Männer um die Sechzig mit Rücken
Ich habe schon lange Rücken, mit 22 oder 23 fing das an. Geldverdienen hieß anfangs immer, schwielige Hände, entzündete Ellenbogen und Schmerzen in der Schulter, im Rücken und in der Lendenwirbelsäule zu haben. Hin und wieder gehörten auch Risse, Schnitte und Quetschungen zum täglichen Broterwerb.Ich hatte oft Glück, ich hatte nie einen Wadenbeinbruch, keine Kopfplatzwunden oder einen gespaltenen Unterkiefer. Ich war bei all solchen Vorfällen dabei, aber immer nur als Teil der Rettungskette, lange bevor es Mobilfunktelefone gab. Ich habe auch schon gehört, wie eine Achillessehne riss, gottlob war es nicht meine. Gottlob. Was für ein Geräusch!
Der Rücken ist mein ständiger Begleiter, auch wenn ich mein Geld mittlerweile anders als mit körperlicher Abnutzung verdiene. Ich missachte ihn oft, ist halt so erlernt. Dafür liebe ich meine automobile Sitzheizung sehr.
Manchmal tue ich Dinge, so als wäre ich 20 und ich bin sogar ausdauernd dabei. Es geht noch, nötigenfalls auch tagelang. Ich spüre den Muskelkater, ich liebe dieses Gefühl und das komplett Durchgeschwitztsein, das Erinnern an das Geldverdienen mit schwerer körperlicher Arbeit. Ich war einmal sehr stolz darauf. Der Rücken honoriert jedes muskuläre Engagement, aber alles, was statische Haltearbeit ist, bestraft er gnadenlos.
Den größten Mist baute ich mit einer Frau im Folienbondage, die ich, auf ihrem Bett kniend, komplett aus dem Rücken heraus anhob. Sie war nicht schwer, vielleicht 55 Kilo. Aber es reichte für drei Monate Rückenblockade.
Um mich herum sind viele teils wortkarge Männer um die 60. Das mit dem Rücken verbindet uns. Meist wird nicht groß darüber geredet. "Rücken?", lautet die Standardfrage und "Jo" ist die ausführlichste Antwort, die es darauf gibt. Jedoch reicht es auch schon, zu beobachten, wie die ersten paar Schritte nach dem Aussteigen aus einem Auto sind. Wie ein Tier das andere erkennen wir uns.
m.brody
2024