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Kopfkino
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Raven

*******Ness Mann
102 Beiträge
Bin auf den nächsten Teil gespannt.
****l3 Frau
1.101 Beiträge
Wie Ende?

Nicht Dein Ernst, oder?
**********heinz Mann
171 Beiträge
"Deine Kratzer werden rasch verheilen, keine Sorge. Aber Du wirst trotzdem nicht mehr dieselbe Frau sein wie zuvor. "

Das läßt soviel Kopfkino zu .............
*****978 Frau
359 Beiträge
Also das mit dem Ende... kam jetzt etwas arg plötzlich....
******c01 Mann
3.328 Beiträge
„Ich brenne nämlich darauf zu erfahren, wie Du Dich verändern wirst. Deine Kratzer werden rasch verheilen, keine Sorge. Aber Du wirst trotzdem nicht mehr dieselbe Frau sein wie zuvor. Du wirst Raven sein. Wann immer Du willst. Oft genug, wie ich hoffe. Denn in Schwarz bist Du einfach atemberaubend!“
Dougal

War das wirklich alles oder ist dieses Ende ein neuer Anfang ?

Nicht nur Dougal brennt darauf, zu erfahren wie du dich als Raven verändern wirst in deinem neuen Dasein als Gestaltwandlerin
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****012 Frau
476 Beiträge
Themenersteller 
Wow, Leute! *love4*

Ich freue mich riesig über so viel Lob und Begeisterung für meine Geschichte!

Manche von Euch wissen ja, wie sie entstanden ist: @**********light macht im Livestream so ungefähr einmal im Monat eine Lesung mit Texten von mir. Das ist auch für mich immer total spannend und schön, weil sie mit ihrer wunderbaren Stimme meinen Figuren so viel Leben einhaucht *love*. Sie hatte dann die Idee, im Oktober mal ein Halloween-Special zu machen. Und das hat mich zu "Raven" inspiriert.

Tja, ich weiß auch nicht, was dann passiert ist: Irgendwie haben mich die Gestaltwandler davongetragen, glaube ich. Jedenfalls ist die Geschichte ist länger geworden, als ich gedacht hätte. Dann hatte ich sie zu einem für mich runden Abschluss gebracht. Und jetzt wollt Ihr wissen, wie es weitergeht! *umfall* *lach*
Ich muss ja zugeben, dass mir die Figuren auch ans Herz gewachsen sind. Also mal sehen, ob die Muse mal wieder anklopft und es eine Fortsetzung gibt. *g*

Erstmal aber vielen Dank Euch allen fürs Mitfiebern und für das tolle Feedback! Und wenn jemand die Geschichte nochmal hören möchte: Bei der Lesung für @**********pioGJ am nächsten Dienstag wird Arkana als Zugabe nochmal "Raven" lesen. Seltsamerweise funktioniert der Link zu der Veranstaltung nicht richtig, wenn ich ihn kopiere. Aber ihr findet die Lesung leicht auf den Seiten von Arkana oder MystikScorpio.
**********light Frau
1.416 Beiträge
Für die von euch die es vorgelesen hören wollen. Meldet euch an. Geht auch als Basismitglied


@**********pioGJ Spezial


Danke @****012 für dieses große Lob und mir ist es eine Freude für dich deine Texte zu lesen
**********light Frau
1.416 Beiträge
Wortzauber von Kea Ritter

Hier ist übrigens die nächste Lesung mit @****012 persönlich im Chat ❤️
*****che Mann
36 Beiträge
Ich wäre auch gespannt, noch mehr von Raven zu lesen, Du schreibst einfach fantastisch!
Aber ich finde auch, dass ein offenes Ende manche Geschichten nicht schlechter macht, es regt das Kopfkino ebenso an und in der Weltliteratur gibt es große Meisterwerke, die offen enden, die eine Hoffnung auf mehr machen, die nie erfüllt wird, in denen manchmal die spannendsten Fragen nicht aufgelöst werden. Auch in Filmen mag ich so was.
Also, Fortsetzung oder nicht - die Geschichte ist so oder so großartig!
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****012 Frau
476 Beiträge
Themenersteller 
Auf ein Neues!
Soooo, Ihr Lieben,

Zeit, einen meiner rabenschwarzen Neujahrsvorsätze umzusetzen... *smile*

Ich war ja total begeistert von Eurem tollen Feedback zu meiner Geschichte! Das hat mich motiviert, tatsächlich ein Fortsetzung von "Raven" zu schreiben. Und die wird nächste Woche eine besondere Premiere haben:

Am Dienstag, 23. Januar, liest die wunderbare @**********light im Livestream die Geschichte, in den Lesepausen genießen wir das Klavierspiel von @*******eys.
Ich bin sicher, das wird ein sehr schöner und genussvoller Abend. Hier könnt Ihr Euch anmelden: Wortzauber von Kea Ritter

Anschließend werde ich den zweiten Teil von "Raven" dann Häppchen für Häppchen hier posten. Stay tuned! *zwinker*
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****012 Frau
476 Beiträge
Themenersteller 
Raven - Episode 2
Kapitel 1

Corvophobie. Vielleicht ist es das, worunter ich leide. Nein, ihr braucht das Wort nicht zu googeln. Ich habe es gerade erfunden. Um überhaupt einen Namen zu haben für das, was mich seit Wochen quält. Könnt ihr euch das vorstellen? Ich habe keine Angst vor Spinnen wie all die Leute mit Arachnophobie. Stattdessen hockt mir die Rabenverwandtschaft auf der Seele. Dohlen. Krähen. Und die Raben selbst natürlich. Eine schwarz gefiederte Bande, die mich durch die Tage verfolgt und mich nachts um den Schlaf bringt. Immer wachsam. Mit scharfen Schnäbeln, rauen Stimmen und gnadenlosem Spott.

Wenn schon am Nachmittag die Winternacht über unserem Dorf hereinbricht, ist es am schlimmsten. Dann kommen sie von allen Seiten. Eine Invasion von geflügelten Gestalten, die sich in den Bäumen am Friedhof für die Nacht versammeln. Ich sehe ihre dunklen Silhouetten, wie sie vor dem grauen Himmel Flugkunststücke aufführen. Ich höre ihr heiseres Gekrächze tief in meinem Kopf. Und frage mich, ob ich dabei bin, den Verstand zu verlieren.
Dabei weiß ich ja, dass diese Versammlung nichts Ungewöhnliches ist. Bestimmt hält der Schwarm hier seit Jahren sein Abend-Meeting ab, in ähnlicher Stärke und Penetranz wie jetzt. Nur hätte mich das bis vor kurzem kein Stück gestört. Ich hatte nie etwas gegen solche Vögel.

