Was mich bei den meisten Beiträgen hier irgendwie sauer macht, ist das Wort "Schuld" - sei es im konkreten oder im übertragenen Sinn. Mir ist bewusst, dass für die meisten Menschen es von eklatanter Wichtigkeit ist, Schuld zu definieren, zuuweisen oder zu übertragen. Schuldfrage geklärt, Problem beseitigt.
So einfach ist das aber nicht. Und schon gar nicht bei diesem Thema.
Was mir hier viel zu sehr fehlt, ist, was ich schon vor einigen Seiten schrieb: die Macht.
Vielleicht empfinde nur ich das so, aber früher gab es den Machismo, der mit seinem dauerhaft (oder zumindest oft) erigiertem Geschlechtsteil Macht innehatte. Der Ständer als Sinnbild der Potenz und der allgegenwärtigen maskulinen Macht.
Ich glaube, das hat sich stark verändert. Heute wird Macht über Verweigerung ausgeübt.
Ich habe im Laufe meiner Single-Jahre sehr viele impotente oder erektil dysfunktionelle Männer kennengelernt, die auf der Suche nach Heilung waren. Aber wie funktioniert das? So, wie hier in manchen Beiträgen zu lesen ist - mit Verständnis, ohne Einzufordern, mit Geduld und Liebe...?
Nein, auf keinen Fall. Ganz im Gegenteil.
Der schlimmste Fall, den ich kennengelernt hatte, war vor meiner Zeit mit ihm schon seit sieben Jahren mindestens erektil dysfunktional.
Jedes Mal, wirklich jedes Mal, wenn wir irgendwas im Bett (und natürlich nur dort, jeder andere Ort wäre ja schon viel zu fordernd gewesen) versucht haben, war es huddelig. Ich habe mich abegmüht, ich war einfühlsam, zart, sanft, bestätigend. Jedes Mal danach war er traurig-verstimmt (vorsichtig ausgedrückt) und fühlte sich als Versager, brachte das auch sprachlich zum Ausdruck. Nach etlichen Wochen kam es erneut dazu und er weinte auch. Da ist mir endgültig der Geduldsfaden gerissen, ich konnte einfach nicht mehr. Denn ich sagte schonmal, wer im Bett impotent ist, der ist im Alltag ebenfalls problembehaftet. Jedenfalls bin ich dann ausgerastet, wobei ich ganz ruhig auf sein "Ich bin so ein Versager" antwortete: "Stimmt". Er schaute mich betroffen-verwundert an und ich sagte dann sowas wie: "Ja, stimmt. Du bist ein Versager, total. Wir haben nie richtigen Sex und diese Jammerei und Heulerei geht mir sowas von auf den Sack. Alles, was ich in den Wochen versucht habe, alles Liebevolle kam doch eh nicht bei Dir an, denn Du gefällst Dir doch viel zu sehr in dieser Rolle. Gratulation, Du bist jetzt der ungekrönte Held der Versager. Und ich hab die Schnauze gestrichen voll und sowas von keinen Bock mehr auf diese Scheiße.".
Und er - er lachte und nahm mich in den Arm. Kurz darauf funktionierte der Sex zum allerersten Mal komplett (für ihn nach eben sieben Jahren).
Ich glaube, durch mehr liebevolle Aufmerksamkeit wird die Struktur, durch die die Situation erst entstanden ist, noch genährt (gesundheitliche und schwere emotionale Traumata klammere ich jetzt nochmal explizit aus). Ja, ich gehe sogar weiter und sage, dadurch wird diese Struktur beim Anderen sogar noch genährt. Das Erleben "Zuwendung und Liebe durch Verweigerung" kann sogar kontraproduktiv sein.
In diesem Zusammenhang sei "Lysistrata" erwähnt - ich habe es leicht konsumierbar von Ralf König gelesen und habe mich gekrümmt vor Lachen. Aber genau SO funktioniert Verweigerung.
Wenn man also die Fälle von Ungepflegtheit, Gewalt oder sonstigen schwerwiegenden Vergehen gegen die Intimität mal ausklammert, liegt das Problem nie bei beiden, sondern in dem sich verweigernden Part. Denn aus irgendwelchen Gründen hat er/sie gelernt, dass man über Verweigerung sehr angenehm und bequem ans Ziel kommt - an die Macht über den Anderen.
Ich persönlich mag Manipulation per se nicht und ich reagiere mit persönlicher Distanz. Ich habe hier daheim ganz klar kommuniziert, dass ich das nicht mehr mit mir machen lasse. Dass ich mir dieses Selbstmitleid und diese vielfältigen Probleme nicht antue, da sie nicht meine sind und er sie nicht bearbeiten möchte. Ich lasse mich auch dafür nicht mehr verantwortlich machen und bin somit auch nicht mehr beeinflussbar oder verletzbar.
Machtspiele funktionieren nämlich nur, wenn der andere mitmacht - es ist ein Spiel für 2.
Das kann man nur auflösen, indem man nicht mehr mitspielt und den anderen komplett alleine auf dem Feld lässt.