Na ja, der Orgasmus ist nicht unbedingt das Ziel beim Slow Sex. Wenn man überhaupt von Ziel sprechen will, dann ist es, sich selbst im anderen, sich gemeinsam ineinander zu spüren. Lust entsteht da weniger durch physische Stimulation, eher durch das Erleben der innigen Verbindung. Ich bin kein besonders esoterischer Mensch. Aber das Fließen der Emotionen, der Empfindungen, meinetwegen Energien, das zu erleben, das kann intensivste Lust machen. Weniger in der klassischen Erregungskurve, mehr in Wellen, so erlebe ich es, so beschreiben es viele.
Was die Empfindsamkeit angeht:
Ich habe am rechten Oberschenkel einen großen Bereich, wo ich durch Nervenschädigungen nur noch sehr wenig spüre. Wenn, dann sind es eher Missempfindungen, ein Pieksen und Kribbeln. Mein Liebster ist völlig hingerissen von der Linie vom Oberschenkel bis zur Taille. Er streicht manchmal mit den Fingerspitzen darüber, wenn ich auf der linken Seite liege. Und das macht in meinem Kopf (und überall sonst) ein unglaublich erregendes Gefühl. Das Geheimnis ist, dass unser Gehirn Berührungen filtert und bewertet, weswegen wir zum Beispiel in den seltensten Fällen spüren, dass wir Kleidung tragen. Wir würden ja wahnsinnig werden vor Reizüberflutung, wenn dem nicht so wäre. Und das funktioniert auch andersrum. Sinneseindrücke, die eigentlich rein physisch mit sehr wenig Stimulation ausgelöst werden, können durch eine entsprechende Bewertung im Gehirn eine enorme Intensität bekommen. Schon mal nachts einem leisen Geräusch unbekannter Herkunft nschgelauscht oder einen tropfenden Wasserhahn versucht zu ignorieren? So kann das auch mit Berührungen geschehen. Die Berührungen meines Liebsten zaubern mir keine neuen Nervenverbindungen in mein Bein. Schön wäre es, dann würde ich nicht manchmal so schief laufen. Aber durch die sehr zarten Berührungen und den Umstand, dass er das mit sehr viel Liebe und auch mit Bewunderung für die Schönheit dieser Linie tut, lässt mein Gehirn diese sachte Zärtlichkeit ungeheuer intensiv und erregend spüren.
Langer Rede kurzer Sinn ist, dass gerade die Reduzierung der physischen Stimulation und die Fokussierung auf die bewusste Wahrnehmung und die innige Verbindung zum anderen das Erleben enorm intensivieren kann.
Vielleicht einfach ein bisschen probieren, spielerisch und leichten Herzens die Möglichkeiten ausloten, wenn denn Interesse besteht. Um diesen alten Spruch mal zu zitieren: der Weg ist das Ziel. Ob das Slow Sex, Tantrische Vereinigung, meditatives Erleben, Achtsamkeit oder Yogasex oder was auch immer sein soll, ist ziemlich egal. Ich mag das sehr.