„Leben ohne Erwartungshaltung?
Ich beschäftige mich momentan mit dem Thema Erwartungen. Erwartungen an andere und an mich selbst und ob keine Erwartungen zu haben, das Leben einfacher machen würde?
Ist es richtig, irgendwann zu sagen: „Erwarte nichts, um nicht enttäuscht zu werden?“ Mir ist aufgefallen, dass ich bei anderen großzügiger bin, was zum Beispiel Fehler anbelangt, sie sind menschlich und oft wird aus ihnen gelernt, doch bei mir selber habe ich höhere Ansprüche.
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Entgegen Deinem folgenden, späteren Beitrag...
„Ziele sind für mich nicht mit Erwartungen verbunden, denn das heißt für mich, das ich erwarte sie zu erreiche.
Ich kann mein Bestes dafür geben, mir aber auch zugestehen zu scheitern.
... sehe ich Erwartungen und Ziele sehr eng miteinander verbunden.
Ein Teil des Themas war in meinem ersten eigenen Thread
Erfahrungsaustausch: Gelassenheit bei Beziehungswunsch auch schon ein Thema.
Ein Leben ohne jegliche Erwartungshaltung gibt es für mich nicht. Denn dann gibt es keine Ziele, keinen Antrieb - und auch keinen Erfolg. Das Problem mit den Erwartungshaltungen sehe ich nicht darin, dass es Erwartungshaltung bzw. Erwartungen gibt, sondern welche das sind. Genau das macht für mich den großen Unterschied aus.
• Welche Erwartungen habe ich
• Wie gehe ich mit meinen Erwartungen um?
• Was mache ich von meinen Erwartungen und dem Abgleich mit dem Erfolg oder Misserfolg abhängig?
• Wie sehr lasse ich mich von nicht erfüllten Erwartungen beeinflussen und herunterziehen?
• Mache ich mir mein Leben durch manche Erwartungen selbst unnötig schwer?
• Von welchen Erwartungen will ich mich nicht trennen, weil sie grundsätzlich bzw. unbedingt notwendig sind?
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Ist es wirklich erstrebenswert, perfekt sein zu wollen?
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Bei dem Umgang mit Erwartungen hilft es meiner Meinung nach, sich genau zu überlegen, wo es wichtig oder sehr hilfreich ist, nicht all zu weit weg von einer Perfektion zu sein und wo man sich andererseits mit Perfektion nur das Leben unnötig schwer macht. Perfektion wirklich zu erreichen ist vielleicht ein Ziel, aber selten umzusetzen. (Abgesehen davon, dass das, was man für perfekt hält, von unterschiedlichen Menschen und vielleicht auch zu unterschiedlichen Zeiten voneinander abweichen kann.)
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Oder kann es sein, dass schlechte Laune, Lustlosigkeit, Stress und Enttäuschung aus dieser hohen Anspruchshaltung an sich selbst resultieren?
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Meine Meinung ist, dass man sich mit Erwartungen das eigene Leben (und nicht nur das) schon massiv "versauen" kann.
Indem man (für einen selbst oder grundsätzlich) nicht erreichbaren Zielen hinterherläuft. Indem man andere Menschen unter Druck setzt, nur um seine mit den Erwartungen verbundenen Ziele zu erreichen. Indem man mit etwas beschäftigt oder auf etwas konzentriert ist, was einen nicht weiterbringt und damit Zeit und Kraft für andere, erreichbare Ziele nimmt.
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Die Erwartungshaltung bringt mit sich, dass bei Eintreffen des Unerwarteten, Enttäuschung folgt, Unzufriedenheit, Zweifel an den eigenen Fähigkeiten. Erwartungen haben zwei Gesichter. Gewisse Erwartungen an das Leben sind wichtig. Sie geben Orientierung, sorgen für eine gewisse Verlässlichkeit. Niemand ist in der Lage, sich jeden Tag auf Neues einzustellen.
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Ja, nicht erreichte Erwartungen können die beschriebenen Folgen haben.
Manchmal hilft es auch zwischen (scheinbaren) Selbstverständlichkeiten und oft eintretenden Möglichkeiten zu unterscheiden. Von Zielen, von denen bei mir viel abhängt, werden ich meine Erwartungen trotzdem nicht lösen, weil sie für mein Leben notwendig sind. Hier geht es meiner Meinung nach aber eher um die Erwartungen, die nicht mit lebensnotwendigen Zielen zu tun haben. Da hilft hinterfragen und Lockerheit oft ein gutes Stück weiter.