Sofern ich überhaupt über Raben nachdachte, fand ich sie sogar ausgesprochen sympathisch. Schließlich gehören sie zu den intelligentesten und sozialsten Vögeln überhaupt. Ich habe die faszinierendsten Sachen über sie gelesen. Angeblich trösten sie sogar ihre von Artgenossen verprügelten Kumpel! Sie setzen sich neben sie und kraulen ihnen sanft mit dem Schnabel das Gefieder…

„Ha!“ Unwillkürlich versetze ich der Armlehne meines Sessels einen Hieb mit der flachen Hand. Kann das denn nie aufhören? Selbst in so unverfänglichen Situationen wie jetzt finde ich keine Ruhe! Ich sitze vor einem gemütlichen Kaminfeuer in meinem Wohnzimmer und starre in die Flammen. Kein Gekrächze weit und breit. Doch die unkontrollierbaren Assoziationen in meinem Kopf locken mich schon wieder auf dünnes Eis.
„Reiß dich zusammen, verdammt!“, fahre ich mich innerlich an.
Ich muss lernen, meine Gedanken besser im Zaum zu halten! Denn gerade diese Bilder kann ich im Moment am wenigsten gebrauchen. Ich will nicht an sanfte Schnäbel denken! Genauso wenig wie an leidenschaftlich kratzende Krallen oder lüstern funkelnde schwarze Augen! Und auf keinen Fall… unter überhaupt gar keinen Umständen will ich an einen Mann denken, dessen zweite Natur diesem Bild bis aufs Federchen gleicht!

Ich kann noch immer nicht recht glauben, dass ich all das wirklich erlebt habe. Diese Halloween-Nacht, die alles verändert hat. Und das Grauen danach. Wenn mir jemand vor ein paar Monaten so eine Geschichte erzählt hätte…
Na ja, ich hätte wahrscheinlich jeden Satz davon genossen. Ich mag ja gruselig-romantische Erzählungen, die meine Fantasie anregen. Nur ist das normalerweise eben ein völlig harmloser Genuss ohne jeden Bezug zur Realität. Nicht im Traum hätte ich es für möglich gehalten, dass manche Menschen wirklich eine tierische Gestalt annehmen können! Geschweige denn, dass ich mitten unter solchen Leuten lebe!
Selbst das könnte ich ja vielleicht noch einigermaßen akzeptieren. Ich könnte die Damen und Herren Gestaltwandler einfach ihr Ding machen lassen, während ich selbst mein eigenes Leben führe. Toleranz und so. Ihr wisst schon. Aber nein: Ich musste mich ja unbedingt dazu hinreißen lassen, diese verfluchte Nacht mit Dougal zu verbringen! Eine Nacht voller erotischer Ausschweifungen, die ich nie im Leben vergessen werde.

Wie harmlos dieser Satz klingt! Viel zu harmlos… Als hätten mir diese Stunden nur Bilder voll glutflüssiger Ekstase hinterlassen. Erinnerungen, gemalt in einem leuchtenden Lava-Rot wie aus dem Inneren der Erde. Dann könntet ihr mich mit Recht fragen, worüber ich mich eigentlich beschwere: Wie viele Leute träumen ihr Leben lang von so viel Leidenschaft, ohne auch nur einen Zipfel davon zu fassen zu bekommen? Nur müssen die eben auch nicht erleben, wie ein Schnabelhieb ihre gesamte bisherige Existenz in einen Haufen scharfkantige Scherben zertrümmert.

Ich hatte die kleinen Verletzungen erst gar nicht beachtet, die unsere erotische Rangelei an meinem Knöchel und auf meiner Schulter hinterlassen hatte. Die Konsequenzen wurden mir erst später klar. Als ich wieder allein war und mein Blick in meinen Schlafzimmerspiegel fiel. Bisher bin ich über mein Spiegelbild nur selten erschrocken. Aber in diesem Moment erfasste mich helle Panik. Was würdet ihr denken, wenn ihr mit eurem Alltagsgesicht rechnet und euch stattdessen ein Rabe entgegenblickt?

Dabei war es nicht einmal eine wirkliche Verwandlung. Sobald ich meinen Körper direkt anschaute, sah er weitgehend aus wie immer. Doch der Spiegel zeigte mir eine neue Facette meines Wesens. Geboren aus dem Blut, das durch den Hieb des Gestaltwandlers geflossen war. Ich hatte bis zu diesem Moment nicht einmal wirklich an sein Talent geglaubt. Geschweige denn daran, dass es auf diese Weise ansteckend sein könnte.

Doch daran besteht wohl kein Zweifel. Er hat er mir etwas eingepflanzt, von dessen Natur ich nicht die geringste Vorstellung habe. Seither beobachte ich mich misstrauisch wie eine Tropenreisende, die auf die ersten Anzeichen von Malaria wartet – und sich schon allein beim Gedanken an das drohende Unheil völlig entkräftet fühlt. Jede Minute rechne ich damit, dass irgendetwas in mir erwacht. Etwas Gefährliches, das ich nicht kontrollieren kann. Ich bin mir selbst unheimlich. Und diese Angst wünsche ich wirklich niemandem!

Realität geworden sind meine Alpträume bisher allerdings nicht. Ich spüre zwar Veränderungen, doch die sind eher subtiler Natur. Kein Knalleffekt, der mich in ein krächzendes Federbündel verwandelt hätte. Eher sind es neue, überraschende Gedanken. Gefühle, die nicht so ganz in meine bisherige Welt zu passen scheinen. Und erotische Träume, die mich mehr als alles andere verunsichern.

... Fortsetzung folgt ...

