Verblödungs- und Manipulationsagentur
Der Erfolg der Glotze als Agentur der Verblödung und Manipulation beruht gerade auf ihrer "budhhistischen" Wirkungsweise: jenem tranceähnlichen Zustand, in welchen der Glotzophonist schon nach wenigen Augenblicken versinkt. Ganz im Gegensatz zum Leser einer Zeitung, eines Buches, eines Textes im Netz nimmt er nicht wahr, daß er kommuniziert, daß ihn unablässig Informationen infudiert werden - selbst dann, wenn er einen "harmlosen" Krimi schaut. Sein Bewußtsein ist fast völlig ausgeschaltet - es meldet sich erst bei unabwendbaren physischen Bedürfnissen wieder: Bier holen, Chips auffüllen, und Pipi machen gehen. Ansonsten ist er völlig entspannt - was die Glotzophonisten ja so schätzen, wovon sie seelisch und körperlich abhängig geworden sind. Jede Kritikfähigkeit ist dahin - und gerade das ist ja gewollt, denn Kritik ist stets auch anstrengend, und man will sich ja gerade entspannen und erholen, sich eben nicht anstrengen. Auf dem Sofa unter der Schnuffeldecke vor der Glotze zu liegen - das ist das Nirvana des postmodernen Menschen. Die heimliche Vorstellung vom Himmel dürfte so ausschauen: eine phantastische Mega-Giga-Glotze mit einem Schirm wie eine Kinoleinwand, ein ultimativer intelligenter Fernsehsessel, der ein völlig spannungsfreies dahinflätzen ermöglicht, ein schmerzfreies Blasenkatheder und ein vollautomatischer Zapfhahn daneben - die Chipsmaschine auf der anderen Seite nicht zu vergessen, und für manche auch noch der Aschenbecher und der Gratis-Kippenkasten - so liese sich eine Ewigkeit durchaus aushalten. Sendeschluß gibt es ja eh keinen mehr.
Die Glotze ist auch linear - sie läuft "in Echtzeit" ab, anhalten oder zurückspulen geht nicht. Es geht theoretisch, wenn man was aufnimmt - aber wer tut das schon, ausser ein paar Filmchen. Das ist bei einem Text - in der Zeitung, im Buch, im Netz - gaanz anders: gerade das Buch, mein Lieblingsmedium gibt dem Leser weitaus mehr Möglichkeiten an die Hand: man kann es jederzeit anfangen und weglegen. Man kann es in die U-Bahn mitnehmen und aufs Klo. Man kann es auch ins Regal stellen, wo es mitunter Jahrelang geduldig wartet, bis es wieder vorgenommen wird. Man kann vor- und zurückblättern - die Zeitung sollte man ja sowieso von hinten nach vorne lesen.
Das Fehlen dieser Kontrollmöglichkeiten des Konsumenten ist der Trumpf der Glotze gegenüber dem Glotzophonisten. Und es hat ja schon seinen Grund, warum Werbung über die Glotze ein Multimilliardengeschäft geworden ist, und auch für das, was für gewöhnlich "die Demokratie" genannt wird, als absolut unerlässlich angesehen wird. Der Manipulation, die über die buddhistische Maschine erfolgt, kann man sich nicht entziehen - man bilde sich doch nicht ein, als Lischen Müller oder Mario Schlegelmilch den Heerscharen an Marketing-Experten, Psychologen, Soziologen, Designern und sonstigen Experten überlegen zu sein, die hinter jedem Werbespot für OB-Tampons, die FDP oder Müller-Milch stecken. Das ist eine manpower, gegen die anzukämpfen zwecklos ist. Denn in dem Moment, in dem man "kritisch" wird gegenüber der Glotze verliert sie genau das, was man von ihr erwartet: eben den buddhistischen Zustand, das wunschlose Glück der vollautomatischen Seelenmassage.
Kaufe ! Konsumiere ! Wähle ! Sei untertan der Obrigkeit und glaube uns ! Glaube an unsere Verantwortung für die Künftigen Generationen, den unglaublich günstigen Supersparpreis und die 0,0 % Finanzierung ! Glaube an unsere Ästhetik und unseren Kampf gegen den Klimawandel und das internationale verbrecherische Finanzkapital, die Gier der Manager ! Bete mit uns, fühle mit uns, sei eins mit uns - sei ganz Volk für uns, für Deine Führer !
Das ist die Botschaft, die die Glotzophonisten tagtäglich stundenlang in sich hineinsaugen, ohne es zu wissen, ohne es wissen zu wollen.
Denn in Wahrheit glotzen sie ja nur den ganzen Abend wegen der Nachrichten. Man muß ja wissen, was in der Welt vor sich geht, nicht wahr ?
"Das Fernsehn blöd machet ? Also i hob no nix gmerrkt !" (Matthias Riechling "Der Dauerglotzer")