Freundschaft
[von Thomas G. (Prinz_Diazepam)]Über Freundschaften ist in der Literatur, der Philosophie,
am Stammtisch und in vielen weiteren Bereichen schon viel
geschrieben und gesagt worden. Ein jeder Mensch hat letztlich
wohl seine ganz persönlichen Vorstellungen von diesem recht
vielschichtigen Begriff. Er setzt ganz individuell Maßstäbe,
Kriterien, und legt seine Messlatte dementsprechend. Je höher
das Maß desto geringer die Anzahl der Freunde.
Doch wie sieht es denn in unserer Gesellschaft aus?
Wird das Wort Freundschaft nicht inflationär behandelt? Gibt
es für einen Menschen wirklich so viele Leute, für die man das
sprichwörtlich letzte Hemd geben würde? Bis zu welchem Punkt
ist ein jeder bereit für andere zu gehen? Wo fängt eine wahre
Freundschaft an und wo hört sie auf? Gibt es für jeden einen
Punkt an dem er sagt: "Bis hierher und nicht weiter!"?
Ganz bewusst verzichte ich hier auf die oftmals nützlichen "Freunde"
Frau Wikipedia, die Herren Konfuzius, Duden, Brockhaus, Bertelsmann
und wie sie alle heißen, um mich selbst dem Thema zu nähern, aber
ohne dabei zu sehr ins persönliche vorzudringen.
Eine Freunschaft ist zweifellos eine wunderbare .....
Ja was denn überhaupt?
Eine wunderbare "Sache"? Dafür ist sie zu abstrakt!
Ein "Zustand"? Klingt ziemlich despektierlich!
Eine "Kombination"? Ja!
Und wer möchte eine Liste erstellen und anschließend eine Gewähr für
deren Vollständigkeit übernehmen? Vermutlich wohl niemand, der dazu
bereit ist. Die folgenden Punkte sind demnach auch nur wenige, die mir
spontan so einfielen und können fast beliebig ergänzt werden:
• ein gutes Gefühl
• ein starkes Band
• ein Rückhalt
• eine Lebensversicherung
• ein Lebensinhalt
• eine Sicherheit
• ein Auffangnetz
• ein gutes Ohr
• ein Ratgeber
• jemand den man nachts um 3:00 Uhr wecken darf
• ein hervorragender, konstruktiver Kritiker
• eine Schulter
• ein Lehrer und Schüler zugleich
• jemand der verzeihen kann
• ein Aufputschmittel / Energie-Drink
• ein Antidepressivum
• ein Freizeitpartner
• ein Licht
• ein Mauseloch
•ein Gastwirt
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Und warum dieses Thema gerade heute? Ausgelöst durch ein
Freundschaftsangebot im joyclub fing mein Kopf leicht zu rattern
an: kann, soll, muss oder werde ich es annehmen?
Wenn ja: warum?
Wenn nein: warum nicht?
Es gibt wahrlich nicht viele Menschen, die ich seit meiner späten
Jugend als Freund bezeichne respektive bezeichnet habe. Und bei
eben jenem Freundschaftsangebot fühlte ich mich unmittelbar in
die Zeit zurück versetzt, als ich noch als kleiner Junge zum Kindergarten
ging. Das ist jetzt fünfunddreißig Jahre her, aber die schüchtern gestellte
Frage eines Jungen habe ich noch im Ohr als sei sie mir gestern erst
gestellt worden:
"Willst du mein Freund werden?"
Damals habe ich ohne zögern "JA!" gesagt. Heute verwende ich
mehrere tausend Zeichen und bin mir noch immer nicht schlüssig.
Muss man überhaupt ein Freundschaftsangebot aufstellen? Eine
Freundschaft wächst doch in sich selbst. Zwei oder mehrere Menschen
lernen sich auf irgendeine Art kennen, man ist sich sympathisch, hat
viele gemeinsame Interessen, kommt sich emotional langsam näher
und ohne dass man es so richtig merkt ist die Freundschaft da. Kein
Zögern mehr, einen liebgewonnenen Menschen als seinen Freund zu
bezeichnen, da genügend Punkte aus der individuellen Liste vollkommen
unbewusst erfüllt sind. Keine Scham gegenüber den Mitmenschen, diese
Freundschaft der Öffentlichkeit zu präsentieren. Vielleicht sogar im
Gegenteil.
"HEY! SEHT HER IHR LIEBEN!! DIESER TOLLE MENSCH DA IST MEIN FREUND!!"
Wird jemandem die Frage gestellt, wieviele Menschen er als wahre
Freunde bezeichnet, kommt meistens eine Antwort, die an einer Hand
abzuzählen ist. Wird es also konkreter, dann ist die Messlatte erkennbarer.
Und im joyclub? Noch habe ich mich nicht durch Profile gezapppt um zu
schauen wer hier wen zum Freund hat. Es interessiert mich auch nicht so
sonderlich.
Kommt es gar zu Eifersüchteleien oder Neid?
Gedanken wie:
"Wieso hat sie den denn auf der Liste? Dieser Affe!"
"Jetzt muss ich dem doch erstmal brühwarm berichten,
was die sich gestern wieder erlaubt hat!"
Das ist nicht zu hoffen, jedoch auch nicht auszuschließen.
Natürlich macht eine Freundesliste auch Sinn. Der einzelne User wird
sicher öfter entdeckt, wenn er auf der Liste eines beliebten Users steht.
Im joyclub definiere ich mich aber nicht nach dem Motto:
"Zeig mir deine Freunde, und ich sag dir, wer du bist"
sondern wesentlich mehr über Beiträge im Forum.