Ich hol den Thread einfach mal wieder hoch, nachdem er mir in der Vergangenheit schon ein paar hilfreiche Inputs gegeben hat :). In den letzten Wochen gab es natürlich wieder einiges an Veränderungen. Das Thema Eifersucht, potentielle Beziehungsöffnungen kam ein bisschen hoch.
Und berufliche Veränderungen.
Und die uralte Frage, wer man selbst eigentlich ist.
Ich habe das Gefühl, dass ich momentan eine für eine Dreißigjährige eigentlich noch verfrühte Midlife-Crisis durchmache. Aber obwohl ich meinen Beruf mag, war er immer nur die zweite Wahl. Meine erste Wahl war halt immer die auch von LucyLime beschriebene Schriftstellerei. Momentan sehe ich da einige kleine Türen für mich aufgeben, die mir ermöglichen könnten, tatsächlich in ein paar Jahren den Erstberuf für diesen großen Lebenstraum aufzugeben.
Es fällt mir momentan wieder schwer, nicht böse auf meinen Freund zu sein, weil ich seinetwegen diesen großen Traum drei Jahre lang nach hinten geschoben habe. Drei Jahre - das klingt nicht viel. Aber wenn man jeden Tag dieser drei Jahre die wenige Zeit zum Schreiben vom Schlaf abziehen musste, wenn man deswegen oft vor Erschöpfung geweint hat, wenn man im Erstjob 50 Stunden pro Woche hätte arbeiten müssen und nur 45 gearbeitet hat und deswegen in beiden Sparten des Jobs IMMER mit diesem hässlichen Gefühl leben musste, im Rückstand zu sein ... Wenn Privatleben und Freunde extremst darunter litten, dass man eben IMMER versuchte, diesen Rückstand aufzuarbeiten ...
Und wenn man all das nicht in dieser heftigen Form durchgemacht hätte, wenn man dem Partner nicht hätte beistehen wollen, die lang erträumte Weiterbildung zu machen ...
Es ist nicht schön und nicht fair, dass ich ihm jetzt deswegen Vorwürfe machen will. Denn er hat mich nicht dazu gezwungen. Und doch ist es so.
Und so schwanke ich im Moment wieder heftig. "Deine Seelenlandschaft ist keine Ebene, sie hat Schluchten und Abgründe und 7.000-Meter-Berge", sagt eine Freundin zu mir. "Deswegen solltest du deinen ersten Job aufgeben. Du schaffst diese Regelmäßigkeit nicht. Du brauchst es, dich vier Monate bis ins Extrem auszupowern und dann einen Monat lang nur in der Sonne zu liegen und neue Ideen zu sammeln."
Aber im ersten Job habe ich Sicherheit bis zur Rente und ein Einkommen, das höher ist als das meines Vaters mit seiner ganzen Berufserfahrung.
Und ich weiß, dass mein Freund das gar nicht mal so schlecht findet - und dass ich es irgendwie auch mag, finanziell eben so stark zu sein.
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Aber immer, wenn ich das denke, werde ich böse auf ihn. Richtig böse. Denn in Wahrheit will ich Schriftstellerin sein. Ich habe in weniger als einem Jahr parallel zu dem Erstjob zwei Bücher geschrieben und fange gerade mit dem dritten an, und laut Agentin ist das erste Buch tatsächlich gut genug, um an einen Verlag verkauft zu werden, bei dem die Tantiemen bereits in die Nähe von "man könnte bei zwei Büchern pro Jahr ein winziges Stück über Hartz-4-Niveau davon leben" rücken.
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Ja, das hat alles gar nicht mit der Beziehung zu tun - oder doch?
Denn immer, wenn ich daran denke, werde ich innerlich wieder so böse auf ihn, dass ich am liebsten Schluss machen würde. Eigentlich irrational. Denn nicht er war es, der mir damals zu dem weniger geeigneten Erstberuf geraten hat. Und zumindest in der Anfangsphase unserer Beziehung hatte er auch überhaupt kein Problem damit, dass ich emotional bei aller Ruhe, Empathie, Bedachtheit, Verständnis für alle anderen manchmal sehr leidenschaftlich bin.
Jetzt gerade ist wieder so eine Zeit. Ich würde am liebsten um mich schlagen, weil das ganze Leben mich in eine falsche Richtung geführt hatte, bis ich all die Wände durchschlagen habe, die zwischen mir und meinem Traum vom Schriftsteller-Beruf stehen. Ich habe das Gefühl, dass ich ständig mich selbst aufgegeben habe und immer nur versucht habe, die Anforderungen von allen anderen zu erfüllen.
Natürlich ist das nicht die Schuld meines Freundes. Aber er hat auch davon profitiert - und er will nicht unbedingt, habe ich das Gefühl, dass ich das jetzt ändere. Ihm gefällt, wie viel Geld mir der regelmäßige und mich einengende Erstjob mir und damit uns bietet, das weiß ich.
Während ich mit aller Kraft Exposés, Entwürfe und Bewerbungen für Heftromanserien schreibe und die Kraft dafür irgendwie neben meinem Erstjob noch finde, bleibt der Haushalt liegen. Und während er immer sehr gut darin war, zu sagen, dass er neben seinem ganzen Stress nicht auch noch die Kraft für den Haushalt findet, gefällt es ihm längst nicht so gut, dass ich das seit zwei Wochen einfach auch sage und der Haushalt daher einfach liegen bleibt. Aber ich habe seit 13 Jahren immer wieder den Empfehlungen anderer nachgegeben und diese vor meinen eigenen Wunsch nach der Schriftstellerkarriere gestellt. Meinetwegen sehe ich noch ein, dass ich den Erstjob nicht einfach so kündige. Aber dann nutze ich die Freizeit jetzt endlich trotzdem ernsthaft für meinen Traum statt dafür, zu kochen und seine Hemden zu bügeln.
Eine Frau mit einem ruhigen, sicheren und gutbezahlten Job, die auch die Hausarbeit macht, ist wohl doch praktischer als eine Künstlerin, die ihren ruhigen, sicheren Job aufgeben will, momentan 65 Stunden in der Woche arbeitet, um Erstjob und Traumkarriere irgendwie unter einen Hut zu kriegen und deswegen weder abwäscht noch kocht. Selbst wenn die erste der beiden genannten Frauen ständig unglücklich ist und traurig vor sich hinstarrt (dann konnte er sie ja dafür anmotzen, dass sie immer nur noch schlecht drauf ist). Denn die Künstlerin, die den Haushalt liegen lässt, 65 Stunden in der Woche arbeitet, ist trotzdem noch glücklich, strahlt das aus, lacht manchmal und singt, wenn sie auf dem Weg zur Straßenbahn ist - und wird von anderen Männern dafür attraktiv gefunden.
Alles ekelhaft kompliziert. Diese Woche haben wir wieder Termin. Ich habe schon richtig Angst davor.