Bis zur letzten Zeile

Eine private Lesung wünschte er sich. Wollte sehen, ob ihre erotischen Geschichten und deren Inszenierung seinen besten Freund zur Stellungnahme brächten. Sie schmunzelte. Da wäre er der erste und einzige, bei dem die Reaktion ausbliebe. Das menschliche Gehirn ist das mächtigste Instrument der Wollust, und ihr größtes Talent lag darin, dieses Instrument zum Klingen zu bringen. Sie schminkte sich nur leicht, zog schwarze Nylons und ein figurbetontes, schwarzes Kleid an.
Pünktlich erschien sie vor der unpersönlichen, jedoch großzügigen Monteurwohnung, wo sie sich gelegentlich trafen. Die Tür war nur angelehnt, so wie ausgemacht. Sie trat ein, zog den Mantel aus und hängte ihn an der leeren Garderobe auf. Aus dem Wohnzimmer drang ein Lichtschein auf den Flur. Als sie die Türe öffnete, erblickte sie ihn auf dem Sofa, das leicht für zehn Personen reichen würde. Er war bereits nackt und grinste von einem Ohr bis zum anderen.
Sie erwiderte das Grinsen und schüttelte den Kopf. „So ungeduldig?“
Er hob die Schultern. „Ich habe nur anderthalb Stunden Zeit."
„Ts, ts. Immer in Eile." Nun platzierte sie den mitgebrachten Lederhut umgekehrt auf dem Couchtisch. Er sah sie fragend an. „Hier kommt der Eintritt für die Lesung hinein." Er zog verständnislos die Augenbrauen hoch. „Na, schau mal: Du bekommst eine private Lesung und denkst doch wohl nicht im Ernst, dass du dir so das Eintrittsgeld ersparen könntest?"
Peinlich berührt verzog er das Gesicht. „Nimmst du auch Kreditkarte?"
Sie verdrehte die Augen. „Ja, klar. Einfach durch den Schlitz ziehen."
„Sorry, das habe ich nicht erwartet. Ich habe überhaupt kein Geld dabei."
„Das ist aber schlecht." Sie war genervt. Er zerstörte das ganze Spiel, und ohne Obolus fehlte dem Ganzen das gewisse Etwas.
Hektisch mit den Händen wedelnd sagte er: „Ich überlege mir was, du sollst nicht leer ausgehen."
„Du bildest dir tatsächlich ein, während meiner Lesung einen vernünftigen Gedanken zustande bringen zu können? Da bin ich ja wirklich gespannt."

Sie wollte sich mit ihrem Tablet in den Händen auf dem Platz niederlassen, der am weitesten von ihm entfernt war. Er sollte sie beim Vortrag nicht erreichen können.
„Zieh dich auch aus." Seine Stimme war sanft, duldete jedoch keinen Widerspruch.
„Auch das noch", meckerte sie. „Du kriegst den Hals wohl nicht voll?"
Nichtsdestotrotz legte sie das Tablet auf den niedrigen Tisch und entkleidete sich vollständig, bevor sie sich setzte. Sie fröstelte leicht und hörte ihn tief die Luft einsaugen. „Du hast wunderschöne Euter."
Sie knirschte mit den Zähnen und antwortete: „Muh!"
Er lachte. „Magst du den Ausdruck nicht? Aber er passt so wunderbar auf deine vollen, hängenden …"
„Sag es nicht nochmal!", fuhr sie ihn an.
Er grinste herausfordernd. „Titten."
Geschäftsmäßig schaltete sie das Tablet an und öffnete die Textdatei, die sie zum Besten geben wollte.
„Sei nicht eingeschnappt. Und halte dein Gerät nicht ständig vor deine prachtvollen Eu…"
„Stopp!", rief sie erbost.
„… Titten", vollendete er seinen Satz boshaft grinsend.
Sie schnaubte und beschoss ihn mit wütenden Blicken.
„Wenn Blicke töten könnten. Aber ich glaube nicht daran."
Sie senkte die Lider. Später würde sie sich rächen. Aber insgeheim bereitete ihr dieses Scharmützel großes Vergnügen.

...à suivre


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