© Kea Ritter, Januar 2024

********t_64 Frau
3.123 Beiträge
Dickes Kompliment... hervorragend geschrieben *spitze*
... diese Geschichte erzeugt Assoziationen in mir zu einer Begegnung die ich vor kurzem hatte... woran ich noch zu knabbern habe... bin gespannt auf die Fortsetzung *zwinker* 😍🤗💜
It´s me!
*********ld63 Frau
8.177 Beiträge
Oh, endlich eine Fortsetzung, wow!! *hypno* Wieder ganz wunderbar geschrieben, liebe @****012! *love4* *bravo* Ich bin gespannt darauf, wie sich das weiter entwickelt.
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****012 Frau
476 Beiträge
Themenersteller 
Raven - Episode 2
Kapitel 2

Nicht, dass ich etwas gegen lüsternes Kopfkino hätte. Ganz im Gegenteil! Doch in meiner jetzigen Lage wage ich nicht, mich diesen Filmen hinzugeben. Denn ich befürchte, sie könnten die rätselhafte Bestie wecken, die in mir schlummert. Ich könnte in der Erregung die Kontrolle verlieren. Und wer weiß schon, was dann geschehen wird?

Sobald ich die Augen schließe, tauchen die Bilder und Gefühle der Halloween-Nacht wieder auf. Ich weiß nicht, ob ihr diese Art von Sex häufiger erlebt. Die Art, die sich anfühlt wie eine Naturgewalt. Die einem vorgaukelt, dass man die Welt von links nach rechts drehen könnte und wieder zurück. Dass man die Macht hätte, Erdplatten zu verschieben, Gebirge aufzufalten und das eine oder andere neue Meer zu schaffen. Oder doch zumindest ein paar Blitze zu schleudern und Monsterwellen aufzutürmen. Was man halt so macht im Überschwang der Ekstase. In jenen Momenten, in denen man Geschichte schreibt. Seine eigene zumindest.

Ich jedenfalls habe so etwas selten zuvor erlebt. Und nie, wirklich niemals hat es sich so angefühlt wie mit Dougal! Ob das mit der Verwandlung zu tun hat? Ich traue mich noch nicht, mich mit dieser Frage näher zu beschäftigen.

Wenn ich es zulasse, spüre ich seine Hände wieder auf meiner Haut. Seinen Atem in meinem Nacken. Das Kratzen seiner Bartstoppeln auf meinen Schenkeln. Kleine Provokationen, wie feine Nadelstiche für meine Sinne. Zentimeter für Zentimeter drängen sie mich in Richtung der Klippe, an der es kein Zurück mehr gibt. Schon höre ich Laute aus Sturm und Feuer. Und Wörter in der Sprache von Raben.

Ich weiß, wo das hinführen wird. Und dass ich genau da hin will. Ich brauche aufgepeitschte Sinne, animalische Gier. Und seinen Schwanz in mir, pulsierend in einem uralten Rhythmus. Eruptionen der Körper, der Sinne und Gedanken. Feuerwalzen und Lavaströme, die wir mit bloßen Händen lenken können. Mit der Macht unserer vulkanischen Natur. Wir sind so kurz davor, brauchen nur die Arme danach auszustrecken…

Ein plötzliches Scheppern reißt mich in die Realität zurück. Na großartig: Die vermeintliche Lava-Lenkerin hat nicht einmal genug Kontrolle über ihre Finger, um ihre Tee-Tasse richtig festzuhalten! Verflixte Tagträume! Entnervt tappe ich in die Küche, um einen Lappen zu holen. Ich würde mir am liebsten selbst in den Hintern treten, während ich neben der Pfütze in die Knie gehe. Teeflecken auf den Dielen sind jetzt genau das, was mir zum Abrunden dieses grandiosen Tages noch gefehlt…

Wie erstarrt hält meine Hand mitten in der Wischbewegung inne. Mein Blick klebt auf meinem Handrücken. Und mein Hirn weigert sich entschieden, das dort vorgefundene Bild zu akzeptieren. Da ist nicht weiter als ein bisschen Ruß vom Kamin! Ganz sicher kein Anflug von feinen, schwarzen Federchen, die aus meiner Haut sprießen…

Mit einem Anflug von Panik reibe ich über meine Hand. Ich weiß nicht, ob das hektische Gewische irgendetwas ändert. Vielleicht sind es auch nur meine Gedanken, die plötzlich wieder auf ein anderes Gleis gesprungen sind, weil ich vor Schreck ganz unbewusst irgendeine Weiche umgestellt habe. Jedenfalls zieht sich das Schwarz von meiner Hand zurück, bis sie wieder so aussieht, wie ich sie kenne. Doch ich mache mir keine Illusionen: Was ich gesehen habe, war kein Trugbild. Es nützt nichts, die Augen davor zu verschließen. Die schwarze Facette in meinem Wesen ist so real wie alle anderen.

Obwohl der Kamin nach wie vor eine angenehme Wärme ausstrahlt, zittere ich bei dem Gedanken. Ich rolle mich in meinem Sessel zusammen und versuche, tief und langsam zu atmen. Mich nicht überwältigen zu lassen von meiner Angst und den Bildern in meinem Kopf. Ich muss mit jemandem darüber sprechen!

Im Grunde weiß ich das seit Wochen. Aber wem hätte ich diese Geschichte anvertrauen können? Die meisten Leute, die ich kenne, hätten mir wahrscheinlich einen Besuch bei einschlägigen Fachärzten empfohlen. Oder mich einfach ausgelacht.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Allen voran Dougal und Cleo. Aber auch Alina und Emma, Frederic und all die anderen Nachbarn, die selbst eine animalische Seite besitzen. Sicher könnten sie mir das eine oder andere erklären. Das würde vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen und helfen, ein paar Gespenster aus meinem Kopf zu vertreiben. Allerdings sind das ja genau die Menschen, die mir die ganze Sache überhaupt erst eingebrockt haben! Wie soll ich ihnen da trauen?

Seit das alles passiert ist, bin ich ihnen strikt aus dem Weg gegangen. Ich habe mich verkrochen wie eine Einsiedlerin. Nur zum Einkaufen habe ich das Haus verlassen. Heimlich, als hätte ich etwas zu verbergen. Ich bin nicht ans Telefon gegangen, habe auf kein Klingeln und keine Nachrichten reagiert und nicht in meine Mails geschaut. Und dem schwarzen Vogel, der eines Morgens vor meinem Küchenfenster saß, habe ich den Rollladen vor dem Schnabel runtergelassen. Ich habe versucht, mich unsichtbar zu machen. Aber insgeheim habe ich natürlich gewusst, dass das nichts hilft. Und jetzt kann ich die Sache nicht länger aufschieben.