Für mich ist da auch mein Nickname sozusagen Programm.
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Dennoch, wie wäre es, die Erwartungen fallen zu lassen, sich von ihnen zu befreien, weil sie wenig mehr können als Glück, Freude und Neugier Fesseln anzulegen?
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Hier ist es eben wichtig zu unterscheiden, was notwendig ist und was eher im Bereich "möchte ich haben" / "gefällt mir" / "fühlt sich gut an" / "erscheint mir erstrebenswert" usw. fällt.
Lockerheit oder gar loslassen kann bei nicht grundsätzlichen, lebensnotwendigen Zielen befreiend wirken, das eigene Wohlbefinden stärken, Gelassenheit bringen, Kraft übriglassen und Raum für Neues bieten.
Was jeweils dazu zählt kann und wird aber - zumindest stellenweise - so individuell sein, wie jeder Mensch selbst.
Deshalb kann ich dem nachfolgend zitierten nicht zustimmen:
„...wie langweilig wäre das?
Keine Erwartung an die Menscheb oder mich - keine Ziele - keine Weiterentwicklung?
Ganz sicher nicht! Ich erwarte von anderen viel und nur das, was ich selber auch leisten kann. Die einen nennen es Enttäuschungen, ich nenne es Lebensentwicklung und das gehört nun mal dazu.
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Langweilig wird es meiner Meinung nach nur dann, wenn man sich beim Trennen zwischen (unbedingt) notwendigen Zielen und Erwartungen einerseits und gewollten - aber nicht notwendigen Zielen und Erwartungen andererseits verzettelt.
Wenn man dabei ggf. vergisst oder übersieht, das die Wahl auch zum eigenen Leben und zu den eigenen Möglichkeiten passen sollte.
Wenn ich mich von nicht notwendigen Erwartungen lossage, behindere ich nicht meine Weiterentwicklung. Im Gegenteil: Ich befreie mich von Zwängen und eigenen Ausrichtungen, die mich nicht (richtig) weiterbringen und kann andere, neue Wege und Verhaltensweisen finden, dir mir helfen, die mir gut tun, die mich weiterbringen.
Ich muss mir nicht Enttäuschungen zumuten, die ich durchaus schon vorher hätte vermeiden können, ohne mich dabei selbst zu behindern oder unnötig einzuschränken. Es kommt ja immer noch darauf an, von welchen Erwartungen man sich trennt. Langweilig wird es erst dann, wenn das Trennen von Erwartungen zu einem leeren Raum führt und eher Verlustgefühle hinterlässt. Wenn das, was durch die abgelegten Erwartungen möglich wird, nicht in de Blick kommt oder nicht richtig zählt, nicht als Möglichkeit und Grundlage für anderes angesehen wird.
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Wie seht ihr das? Bedeutet ein Leben ohne Erwartungen, nicht eher die Realität zu akzeptieren, wie sie ist und damit auch die Menschen so zu nehmen, wie sie sind, auch mich selbst? Niemand müsste mehr so sein, wie die eigene Vorstellung meinst, dass es sein sollte? Enttäuschung, Frustration und Verärgerung wird der Boden genommen?
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Zum Einen ist es immer erst mal eine Grundlage, die Realität zu akzeptieren. Die Frage ist dann allerdings, wie man auf diese erlebte Realität reagiert. Welche Reaktionsmöglichkeiten an sieht, welche Gestaltungsmöglichkeiten man findet. Wiel man es sich gut erlebbar gestalten kann.
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Auf Joy bezogen, versuche ich auch keine Erwartungen zu haben, noch zu erwarten, dass das Profil gelesen wird, oder darauf Bezug genommen wird. Nicht zu erwarten, dass ein entsprechendes Anschreiben erfolgt und nicht zu erwarten, dass der andere nichts erwarten darf.
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Wenn ich hier mit der Erwartung wäre, schnell das passende Gegenüber zu finden, wäre es für mich wohl besser, mich gleich heute abzumelden. Statt dessen lasse ich da auf mich zukommen, was passiert und entscheide dann, ob es für mich und vermutlich auch für das Gegenüber gut ist. Das macht für mich das Leben leichter - viel leichter.
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Wie ist es bei euch? Habt ihr euch schon einmal mit dem Thema Erwartungen beschäftigt? An andere? An euch selbst? Meint ihr, das kann funktionieren keine Erwartungen zu haben? Wie würdet ihr keine Erwartungen zu haben, in Bezug auch auf Joy umsetzen?
Diese Fragen sind hoffentlich durch die vorstehenden Zeilen gut beantwortet.