Dass man „schlechte“ Küsse, die sich anfühlen wie Fleischlappen in den Mund des anderen schieben nicht mag, kann ich gut verstehen. Wenn es mehr als Pflichtübung ausgeführt wird, weil es halt dazu gehört, oder ohne jedes Eingehen auf den Anderen, dann ist es eher ein Abtörner und sagt auch eine ganze Menge über den Menschen und seine Einstellung zu Intimität aus.
Generell keine Küsse zu mögen, egal von wem und in welcher Situation ist für mich irgendwie nicht nachvollziehbar. Ich kann mir das höchstens so erklären, dass man irgendwie etwas gegen eine zu große Nähe eines anderen Menschen hat. Beim Küssen ist das Gesicht - der Sitz von 4 unserer 5 Sinne - halt so nah wie nur irgendwie möglich am Gesicht eines anderen Menschen. Dabei nimmt man deutlicher als bei jeder anderen Liebkosung wahr mit WEM man da intim ist, das Gesicht ist einfach für uns das deutlichste Unterscheidungs- und Erkennungsmerkmal unserer Mitmenschen. Man kann an einer Brust saugen, einen Hintern streicheln oder einen Schwanz lutschen bzw. eine Muschi lecken, ohne dabei die Persönlichkeit des anderen wirklich wahrnehmen zu müssen, denn damit identifiziert man für gewöhnlich ganz besonders das Gesicht, in das man auch schaut während man miteinander redet. Dort sieht man am deutlichsten was der Andere gerade fühlt oder denken mag, am restlichen Körper kann man eigentlich nur die Erregung feststellen und ob der Andere die Liebkosung aktiv genießt oder eher passiv geschehen lässt.
Beim Küssen hingegen braucht man nur die Augen aufmachen und kann sehr viel differenzierter sehen, was in dem Anderen vorgeht und man selbst verrät dabei auch (mal von den oben angesprochenen plumpen Zungenwacklern abgesehen) unweigerlich viel mehr von sich selbst.
Meine erste Vermutung wäre deshalb, dass eine generelle Abneigung gegen Küsse auch irgendwo eine Abneigung dagegen darstellt einen anderen Menschen zu nah an sich ran zu lassen – zuviel von sich selbst zu zeigen, und/oder auch zuviel vom anderen mitzubekommen.
Da wir auch Eltern und Geschwister auf den Mund küssen und gute Freunde auf die Wange, ist das für uns schwer nachzuvollziehen. Ein generelles Kussverbot ist auch etwas, was uns die Lust an irgendeiner Intimität mit Anderen verleidet, da wir Intimität mit anderen Menschen, nicht nur mit anderen Körpern teilen wollen.
Es wäre schön, wenn jemand der generell keine Küsse mag einmal versuchen würde, seine genauen Gedanken bezüglich dieser Abneigung zu schildern, also so man sich darüber bewusst ist das „Wieso“.