Die Lösung ist, dass es kein Lösung gibt
Der Satz..Liebling..entspann dich ...sollte eigentlich viel öfter in unseren Alltag vorkommen, wir gehen manchmal viel zu angespannt und zu verkrampft an manche Dinge heran. Aber manchmal reicht schon ein kluger Gedanke, um aus einer Beziehung das unterschwellige Brodeln zu nehmen....
Ich hatte vor längerer Zeit nach einem Seminar beim anschließenden Abendessen die Gelegenheit, mich mit dem Seminarleiter, einen Paarforscher, der auch Bücher ge-
schrieben hat, zu unterhalten.
Er fing mit einem Beispiel an. Frau, ein friedfertiger Mensch, ärgert sich schwarz über die herumliegenden Schuhe ihres Partners im Flur, gibt ihnen einen gezielten Karate-
kick und brüllt dabei sogar das S-Wort. Es ist klar, daß sie sich durch den unordent-
lichen Partner respektlos behandelt fühlt. Verständlicherweise. Sie möchte kein Generve mehr über zugemüllte Schubladen, offene Zahnpastatuben, Barthaare im Waschbecken und marodierende Socken. Sie möchte für ihren Ordnungsstress endlich eine Lösung. Der neu angeschaffte Schuhschrank ist es nicht. Denn den benutzt ihr Partner nicht.
Wir verstehen die Frau, aber sie wird enttäuscht sein. Denn sie wird keine Lösung finden. Ganz einfach, weil es keine Lösung gibt! Ein Chaot mutiert selbst im Angesicht
des Scheidungsanwalts nicht zum Ordnungsfanatiker. Und es heisst zwar, Ordung ist das halbe Leben, aber wer sich einmal für die andere Hälfte entschieden hat, bleibt ihr treu.
Mich hat unser Gespräch im nachhinein noch sehr lange beschäftigt. Dass nicht jedes
Problem eine Lösung hat, ist ein ungewöhnlicher Gedanke. Wo wir doch heute alle so lösungsorientiert denken sollten. Und jedes Gerät in der Werbung Lösungen verpricht,
für Probleme, von denen wir noch nicht einmal wussten, dass es sie gibt.
Rund 70% aller Probleme in einer Beziehung sind unlösbar!
Eine Zahl, die mittlerweile auch von anderen Paarforschern bestätigt wurde. Eine Zahl, die für mich zunächst wie eine Einladung zur Vollresignation klingt. Ich habe mich gefragt, wenn sich 70% aller Konflikte ohnehin nicht lösen lassen, wozu streiten wir dann und wozu rege ich mich auf?
Sollen wir schwierige Beziehungen gleich aufgeben?
Tatsächlich ist es umgekehrt. Wir können Beziehungen erst dann sinnvoll führen, wenn wir verstehen, dass es für die meisten Konflikte keine Lösung gibt, die das Problem ein für alle Mal und einvernehmlich aus der Welt schafft. Sobald wir das
akzeptiert haben, denken wir anders. Dann suchen wir Lösungen, um mit dem Problem leben zu können. Statt endlos um eine nicht erreichbare Einigkeit zu streiten,
suchen wir nach Möglichkeiten, die unsere Unterschiedlichkeit respektieren. Wir können endlich weiterkommen. Denn nun können Kruschel-Schubladen existieren, die ein ordentlicher Mensch nie haben würde, in die er aber nun alles werfen kann, was vom unordentlichen Partner in der Wohnung herumfliegt. Seit ich das akzeptiert habe ...rege ich mich über nichts mehr auf
Der Kampf um nicht erreichbare Lösungen ist wie Don Quichotes Kampf gegen die Windmühlen. Wenn wir ihn endlich aufgeben, werden gegenseitiges Verständnis und
Kompromisse möglich. Weil wir jetzt unseren Partner nicht mehr dafür hassen, dass
er die Lösung verhindert.
Bleibt nur noch die wichtigste Aufgabe: zu erkennen, welche Probleme sich tatsächlich lösen lassen. Nämlich jene, bei denen Persönlichkeitsmerkmale keine Rolle spielen. Aber Vorsicht: Wenn er lieber einen Einkaufsplan am Wochenende hätte und sie das aber für total überflüssig und spießig hält, ist das sicher lösbar. Wenn aber dahinter ein Konflikt darüber aufflackert, wie spontan und wie flexibel man in einer Partnerschaft sei muss...wird es schwierig!
Aber wir wissen ja jetzt, dass die Lösung sein wird, dass es auch hierfür keine Lösung gibt. Also ...Liebling...entspann dich!