Cleo ist am Apparat, kaum dass ich ihre Nummer gewählt habe.
„Julia? Wie schön, dass du anrufst…“, sagt sie etwas atemlos. In ihrer Stimme höre ich nichts von ihrem üblichen, selbstzufriedenen Schnurren. Die Luchs-Lady klingt erleichtert und besorgt zugleich.
Plötzlich habe ich einen Kloß in der Kehle. Ich weiß gar nicht mehr, was ich sagen soll und brauche meine ganze Kraft, um nicht loszuheulen. Wo sind die verdammten Worte, wenn man sie braucht? Bestimmt wird sie gleich kopfschüttelnd auflegen. Dann muss ich morgen wieder über meinen Schatten springen. Oder übermorgen. Oder am Tag danach.

Doch sie scheint mein Schweigen richtig zu deuten.
„Ich komme gleich rüber zu dir“, kündigt sie energisch an. „Mach auf, ja? Es lohnt sich auch. Ich habe vorhin Schokoladenkuchen gebacken…“

... Fortsetzung folgt...

© Kea Ritter, Januar 2024
******c01 Mann
3.328 Beiträge
Boah, ist das spannend und so stilsicher geschrieben. Als Leser fühl ich mich in der Geschichte mittendrin und jederzeit mitgenommen.
********t_64 Frau
3.123 Beiträge
Cool *spitze*
**********light Frau
1.416 Beiträge
Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht. Ich hoffe diese Reihe endet nicht. Sie ist so sehr mir nahe ❤️
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****012 Frau
476 Beiträge
Themenersteller 
Ich freue mich wirklich sehr über die tollen Kommentare und Likes! Man sollte ja nicht glauben, was sich aus so einer Halloween-Nacht alles entwickeln kann... *smile*

Das ist übrigens die Musik zur Geschichte (Danke @**********heinz !):


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****012 Frau
476 Beiträge
Themenersteller 
Raven - Episode 2
Kapitel 3

Auch wenn es verdächtig wie ein Schluchzen klingt, muss ich tatsächlich ein wenig lachen. Das ist so typisch für meine Nachbarin! Im Grunde habe ich wirklich Glück, neben einer so einfühlsamen und hilfsbereiten Frau zu leben. Gestaltwandlerin hin oder her: Sie wäre jederzeit bereit, den Widrigkeiten des Lebens mit allem entgegenzutreten, was sie hat. Und wenn es ein Stück von ihrem zweifellos hervorragenden Schokoladenkuchen ist.

Ob der gegen sprießende Federn hilft, wage ich zwar zu bezweifeln. Aber ich kann es kaum erwarten, bis ich ihr Klopfen an der Haustür höre. Und als ich sie dann auf meiner Schwelle stehen sehe, in der Hand ein verführerisch duftendes Kuchenpaket, zerbröselt meine Zurückhaltung in kleine Krümel. Ich versuche gar nicht mehr, die Tränen zurückzuhalten. Selten hat mir eine Umarmung so gut getan.

Es dauert eine Weile, bis ich mich halbwegs wieder beruhigt habe. Doch als wir schließlich mit frisch aufgebrühtem Tee und einem auf der Zunge schmelzenden Schokoladentraum vor dem Kamin sitzen, kann ich wieder normal atmen. Die Fragen stolpern allerdings nach wie vor ungeordnet durch meinen Kopf. Wo ich anfangen soll, weiß ich immer noch nicht.

Cleo sieht mich vorsichtig von der Seite an. „Dir geht’s beschissen, oder?“
„Das wäre noch geprahlt.“
Ihre bernsteinfarbenen Katzenaugen schimmern mitfühlend. „Wie fühlst du dich? Ich meine: körperlich?“
Ich zucke hilflos mit den Achseln. „Kann ich gar nicht genau sagen. Ich weiß nämlich nicht mal, was von meinen Symptomen wirklich real ist. Und was ich mir nur einbilde, weil ich mich ständig selbst belauere. Weiß du, was ich meine?“

Sie nickt. „Für dich ist es schwieriger als für jeden von uns. Wir sind so geboren, weißt du? Also sind wir daran gewöhnt, noch eine zweite Natur zu haben. Der Luchs ist ein Teil von mir, und ich hatte nie Grund, ihm zu misstrauen. Aber für dich muss es ja sein, als hätte irgendwas Fremdes die Kontrolle über dich übernommen.“
Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. „Ganz genau! Und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich damit klarkommen soll.“

Erst stockend, dann über meine eigenen Worte stolpernd, berichte ich ihr, was ich vorhin erlebt habe. Die erotischen Tagträume… die Glutströme… die Federchen…
Ich greife nach ihrer Hand. „Was bedeutet das alles?“, frage ich verzweifelt. „Wie soll ich damit leben? Kann ich das irgendwie… in geordnete Bahnen lenken?“ Schon lese ich in ihrem Gesicht, dass mich ihre Antwort enttäuschen wird.

„Leider kann ich dir das auch nicht sagen. Du wirst es ausprobieren müssen. Denn ich kenne sonst keinen Menschen, der die Verwandlung auf diese Art durchgemacht hat. Vielleicht gibt es heutzutage gar niemanden mehr. Wir waren ja nicht einmal sicher, ob es überhaupt funktionieren würde.“
„Ach! Aber trotzdem habt ihr es für richtig gehalten, mich diesem Experiment auszusetzen?“ Ich spüre die Wut in mir aufsteigen. „Ihr habt beschlossen, mich einfach mal nichtsahnend in eine neue Existenz zu werfen? Nur um mehr Macht zu bekommen über eure eigene Verwandlung? Zu so viel Skrupellosigkeit kann man euch wirklich nur beglückwünschen!“

Cleo scheint tatsächlich ein schlechtes Gewissen zu haben. „Es geht hier nicht nur um unsere Macht und unser Privatleben“, sagt sie leise.
„Sondern?“
Ein Schatten zieht über ihr Gesicht. „Es ist zu früh!“, wehrt sie ab. „Ich müsste dir zu viel erklären. Die ganze, lange Geschichte. Und dieses Wissen ist gefährlich. Du bist noch nicht bereit dafür. Ich werde dir alles erzählen, wenn du soweit bist, versprochen. Aber im Moment… kann ich dir nur mein Wort geben, dass es so ist. Kannst du mir so weit vertrauen?“

Will sie mich verarschen? Vertrauen… nach allem, was war? Ich mustere sie stirnrunzelnd. Doch in ihren Zügen sehe ich nichts als echtes Bedauern und… Besorgnis? Angst? Ich bekomme den Ausdruck nicht so recht zu fassen, bevor er wieder verschwindet. Aber seltsamerweise glaube ich ihr. Und ich bin auch keineswegs sicher, ob ich das alles überhaupt hören will. Im Moment habe ich jedenfalls andere Sorgen, als die Motive von Dougal und seinen Komplizen zu ergründen. Ich habe mehr als genug damit zu tun, mich mit den praktischen Konsequenzen ihrer unsäglichen Aktion zu beschäftigen.

