Das Verlangen in einer festen Beziehung wachhalten
Hallo,die Frage ist nicht neu und sicher hat jeder seine eigenen Erfahrungen zu dem Thema: Wie hält man das Verlangen in einer langjährigen, festen und monogamen Partnerschaft am Leben?
Ich bin neulich erst auf einen sehr spannenden Vortrag von Esther Perel gestoßen, einer Sextherapeutin, die im Laufe der Jahre in den unterschiedlichsten Kulturen dazu Erfahrungen gesammelt hat und diese in einem 20 minütingen Vortrag zusammenfasst: Ich versuche es aber trotzdem mal zusammenzufassen:
Sie erklärt, warum gewisse Aspekte der Liebe wie Verantwortungsgefühl und Fürsorge echte Lust- und Fantasiekiller sind. Dabei beschreibt sie Sex nicht nur als eine Aktivität, sondern einen Ort, den wir in uns aufsuchen können, der frei ist von Moral und Verantwortungsgefühl und bei dem die eigene Lust im Mittelpunkt steht. Während uns das Leben in der Gesellschaft/Partnerschaft eine gewisse Kompromissbereitschaft und Selbstaufgabe abverlangt, ist Sex in ihren Augen genau der Rückzugsort, wo wir egoistisch und ganz wir selber sein dürfen: ein Ort frei von Wertung und voller Neugier, Lust am Spiel und der eigenen Sinnlichkeit.
Da Liebe aber eben auch Fürsorge und Verantwortung für den Partner bedeutet und damit auch eine gewisse Selbstaufgabe, holt man sich auf ganz natürliche Weise auch Lustkiller in eine Beziehung: indem man sich besser kennenlernt, verfliegt die Neugier auf die Person; da man aus Liebe und Verantwortung Kompromisse eingeht, konzentriert man sich eben nicht mehr nur auf die eigene Sinnlichkeit und die eigenen Wünsche, sondern fühlt sich verpflichtet, was dann auch die Leichtigkeit einer reizvollen sexuellen Begegnung schwierig macht: In der Liebe "braucht" man den Partner, beim Sex "will" man ihn. Die Frage, wie man etwas wollen kann, was man aber schon "hat", beantwortet sie auch.
Ihre Antwort auf das Problem ist es, aktiv damit umzugehen und nicht simpel zu erwarten, daß die Leidenschaft spontan vom Himmel fällt wie eine "deus sex machina" Bei all der Verbundenheit in einer Beziehung nicht zu vergessen, daß jeder Partner für sich seinen ganz eigene Sexualität besitzt. Keiner hat Anspruch auf diesen "Ort" - wie sie es nennt - außer man selber. Und genau auf der Ebene kann man sich deshalb auch immer wieder neu begegnen, da das, was uns "nachts" Verlangen bereitet, meist nichts mit den Wünschen der Person zu tun hat, die wir "tagsüber" sind: so wohnen bei jedem (nicht nur bei Faust oder dem Steppenwolf) zwei Seelen und Persönlichkeiten in der eigenen Brust. Auf der Ebene kann man sich immer wieder neu begegnen und neu entdecken, wenn man in Kontakt mit dem sinnlichen und egoistischen Ich bleibt und weiß, was einen anmacht.
Für sie liegt der Trick von Paaren, die sich eine reizvolle Sexualität lange bewahren, vor allem in zwei Dingen:
1. Bei Wunsch nach Verbundenheit und Verschmelzung, den man in der Liebe verspüren mag, zu wissen, daß die andere Person und da besonders der leidenschaftliche, politisch unkorrekte und egoistische Teil, immer nur sich selbst gehört. Sich bewußt zu machen, daß man hier immer eine gewisse Distanz mit einander hat, die NIEMALS verschwinden wird. Respekt zu haben vor der Leidenschaft und den Wünschen, die im anderen schlummern und ihnen Raum zu geben.
2. Zu wissen, was einen selber anmacht. Zu wissen, was das leidenschaftliche Ich will und wie man es weckt, wenn man aus dem Alltagsschlaf aufwachen will. Verlangen ist vor allem etwas, das sich in unseren Köpfen abspielt und wie alles, was da passiert, haben wir selber die größte Kontrolle darüber. Die Frage ist hier weniger: Wann turnt mich der andere an oder was muß der andere tun, damit ich geil werde? Man muß lernen wie man selber die eigene Leidenschaft weckt. Aktiv und nicht abwartend und aufs Schicksal oder den Zufall hoffend.
Mich hat der Vortrag total überzeugt und stark an Eyes Wide Shut erinnert, nur daß er all die Feinheiten sehr schön ausformuliert.
Wie haltet Ihr die Leidenschaft und das Verlangen in einer dauerhaften, MONOGAMEN Beziehung wach?
Ich weiß, daß für manche das hier nicht so interessant sein mag, fände es aber schön, wenn wir beim Thema bleiben könnten: Affairen, das Öffnen der Beziehung, etc sind echt nicht die Antworten, die ich hier diskutieren mag, weil es darum in diesem Fred nicht geht.
Ich freu mich auf Eure Antworten!
LG,
funky