Nein, man wird nicht von der anderen Person abgewertet. Dein Wertegefühl (ich bin un/wichtig, bin vor/nachrangig, etc.) entsteht in dir. Du lässt dich auf die Situation ein, Du empfängst Signale, Du „bewertest“ diese Signale relativ zu Deinen Erwartungen und Bedürfnissen. Selbst wenn dir jemand sagt, Du seihst „wertlos“, wird sich eine für dich als Abwertung empfundene Reaktion erst dann einstellen, wenn Du dem Sender die Relevanz einräumst, über deinen Wert bestimmen zu können. Die Abwertung entsteht durch deine Akzeptanz, und orientiert sich dabei deutlich mehr an deiner eigenen Vorstellung, an deinem eigenen Selbstwert. Andere Menschen haben nur die Rechte, die wir ihnen, bewusst oder unbewusst, das ist eine andere und spannende Frage, einräumen.
Was das Thema Parallelbeziehungen betrifft. Ich hatte mal das Problem, zwischen zwei Frauen zu stehen, die Umstände spielen dabei keine Rolle. Emotional war ich in einer Zwickmühle. Zwei Gedankenstränge haben mir geholfen, mit der Situation klarzukommen:
Ich hab für mich erkannt, dass ich nur eine Lebenspartnerschaft führen kann. Alles andere würde in der Komplexität mit rechtlichen Themen (Verheiratete haben andere Rechte/Pflichten als nicht verheiratete Paare/Tripple/…), der Abstimmung von Lebensplänen und Zielen, mit Kind, mit Besitz-/Wohn-/Arbeitsverhältnissen ersticken. Vor dem Hintergrund hab ich mich für die Fortführung meiner bestehenden Lebenspartnerschaft entschieden, und damit auch gegen die andere alternative Partnerschaft.
Das hat aber mein emotionales Problem nicht gelöst, auch wenn ich intellektuell den „formalen“ Rahmen geordnet hatte. Wie also mit den Gefühlen umgehen?
Ich sehe heute das Leben in drei sich überlagernden Dimensionen: Intellekt, Emotionen/Werte und Körperlichkeit/Sinnlichkeit. Das intellektuelle Problem hatte ich gelöst, das emotionale blieb. Aber es blieb nur so lange, wie ich, wie es im Startbeitrag thematisiert wird, hierarchisch verstehe. Ich hab mich in der Zeit, gerade aufgrund dieser Überlegungen gelöst aus der konventionellen Denkwelt. Für mich ist das eine Welt, in der bestimmte Werte und äussere Umstände als „Bündel“ verstanden werden, als untrennbar, als nicht graduell differenzierter, als kausal Zwangsgedanken, verstanden werden. Monogamie ist ein solches Bündel, Liebe - Ehe - Sex, und zwar jeweils absolut ausschliesslich, ausschliesslich im Sinne von nur innerhalb, ausserhalb ist tabu.
Und damit ich nicht falsch verstanden werde, für mich ist das eine Beobachtung, ich werte das ausdrücklich nicht!!!! Es gibt hier für mich kein „Richtig/Falsch“ (was die Frage nach Schuld und Schuldigern aufwerfen und ein „einklagbares Recht“ implizieren würde), es gibt für mich ein „Passend/Unpassend“)
Löst man sich von der Bündelung, dann gibt dass enorme Freiheiten. Dann kann ich eine Lebenspartnerschaft führen, durch aus in der Kausalität von Liebe - Ehe - Sex, aber es schießt eben nicht aus, dass ich auch emotionale Bindungen zu anderen Menschen haben kann. Insbesondere wenn ich jemanden liebe, hat das für mich nichts (mehr) hierarchisches, es geht nicht um „mehr/weniger“, löst man die Zwangskausalität auf, dann wird Platz geschaffen für ein „sowohl/als auch“, Hierarchie spielt da keine Rolle mehr.
Sicher gibt es noch die Lebensrealität, die manifeste Begegnung, das Zeitmanagement, die Herausforderung das alles organisatorisch unter einen Hut zu bekommen. Nur hat das eine ganz andere Wahrnehmung, wenn es nicht mehr um die Frage des „Startplatzes“ geht, dann geht es um die Begegnung und nicht um die Startaufstellung, die Hierarchie, die Frage, wer die Nummer 1 ist oder sein will.
Ganz sicher ist eine Herausforderung, so denken und vor allem empfinden zu können. Eine weitere Herausforderung ist dann, die passenden Partner zu dieser Lebensweise zu finden. Aus eigener Erfahrung und meiner Lebensrealität kann ich aber sagen, dass das geht, beides. Es braucht aber den Mut, die Konvention zu verlassen, dabei braucht man den Mut nicht mal für das Verlassen, sondern dafür, jenseits der Konventionen und der dort vorgefertigten „Gebrauchsanweisungen“ dann seine eigenen Ideen zu entwickeln und vor allem die Verantwortung dafür zu übernehmen. Und bei Verantwortung beginnt es dann anstrengend zu werden.