„Gut“, knurre ich widerwillig. „Lassen wir das für den Moment. Aber Dougal hätte mich wenigstens vorwarnen können! Damit ich nicht vor meinem eigenen Spiegelbild zu Tode erschrecke.“
„Was hätte er denn sagen sollen? Darf ich bitte mal in dein Bett und dich um ein paar Blutstropfen erleichtern, damit ich mich anschließend nach Belieben in einen Raben verwandeln kann? Es ist für den guten Zweck?
Ich schnaube. „Wenn du es so ausdrückst…“

„Er konnte dich nicht einweihen, Julia! Alle historischen Quellen sagen, dass das Opfer nichts ahnen darf, bevor sein Blut fließt. Sonst funktioniert das alles nicht. Der Mensch bleibt nur ein Mensch. Und der Gestaltwandler ein Sklave des Vollmonds, der keine Macht über seine eigene Verwandlung hat.“
„Mir kommen die Tränen!“

Sie nickt traurig, ohne auf meinen Sarkasmus einzugehen. „Das sollten sie auch, Liebes! Dougal geht es nicht viel besser als dir, glaub mir.“
„Wieso das denn? Er hat doch, was er wollte.“
„Hat er das? Kannst du dir wirklich nicht vorstellen, was in ihm vorgeht?“
„Du meinst, der Herr hat ein schlechtes Gewissen? Das glaube ich wohl kaum! Er hat mir ja sogar geschrieben, dass es ihm nicht leidtut. Stand wortwörtlich so auf dem Zettel, den ich nach dieser dreimal verfluchten Nacht auf meinem Bett gefunden habe!“

„Willst Du ihm das vorwerfen? Der Rausch war noch nicht mal abgeklungen, als er das geschrieben hat. Und die Konsequenzen waren auch für ihn noch nicht absehbar. Für ihn ist es keine Strafe, ein Gestaltwandler zu sein, weißt du? Für mich übrigens auch nicht. Trotzdem hatte ich ihn gewarnt, dass du das möglicherweise anders sehen würdest. Aber er glaubte, das Risiko eingehen zu müssen. Weil es keinen anderen Weg gab.“

... Fortsetzung folgt...

© Kea Ritter, Januar 2024

It´s me!
*********ld63 Frau
8.177 Beiträge
Diese Geschichte ist so spannend und expressiv geschrieben, dass ich nicht mehr aufhören will, zu lesen, liebe @****012! *spitze* Ob daraus vielleicht doch ein neuer Roman wird...? *love4*
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****012 Frau
476 Beiträge
Themenersteller 
Danke, liebe @*********ld63 *love4*! Und danke auch an alle anderen, die mitlesen und mitfiebern! Ich schau einfach mal, wo uns diese Geschichte noch hinträgt - ich glaube, die jetzt laufende 2. Episode wird vermutlich nicht die letztte sein.... *g*
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****012 Frau
476 Beiträge
Themenersteller 
Raven - Episode 2
Kapitel 4

Ihre Stimme ist nur noch ein Raunen, untermalt vom Knacken der Holzscheite im Kamin. Unter anderen Umständen wäre es ein Genuss, ihren Worten zu lauschen. Sich in geheimnisvolle Fantasiewelten tragen zu lassen, während man in seinem sicheren Wohnzimmer sitzt. Fest verankert in der Realität. Mit einem Kuchenteller auf den Knien und einer Tee-Tasse in der Hand kann Gänsehaut ein sehr wohliges Gefühl sein. Solange es sich um die Geschichten und Abenteuer anderer Leute handelt. Wenn man aber selbst zur Protagonistin wird, sieht die Sache anders aus. Dann kann man förmlich zusehen, wie der sichere Schokoladen-Anker dahinschmilzt. Und aus dem dampfenden Getränk scheinen geisterhafte Hände aufzusteigen, die sich einem um den Hals legen wollen. Nichts davon fühlt sich im Entferntesten nach angenehmem Grusel an.

Cleo scheint meine Gedanken zu lesen. „Ich weiß, du würdest am liebsten die Koffer packen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden“, sagt sie eindringlich. „Und ich kann es dir nicht verdenken. Aber ich bitte dich: Rede mit ihm! Es würde euch beiden gut tun. Und er leidet wirklich, das sage ich nicht nur so. Als du jeden Kontakt abgebrochen hast, dachte ich für einen Moment, er würde…“
Sie spricht es nicht aus, aber das ist auch nicht nötig.

„Du musst jetzt nichts entscheiden“, fährt sie sanft fort. „Lass dir ein paar Tage Zeit, denk darüber nach. Frag dich, ob du das Krächzen der Raben für den Rest deines Lebens fürchten willst. Oder ob ihr zusammen einen Weg finden könnt, mit der ganzen Geschichte umzugehen. Kann ich ihm sagen, dass du zumindest dazu bereit bist?“
Ich weiß natürlich, dass sie Recht hat. Den Kopf unter den Flügel zu stecken, hilft nicht. Wir müssen der Sache ins Auge sehen. Und damit leben, irgendwie. Aber kann ich das?
„Gut, ja“, antworte ich zögernd. „Ich überleg‘s mir. Aber versprechen kann ich nichts.“
Die Luchsfrau neben mir erhebt sich elegant aus ihrem Sessel. „Ich danke dir, Liebes! Mehr wollte ich gar nicht. Ich bin nicht nur auf Dougals Seite, weißt Du? Sondern auch auf deiner. Auch wenn du mir das nicht glaubst.“
Seltsamerweise habe ich daran gar keinen Zweifel.

