Ich wundere mich immer warum Feministinnen wie zum Beispiel Alice Schwarzer sich dazu hinreißen lassen jemanden wie Jörg Kachelmann vorzuverurteilen. Das dient ihrer Sache nicht im geringsten. Jörg Kachelmann ist freigesprochen. Seine ehemalige Freundin ist sogar rechtskräftig der Falschaussage verurteilt. Wir alle sollten viel lieber solchen Betrügereien den Kampf ansagen. Denn viel zu leicht lassen sich solche Fälle exemplarisch hochhalten und schaden eher der Aufarbeitung und Überwindung der Omerta in solchen Angelegenheiten.
Ja, es ist ein Lynchmob, der da gerade durch die Film- und Medienindustrie und auch die Politik rollt. Damit meine ich explizit nicht die Frauen, die im Schutz der Gruppe ihre Anschuldigungen vorbringen. Aber nur weil es Anschuldigungen gibt, ist noch lange nichts bewiesen. Sexuelle Übergriffe sind meist sehr schwierig zu behandeln. Auch das will ich gar nicht bestreiten. Oft steht Aussage gegen Aussage. Da einige der Vorwürfe sehr weit zurückliegen, ist es noch schwerer zu beweisen. Auch deshalb kennt jedes Rechtssystem die Verjährung, die auch hier in vielen Fällen (siehe Bill Cosby oder die Vorwürfe gegen Roy Moore) bereits greift. Da aber gerade bei sexuellen Übergriffen Scham und eigenes Schuldgefühl eine sofortige Anzeige sehr schwer machen, ist dies kein einfaches Thema.
Da wir aber nicht unseren Rechtsstaat einfach aufgeben können, nur weil es mal kompliziert ist und wir aber aus unterschiedlichsten Beweggründen (Feminismus auf der einen Seite bis Rache auf der dunklen Seite) eine sofortige und einfache Lösung haben wollen. Das Problem mit #Aufschrei genauso wie mit #metoo jetzt ist aber, dass die Empörung leider nur für die Rache reicht. Denn das eigentliche Problem, dass die Diversität (Frauen, Homosexuelle, andere Hautfarben, ...) in Machtpositionen sich kaum verändert hat und dass es noch immer ein Erstaunen auslöst, dass so viele Menschen Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen machen mussten. Da momentan vor allem Frauen das Momentum nutzen und sich zeigen, wird sich das wieder ein ganz kleines bißchen verschieben.
Ich möchte aber zu bedenken geben, dass die Opfer in den Fällen Odenwaldschule, katholische Kirche (vor allem Irland), Domspatzen und viele mehr Jungen waren. Es gibt nur sehr wenige Studien, aber auch beim Mißbrauch im familiären Umfeld (dem häufigsten Fall) scheinen Jungen und Mädchen ähnlich oft Opfer sexuellen Missbrauchs zu werden. Wenn irgendwas dran ist an der These, dass Täter in vielen Fällen vorher Opfer waren, geben wir so dieses Problem von Generation an Generation weiter. Deshalb ist es gut, dass wir beginnen es auszusprechen.
Und jetzt habe ich endlich wieder den Bogen zu Kevin Spacey geschafft. Denn auch hier geht es nicht darum, dass Frauen belästigt wurden, sondern Männer. Es geht auch nicht darum, dass Männer per se die schlechteren Menschen sind, in den Fällen der Odenwaldschule und der irischen katholischen Kirche waren bis zu einem drittel der Täter Frauen. Gerade deshalb halte ich Aufrufe zum Boykott zwar für einen verständlichen Reflex, aber eher schädlich. Wir sollten statt dessen aufklären und uns überlegen, wie wir Menschen die Möglichkeit geben leichter auf die Wahrung ihrer Grenzen zu bestehen und sich nicht auch noch vor Scham verstecken, nachdem ihnen großes Leid zugefügt wurde.