Vorhang auf!
Wir eskalieren gerne, und das gerne filmreif. Bis zum Meistergrad, der geschmissenen Vase roter Rosen, haben wir's allerdings noch nicht geschafft - wir sind, den Teller in der Hand, vom aufkommenden Lachen abrupt gestoppt worden. Tempo zweihundert, Bretterwand, Ende. Der Teller lebt wohlbehalten unbeschadet weiter bei seinen Artgenossen in unserem Küchenschrank. Wir fanden das Erleben großartig, und haben schon über ‘n Italienischkurs an der Volkshochschule nachgedacht.
Dabei muß Streit gar nicht so stur negativ durchkonnotiert werden, hat Streit doch etwas unglaublich Befreiendes und bietet dem Individuum die Möglichkeit, die ganze Bandbreite seines Verhaltensrepertoires ordentlich unter Dampf zu setzen und bis in’s Letzte auszureizen.
Wenn uns also mal wieder jemand freudestrahlend erzählt, dieses fleischgewordene Mischwesen aus ihm, oder ihr und dem Partner hätte ja so ein Wahnsinnsidyll von Beziehung, ohne Streit, dann erntet der von uns nur ungläubige Blicke. Einmal, weil wir an die totale Gleichschaltung nicht wirklich glauben können, und zweitens, weil wir’s langweilig finden würden so zu leben.
Für Außenstehende muß das anmuten, wie die brilliante Blake Edwards-Inszenierung, wenn Kato und Clouseau sich umschleichen. Der Aufhänger ist manchmal wirklich banal, aber man beißt mit seinen Belangen bei kurzem Probebohren nach zweifingerdick Zuckerschaum auf Granit und beschließt, das wohlwissende Funkeln in den Augen des anderen nicht unbeantwortet zu lassen. In solchen Situationen fehlt eigentlich nur noch der tief über die Stirn gezogene Stetson, der beleuchtungsbedingte Schein um die Augen und Mundharmonikaklänge aus weiter Ferne – die Atmosphäre ist manchmal so dicht, man möchte sich fast an den Gürtel zum Colt greifen, Frieden stiften, „Du oder ich, Cowboy!“.
Aber so explizit drückt man’s meistens gar nicht aus. Erstmal bedeckt halten, nur nichts anmerken lassen, schnell Inventur machen, sehen, was man noch so auf Lager hat. Da werden in windeseile die letzten paar Tage nach brauchbarem Material durchforstet, alles zusammengetragen in der Bombenküche beziehungsbezogener Rachephantasie. Erfinderisch muß man sein, erfinderisch und unbedingt. Eine Mischung aus MacGyver und Pol Pot. Manchmal langt’s nur für Guerillahäuserkampf mit Stöcken und Steinen, manchmal hat man die Weiterentwicklung des nuklearen Sprengsatzes dabei im Gepäck. Ungleiche Kämpfe gibt’s dabei nie – irgendwas findet sich erfahrungsgemäß immer.
Man merkt’s, wir könnten stundenlang davon schwärmen, wie wir losziehen, dem anderen Tod und Verderben zu bringen. Wir kürzen‘s ab. Worauf wir hinauswollen ist, daß Streiten ein sehr kreativer, lösender Prozeß ist, und irgendwo streitet man ja auch „miteinander“. Klar, es ist manchmal unappetitlich, gerade wenn dann bataillonsweise die Leichen aus dem Keller geführt werden. Aber irgendwann geht einem die Puste aus. Egal ob man sich jetzt ein schleichendlangsames Zermürbungsgefecht liefert, oder die heftige „All-In“-Taktik fährt. Irgendwann ist einfach Schluß. Und das merkt man deutlich daran, daß man nicht mehr genug Ärger aufbringen kann, sich das Lachen zu verkneifen. Bei uns jedenfalls ist das so, und wir sind auch noch nie im Streit in’s Bett . Wir genießen’s einfach als verschrobenes Hobby, unsere Probleme miteinander zu klären. Was nicht heißen soll, daß wir uns nur und ausschließlich kloppen. Wir können auch anders und haben nach mittlerweile fast acht Jahren ‘ne wundervolle Gesprächskultur entwickelt. Aber manchmal, manchmal will man sich einfach nicht nur mitteilen, sondern man will sich Luft machen – und da sind wir mit uns genau an den Richtigen geraten.
Anmerken sollte man vielleicht, daß wir vermuten, daß das nur in ‘ner intakten Beziehung so reibungsvoll klappt. Wir finden aber auch, daß wir die haben, und daß wir die haben gerade weil wir streiten.