Die folgende Nacht verbringe ich so, wie es zu erwarten war. Schlaflos und in einem ständigen Ringen mit meiner Bettdecke und meinen Gedanken. Ich hadere mit Dougal, mit mir selbst und dem Universum insgesamt. Bade abwechselnd in Wut und Selbstmitleid. Doch als der Morgen dämmert, habe ich genug. Ich bin nicht bereit, mich gedanklich noch länger im Kreis zu drehen und Stück für Stück den Verstand zu verlieren! Ich soll mit Dougal reden? Gut. Dann aber gleich! Ich nehme mir nicht mal die Zeit für ein Frühstück. Werfe mich nur in ein paar warme Klamotten und eile aus der Tür.

Cleo hat mir gesagt, wo ich ihn finden werde. Dort, wo er wohl seit Wochen jede freie Minute verbringt. Um zu trainieren, wie sie es genannt hat.
Der Weg in den Wald kommt mir endlos vor. Und als ich die schicksalhafte Lichtung erreiche, muss ich natürlich an die Halloween-Nacht zurückdenken. Genau hier habe ich damals die Versammlung der Gestaltwandler belauscht. Naiv, wie ich war, hatte ich das für eine gute Idee gehalten. War es definitiv nicht! Aber nun kauere ich schon wieder hinter einem Baumstamm und spähe durchs Gesträuch.

Allerdings ist es heute hell. Und die Wintersonne beleuchtet eine gänzlich andere Szenerie. Der Raureif hat die Äste der Bäume mit einem glitzernden Pelz überzogen. Doch Dougal hat offenbar keinen Sinn für die Postkarten-Schönheit um ihn herum. Soeben hat er dem Stamm einer unschuldigen Eiche einen wütenden Tritt verpasst, nun stapft er mit wehendem Mantel und flatterndem Federkragen über das fahle Gras, als müsse er sich abreagieren.
Ab und zu bleibt er stehen und macht ein paar rätselhafte Bewegungen mit den Armen. Es sieht nicht wie Sport aus, aber auch nicht wie irgendetwas anderes, in dem ich einen Sinn erkennen könnte. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was er da tut. Aber es führt offenbar nicht zum gewünschten Erfolg. Seine finstere Miene lässt keinen anderen Schluss zu. Und der schwarze Federschmuck in seinen Haaren wirkt ein bisschen gerupft.
Ein paar seiner geflügelten Kumpane hocken im Geäst am Rand der Lichtung und scheinen seine Bemühungen mit rabenschwarzem Spott zu überziehen. Er wirft ihnen finstere Blicke zu, würdigt sie aber keiner Antwort.

Leise trete ich näher. „Unstimmigkeiten unter Artgenossen?“, frage ich trocken und deute auf das krächzende Volk. Er hat mich nicht kommen hören. Und ich genieße es, ihn mit meinem unerwarteten Auftauchen ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben. Geschieht ihm recht, nach allem, was war!
Dougal starrt mich einen Moment wortlos an, kämpft offenbar um eine angemessene Reaktion. In dieser Angelegenheit bin ich anscheinend nicht die die Einzige, der es gelegentlich an Worten fehlt. Widerstreitende Gefühle huschen über seine Gesichtszüge. Erleichterung. Freude. Unsicherheit. Angst? So etwas wie Scham? Ich kann nicht alles genau deuten. Aber die meisten seiner Emotionen finde ich in mir selbst wieder. Ja, auch die Freude, verblüffenderweise. Sie hockt ziemlich weit unten im chaotischen Haufen meiner ungeordneten Empfindungen. Aber sie regt sich.

Dougal scheint sie auch gesehen zu haben. Zumindest einen Schatten von ihr. „Artgenossen?“, fragt er mit einem zögernden Lächeln. „Na ja, nicht ganz. Die anderen hier sind keine Gestaltwandler, wenn du das meinst.“
„Nicht?“ Irgendwie beruhigt mich diese Aussage ein wenig.
„Nein. Ganz normale Vögel. Mit ein wenig Erfahrung wirst du den Unterschied rasch erkennen. Sie sind anders als wir. Aber zuverlässige Verbündete. Auch wenn sie einem manchmal den letzten Nerv töten können.“
Er wirft einen leicht missmutigen Blick in die Baumkronen. Die dort versammelte Mannschaft mustert uns mit schräg gelegten Köpfen, hält aber kollektiv den Schnabel. Was mich wundert.
„Äh… verstehen sie, was wir sagen?“, erkundige ich mich vorsichtig.


... Fortsetzung folgt ...

© Kea Ritter, Januar 2024

It´s me!
*********ld63 Frau
8.177 Beiträge
Die beiden Gestaltwandler nähern sich wieder einander an... *tanz* - wie schön, liebe @****012! *love3*

@****012
„Nein. Ganz normale Vögel. Mit ein wenig Erfahrung wirst du den Unterschied rasch erkennen. Sie sind anders als wir. Aber zuverlässige Verbündete. Auch wenn sie einem manchmal den letzten Nerv töten können.“
Er wirft einen leicht missmutigen Blick in die Baumkronen. Die dort versammelte Mannschaft mustert uns mit schräg gelegten Köpfen, hält aber kollektiv den Schnabel. Was mich wundert.
„Äh… verstehen sie, was wir sagen?“, erkundige ich mich vorsichtig.

*hypno* Ich fiebere mit! Lass uns nicht zu lange warten! *ungeduldig* *roseschenk* *bravo*
Profilbild
****012 Frau
476 Beiträge
Themenersteller 
Raven - Episode 2
Kapitel 5

Das eher sachliche Thema scheint uns beiden ein wenig von unserer Befangenheit zu nehmen. „Nicht unbedingt die einzelnen Worte“, erklärt der einzige Teilzeit-Rabe in meiner Bekanntschaft. „Aber wir können miteinander kommunizieren, ja. Es ist nicht so schwierig. Wir haben eine Art… gemeinsame Basis, auf der wir uns verständigen. Du dürftest das übrigens auch können, weißt du? Wenn…“ Er zögert einen Moment. „Wenn du bereit bist, dich darauf einzulassen.“
Bin ich das? Will ich wissen, was in den schwarzen Köpfen da oben vorgeht? Ein Schwarm von Fragen, die ich mir nie gestellt habe, flattert durch meine Gedanken. Es kann einem schwindelig werden davon.

