Ich habe nur darauf gewartet, dass es zu den Fünfzig Schattierungen von Grau auch noch einen Artikel im Joy gibt, nachdem nun schon fast alle größeren Zeitungen Deutschlands dazu ihren Senf abgegeben haben.
Zu allererst zur Rezension:
Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Autorin den geneigten Lesern ein wesentliches Detail vorenthalten hat, dass für das Textverständnis nicht unerheblich ist und bereits von meinen Vorkommentatoren angesprochen wurde:
Fifty Shades of Grey ist eine Twilight-Fanfiction.
Und als solche sollte sie zumindest im weiteren Sinne auch verstanden werden. Denn trotz dass sich die Autorin mit ihrem Werk von Stephenie Meyer distanziert (keine Vampire, dafür SM), sind die Anleihen nicht zu übersehen: Wer bei der Beschreibung der unschuldigen, tollpatischen und naiven Anastasia nicht schon ein Déjà-vu hatte, wird dies spätestens bei Christians erstem Auftritt nachholen können. Auch die Parallelen zwischen José und Jacob springen einem geradezu ins Gesicht: Dunkeläugig, gutaussehend, muskulös, für sie immer nur der Kumpel, um nur ein paar zu nennen.
Wer mir noch immer nicht glauben mag, der soll "Snowqueens Icedragon" und "Master of the Universe" bei der Suchmaschine seiner Wahl nachschlagen. In der Originalversion der Fanfiction sind schließlich noch nicht einmal die Namen geändert. Ein Auszug aus einer Inhaltsangabe:
"Bella Swan is drafted in to interview the reclusive enigmatic Edward Cullen, multi-millionaire CEO of his company. It's an encounter that will change her life irrevocably, leading her to dark realms of desire. "
(
http://www.epubbud.com/book.php?g=RTHUKGUX - aufgerufen 2.7.12)
Zm Buch selbst: Ich lese es zur Zeit auf Englisch und bin noch nicht ganz am Ende angelangt, aber für ein Zwischenfazit reicht es wohl.
Ich habe den Kauf lange und sorgfälltig überdacht, nachdem ich so viel vernichtende Kritik über das Werk auf Amazon gefunden hatte. Ich habe schon viele deutsch- und englischsprachige Werke aus dem Genre gelesen, zum Teil auch als Buchagentin für einen einschlägigen Verlag, sodass ich mich von der bemängelten sprachlichen Qualität nicht wirklich hatte abschrecken lassen. Im Englischen gibt es, Gott seis gedankt, selbst bei den 'Urban Smuts' selten so wundervolle farbige Ausschweifungen wie sie die deutsche Sprache hervorgebracht hat (Fickloch, Kitzlerschwitze, Bumsrohr, etc.), die bei mir nur Lachkrämpfe hervorrufen und jegliche erotische Stimmung im Keim vernichten. Die Fifty Shades verschonten mich erfreulicherweise größtenteils von solchem Vokabular, wobei ich hier nicht für die deutsche Übersetzung bürgen kann. Was mir dafür aber gehörig auf den Sack ging waren die ewigen Wortwiederholungen. Ich war schon innerhalb der ersten fünfzig Seiten sehr versucht, eine "murmur"-Strichliste zu führen, immerhin kam das Wort zum Teil drei Mal pro Seite! So viel Murmeln kann man doch garnicht ohne einen Sprachfehler zu bekommen.
Inhaltlich ist es bis jetzt nur durchschnittlich. Anas Schwärmereien für den so unsterblich gut aussehenden Christian nerven nach ein paar Seiten und ihre Naivität tut das übrige. Ich denke zum Inhalt melde ich mich nochmal, wenn ich die restlichen 100 Seiten gelesen habe, dann kann ich dazu einen tieferen Einblick liefern.
Was bis jetzt aber doch auffällig war, war Christians "dramatische" Hintergrundgeschichte, auf die er seine Neigung begründet. Ein vielfach durchgekautes Thema, dass auch die Autorin der obenstehenden Rezension schon angeschnitten hat: Muss man "fifty shades of fucked-up" sein, um auf BDSM zu stehen? Laut Buch schadet das zumindest nicht. Die Neigung wird als Ergebnis einer Psychose und einer zerrütteten Kindheit wahrlich nicht im besten Licht stehen gelassen.
Die Süddeutsche hatte in ihrer Rezension vom 05.06.12 bereits die Frage in den Raum gestellt, ob die Werke von "E.L James" SM nun Mainstream-tauglich gemacht hätten. Ich fragte mich schon an dieser Stelle, ob das besonders erstrebenswert ist. SM, wie er in den Fifty Shades dargestellt wird, für den Mainstream (was auch immer das im Detail sein mag) als Verständnisbasis für BDSM darzustellen kann durchaus zu Missverständnissen führen. Christian tendiert so manches Mal dazu die Grundregeln des SSC außer Acht zu lassen, stalkt Ana und macht keinen Hehl daraus, ein absolut krankhafter Kontrollfreak zu sein.
Nun titelt die Rezension hier aber ja "Das BDSM Phänomen". Wenn man sich die Verkaufszahlen und den Kleinkrieg um die Filmrechte ansieht, zurecht. Aber wieso denn so ein Hype? Weil hier Meyers Erfolgskonzept auf eine noch größere Zielgruppe zugeschnitten wurde? Weil sich, laut Süddeutschter, selbst konservative Religionsanhänger irgendwo in der Geschichte wiederfinden? Because Sex sells?
Vielleicht finde ich das heraus, wenn ich das Buch zu Ende gelesen habe, aber so wirklich Lust dazu habe ich keine... Wer genau wie ich über den Kauf nachdenkt, weil er/sie sich eine Meinung zu diesem viel diskutierten Werk bilden möchte, dem sei gesagt: Erst Amazon-Rezensionen lesen, dann überlegen, ob der Spaß wirklich 12€ wert sein kann, dann bestellen. Ich empfehle die Rezension der Süddeutschen und die Kundenrezension von Aoife (
http://www.amazon.de/review/ … 03485&linkCode=&nodeID=&tag=).