dass polyamore Singels eher noch ein weiteres Detail beachten müssen. Sie müssen sich Partner suchen, die nicht irgendwann den Auslösungsmechanismus des Monoamoristenschwertes betätigen.