Nein, eine platonische Geliebte ist keine gute Freundin.
OK, kann sie auch sein. Aber die Verbindung zu ihr beruht auf Liebe, nicht auf Freundschaft.
Der Übergang dazwischen ist sicher fließend - so wie man auch nicht immer sagen kann, ob eine Haselnuss-Pflanze nun ein Baum oder ein Strauch ist. Beides ist möglich, und auch irgendwie dazwischen.
Für mich sind Liebe und Freundschaft erst einmal völlig unabhängig vom Sex (weshalb ich auch meine Kinder, meine Eltern, einen Mann genau so lieben kann, wie ich meine Ehefrau knapp 30 Jahre bzw. ein Leben lang geliebt habe oder heute eine Lebenspartnerin liebe). Dabei ist natürlich jede Liebe und jede Freundschaft auch anders, individuell - so wie die Menschen individuell sind. Und eine Freundschaft kann auch genau so innig und vertrauensvoll, so fest und dauerhaft sein, wie man es sich von der Liebe wünscht.
Dennoch habe ich ein klares Unterscheidungsmerkmal zwischen Freundschaft und Liebe:
Liebe braucht keine Erwiderung - sie ist einfach da.
Eines Anderen Freund dagegen kann ich nur im Gegenseitigen sein: Bin ich nicht mehr sein/ihr Freund, ist sie auch nicht mehr meine Freundin. Freundschaft beruht für mich auf der Gewissheit, dass ein Freund für mich genau so da sein wird, wie ich für ihn da bin.
Bei der Liebe brauche ich dies nicht, ich bin einfach für den Anderen da, weil ich ihn/sie liebe. Und wenn der/die Geliebte nichts tut, was mich sehr tief verletzt, dann kann so eine Liebe auch ohne "Gegenliebe", ohne konkrete Erwiderung sehr, sehr lange anhalten.
Liebe und Freundschaft sind sich also durchaus sehr ähnlich, beide sind darauf ausgerichtet, dem Anderen (und auch mit ihm zusammen) Gutes zu tun.
Bei der Liebe wird die Erwiderung erst bedeutsam, wenn man eine Liebesbeziehung eingeht. So lange nur einer in einer Beziehung liebt, wird es eine sehr gute, ggf. auch intime Freundschaft werden (was das Ganze aber nicht schlechter macht).
Es gibt auch Menschen, die sich die Liebe zu einem anderen Menschen nicht eingestehen, weil es nicht in ihr Weltbild passt (Man kann nur Eine(n) lieben!). Bei meiner Geliebten B ist es wahrscheinlich so, denn sie liebt ja ihren Mann. Aber sie hat auf die oben beschrieben Art meine Frau geliebt - das war mehr als eine gute Freundschaft unter Frauen. Und ich habe nicht selten das Gefühl, dass sie mich ebenso liebt, es nur nicht so aussprechen kann, weil das im Widerspruch zu ihrer Erziehung steht
Es ist mir aber auch egal - es ändert ja unterm Strich nichts an unseren Gefühlen und unserem Umgang miteinander
Daran würde sich auch nichts grundlegendes ändern, wenn wir Sex (oder keinen Sex mehr) miteinander hätten.
Und wer so eine Art der Liebe dann weiterhin als Freundschaft bezeichnet - OK. Für mich ist es Liebe.
Und der einfachste Test für mich ist: Was würde ich für den Anderen Empfinden, nachdem er mir die "Freundschaft" kündigt? Könnte ich dann einfach so sagen: "OK, dann bist du auch nicht mehr mein Freund." oder würde ich mich immer noch zum Anderen hingezogen fühlen, hätte ich immer noch das Bedürfnis, ihm/ihr Gutes zu tun (nicht, um ihn oder sie eventuell zurück zu gewinnen, sondern einfach so, ohne Hintergedanken, sonder weil mir der Mensch trotzdem noch sehr, sehr wichtig ist, quasi am Herzen liegt)?