Dougal scheint zu ahnen, was in mir vorgeht. „Du musst ja nicht jetzt gleich damit anfangen“, sagt er ruhig. Und wie aufs Stichwort erhebt sich die ganze Bande in die Luft, dreht noch eine Runde über der Lichtung und verschwindet.
„Hast du sie weggeschickt?“, frage ich verblüfft.
Er zuckt mit den Achseln, zeigt einen Anflug seiner alten Nonchalance. „Ich wundere mich selbst, dass sie auf mich gehört haben. Eigentlich ist das ein extrem neugieriges Volk. Aber manchmal auch einfühlsamer, als man denkt.“

Damit lässt er sich auf einem umgestürzten Baumstamm nieder und stochert mit einem Stock in der Erde. So ganz wohl scheint ihm tatsächlich nicht zu sein. Bis vor kurzem hat er mir gegenüber nie einen auch nur halbwegs nervösen oder befangenen Eindruck gemacht. Jetzt aber… Die Stille, die sich zwischen uns ausgebreitet hat, wird dichter.

„Ich bin wirklich froh, dass du gekommen bist“, sagt er schließlich. „Wir müssen reden. Wo… wollen wir anfangen?“
Gute Frage. In den letzten Minuten habe ich mich durchaus nicht unwohl gefühlt in seiner Gesellschaft. Aber da lauert so vieles unter der Oberfläche… Ich glaube nicht, dass wir heute auch nur am Rand all dessen kratzen können, was zwischen uns steht. Und einem großen emotionalen Drama fühle ich mich gerade auch nicht gewachsen. Vielleicht sollten wir es langsam angehen lassen. Und erstmal versuchen, ein halbwegs normales Gespräch zu führen.

„Was hast du hier gemacht?“, erkundige ich mich also. „Cleo sagt, du trainierst?“
Ich habe nach einem unverfänglichen Thema gesucht, stattdessen aber offenbar in ein Becken mit Piranhas gegriffen.
„Ich versuche, die verdammte Verwandlung zu kontrollieren“, sagt er mit gepresster Stimme und sturmumwölkter Miene.
„Und… es klappt nicht?“
Er schüttelt den Kopf. „Ich habe keinen besseren Zugriff auf meine andere Gestalt als vorher. Bei Vollmond findet der Übergang ganz von selbst statt. Und irgendwann verblasst mein innerer Rabe dann wieder. Gezielt beschwören oder verbannen kann ich ihn aber nicht.“

„Dann war also alles umsonst?“ Ich verstehe seine Frustration. Und was meine eigene angeht: Die Vorstellung, dass ich ein vollkommen sinnloses Opfer gebracht habe, macht die Sache für mich auch nicht gerade leichter.
„Vielleicht hast du irgendwas übersehen?“, schlage ich vor. „Irgendeine Kleinigkeit, die noch fehlt?“
Er hebt ratlos die Schultern. „Jede Idee ist willkommen, Julia.“
Damit kann ich nun allerdings nicht dienen. Wer von uns ist hier schließlich der Experte? Ich selbst kann in Sachen Gestaltwandeln ungefähr so viel Kompetenz vorweisen wie ein Fisch beim Jodeln. Seufzend setze ich mich neben Dougal auf den Stamm.

Es ist gut auszuhalten in der Wintersonne, die tatsächlich schon ein wenig Kraft entwickelt. Für eine Weile hängen wir beide unseren Gedanken nach. Das Schweigen hockt zwischen uns wie ein müde gewordener Gast. Es fühlt sich nicht einmal unangenehm an. Aber wenn man überlegt, was wir vor ein paar Wochen für ein sexuelles Feuerwerk abgebrannt haben…

Ob er auch daran denkt? Will ICH überhaupt daran denken? Vorsichtig umkreise ich meine Erinnerungen. Doch so oft die Halloween-Nacht seither durch meine erotischen Träume gegeistert ist: Im Moment scheint sie mir so weit entfernt wie ein anderes Zeitalter. Der Schatten einer Welt, die schon nicht mehr ganz real ist. Unsere Ekstase hat sich irgendwo in einem Berg Probleme verkrochen und hält Winterschlaf. Die Lava-Ströme fließen irgendwo anders, außerhalb meiner Reichweite. Ich finde im Moment keinen Zugriff, kann sie ganz sicher nicht lenken…

Der Gedanke springt mir mit solcher Wucht ins Genick, dass ich für einen Moment die Augen schließen muss. Was, wenn es das ist? Das Quäntchen Macht, das noch fehlt? Sex kann doch eine Naturgewalt sein, oder nicht? Eine beinahe unerschöpfliche Energiequelle… Ich habe doch selbst gesehen, was passieren kann, wenn man sie anzapft: Meine erotischen Fantasien über die Halloween-Nacht, die schwarzen Federchen auf meiner Hand…

Ich habe nur nicht weit genug gedacht! Habe fälschlicherweise angenommen, dass der Effekt nur mich betrifft. Weil ich in einer psychischen Ausnahmesituation bin. Da kann starke Erregung zu leicht eine Krise auslösen, die meinem Alltag ein Bein stellt. Was aber, wenn es gar nicht nur um mich geht? Sondern um alle, deren animalische Natur stark genug ist, um die Seiten zu wechseln? Vielleicht haben die Gestaltwandler der alten Zeiten genau diese Energiequelle genutzt, um nach Belieben vom Menschen zum Tier zu werden? Und ihre modernen Nachfahren…

Fieberhaft füge ich eine Idee an die nächste. Vielleicht ist das ihr Geheimnis, das so lange verschüttet war! Ihnen fehlt nur der letzte, bewusste Zugriff auf die Lavaströme. Dieses alte Wissen mag verlorengegangen sein im Laufe der Jahrhunderte. Aber ich könnte mir plötzlich gut vorstellen, dass es sich wiederfinden lässt.
Denn wenn meine Theorie stimmt, sind sie noch das, was sie immer waren: Männer und Frauen, die sich nicht so weit von ihren tierischen Ursprüngen entfernt haben wie andere Menschen. Die eine besonders starke Libido besitzen. Einen Hang zum Hedonismus. Spezielle Fantasien und Gelüste. Eine animalische Seite… Unwillkürlich muss ich lächeln. Bei Cleo und Alina kann ich mir das durchaus vorstellen. Bei Dougal sowieso. Und was die anderen angeht…


... Fortsetzung folgt ...

© Kea Ritter, Januar 2024

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Raven - Episode 2
Kapitel 6

„Was weißt du eigentlich über Frederics Sexleben?“, platze ich heraus.
Manchmal vergesse ich, dass nicht jeder meine wilden Gedankensprünge nachvollziehen kann. Dougal muss denken, ich hätte den Verstand verloren! Entsprechend irritiert schaut er mich an.
„Ehrlich gesagt steht das auf der Liste meiner größten Interessen nicht gerade an erster Stelle“, sagt er trocken.
„Das sollte es aber!“

Ich kann nicht anders, als ihm meine steilen Theorien haarklein zu unterbreiten. Mit etwas mehr Überzeugung, als ich tatsächlich empfinde.

Zu meiner Überraschung lacht er mich nicht aus. Ich sehe, wie er die Gedanken und Argumente hin und her wendet. Sie auf Materialfehler, Schwächen und Risse prüft wie ein Statiker eine einsturzgefährdete Brücke. Schließlich grinst er mit einem Anflug seiner alten Unverfrorenheit.
„Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll!“, sagt er kopfschüttelnd.
„Dass ich genial bin?“, schlage ich vor.
„Oder dass das die kurioseste Anmache ist, die ich je gehört habe?“
Ich boxe ihn leicht auf den Arm. „Bild dir bloß nichts ein!“

Er fängt meine Faust ein und umschließt sie mit den Fingern. Unsere Blicke treffen sich ein paar Atemzüge lang. Wortlos. Mehr braucht es nicht. Wir spüren es beide. Ich weiß nicht, ob es irgendwas mit Raben und Verwandlungen zu tun hat. Ganz sicher aber mit Magie. Mit dem rauen Zauber von erotischem Magnetismus.
Die erste Welle reißt uns auf die Füße, um uns gleich darauf schon wieder ins Taumeln zu bringen. Wir können unserem Gleichgewichtssinn nicht unbedingt trauen. Der Wucht unserer Empfindungen aber umso mehr.

Unsere Körper stellen sich die ersten Fragen. Keine über die Zukunft oder die Vergangenheit oder die Unsicherheiten unserer Existenz. Im Moment zählt das alles nicht. So wenig wie die Stimmen schwarzer Vögel in der Ferne. Wichtig ist die Hand, die sich in meinen Haaren vergräbt. Die Bewegung meiner Beine, die diesen Mann umschlingen wollen. Die Botschaft eines Kusses, der schon nichts Kultiviertes mehr hat. Roh wie vom Anbeginn der Zeit. Die frostglitzernde Lichtung wird zur Bühne eines Schauspiels, das so alt ist wie die Menschheit. Eine Inszenierung aus Reif und Glut.

Ja, es ist völlig absurd, sich an einem Wintertag die Klamotten vom Leib zu reißen. Aber wen interessiert das jetzt noch? Unser Atem geht stoßweise und malt helle Wolken in die Winterluft. Tanzende Dampfgespenster, die von Sex und Hitze leben. Die Geister, die wir beschworen haben, werden wir jetzt sicher nicht mehr los. Und genau so soll es sein. Ich würde gern „Fick mich!“ sagen. Nein, nicht sagen: Knurren! Stöhnen! Krächzen? Aber für Worte ist es längst zu spät.

Dougal drängt mich gegen den Stamm einer Eiche, die schon seit Jahrhunderten hier steht. Sein Schwanz ragt kompromisslos in den Winter-Nachmittag und lässt keine Fragen offen. Keine Spur mehr von Unsicherheit in seinen Bewegungen. Und auch ich fühle mich endlich wieder als Herrin über meinen eigenen Körper. Die Eiche drückt mir mit hölzernen Fingern ein Muster auf den Rücken. Ein Symbol ihrer Stärke. Seltsamerweise ermutigt mich das. Es gibt keinen Grund mehr, mich im Zaum zu halten.

Auch ich habe diese Situation mit heraufbeschworen. Und ich habe keine Angst mehr vor Naturgewalten. Ganz im Gegenteil: Welche Enttäuschung, wenn sie jetzt wieder in den Schlummer zurück sänken, aus dem wir sie gerade zu wecken beginnen! Doch das ist wohl nicht zu befürchten. Ich sehe, wie die Geilheit Anlauf nimmt. Kein Zurück mehr jetzt! Die Rabenfedern in Dougals Haaren schimmern im Sonnenlicht. Zwei Nuancen von Schwarz, die sich erstaunlich ähnlich sehen. Ähnlicher, als ich gedacht hätte. Sie scheinen miteinander zu verschwimmen. Die Lust ist wohl schon dabei, mir die Sicht zu vernebeln.

Dunkle Wolken und feurige Schlieren wabern durch mein Blickfeld. Ich spüre, wie die Lava in Bewegung gerät. Glutflüssige Ströme, die sich durch unsere Körper zu wälzen beginnen. Ich kralle die Hände in die Schultern des Reisegefährten, der dieses Abenteuer mit mir teilt. Schlinge die Beine um seine Hüften. Er dringt mit einem Stoß in mich ein, der mich mitten ins Herz trifft. Ich öffne die Lippen, doch kein Lustschrei kommt aus meiner Kehle. Seltsam... Ich bin doch nie still, wenn ich richtig erregt bin! Aber jetzt… Während in meinem Kopf das Universum zu explodieren scheint, bleibt es auf der Lichtung verdächtig ruhig. Kein Laut von Dougal. Kein Laut von mir. Unendliche Stille…

Irgendwo hinter diesem Schweigen aber nehme ich plötzlich etwas Neues wahr. Den Ruf eines Elements, das ich so noch nicht kenne. Ich muss gar nicht überlegen, ob ich ihm folgen kann. Meine unerprobten Instinkte… sind sie das? Ist es dieses Wissen, das Dougal mir eingepflanzt hat in jener Nacht? Welch ein Geschenk…

Spielerisch spreize ich die Arme. Ein grandioses Gefühl! Ein Lufthauch streift durch meine Federn: Wie ein Streicheln! Es rauscht in meinen Ohren. Ich spüre Wind unter den Flügeln, der mich tragen wird… Meine Füße berühren den Boden nicht mehr! Es geht rasant nach oben… überraschend schnell. Ich sehe die Welt aus einer ganz anderen Perspektive! Und dann ist auch die Akustik zurück. Die Stille zersplittert in tausend Scherben. Zertrümmert von den lauten Stimmen zweier Raben über der jetzt menschenleeren Lichtung. Es klingt wie eine Feier des Lebens: Übermütig. Wild. Ungezähmt. Und voller Magie.


ENDE (der 2. Episode *zwinker*)

© Kea Ritter, Januar 2024
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