„Ich rede von den extremen Sachen, die manche ja nach - wie schon erwähnt wurde - in 20 Jahren BDSM Erfahrung entwickelt haben. Macht es euch dann Spaß wieder, oder ab und zu, "sanftere" sessions zu haben? Auch über nen längeren Zeitraum. Oder geben euch diese sanfteren Praktiken keine Reize mehr?
Du unterscheidest hier strikt zwischen Sex und BDSM, sprich normal und extrem, was auch immer das sein mag. Diesen Ansatz halte ich fürs Verständnis fragwürdig wie problematisch, da sich so kaum eine Annäherung finden lässt. Man muss dass differenzierter betrachten.
Zunächst mal ist BDSM ein sehr weites Feld, wie jede andere Art der Sexualität auch. Klare Abgrenzungen sind seltener als eine Vermischung. Hinzu kommt, dass BDSM heute(!) primär als eine Erweiterung der Sexualität betrachtet wird, eine Vorliebe die folgerichtig optional ist. Heißt- wer BDSM so betrachtet, bedient sich daran optional nach Lust und Laune und hat sonst auch ganz normalen Sex (was auch immer das ist.) Oder es findet beides in einer individuellen Vermischung statt. Also eine Session in der auch gevögelt wird, ums mal so zu sagen. Das kann man variieren wie man will.
Eine Abgrenzung zu einer "normalen" Sexualität findet nur dann statt, wenn man BDSM nicht als opt. Vorliebe sondern als eine Devianz betrachtet. Also eine definierte Abweichung von der Norm. Das bedeutet erst mal nur, dass die Sexualität als eine andere(!) empfunden sowie dann auch ausgelebt wird. Im weiteren Sinne bedeutet das aber auch, dass sich der Fokus bzgl. sex. Handlungen und Praktiken auch mehr oder weniger in den Bereich dieser Devianz verschiebt. All das bedeutet aber nicht, dass irgendwas davon "extrem" wäre oder sein muss, sondern lediglich andere Reize und Wahrnehmungen angesprochen werden. BDSM heißt also nicht auch gleich automatisch Hardcore. Wahr ist nur, dass BDSM von aussen betrachtet durchaus als extrem wahrgenommen werden kann, im inneren aber wohlig und innig empfunden wird. Ob der Devianz ist BDSM aber anders-artig, nicht gleich abartig.
Es gibt wohl kaum ein berühmteres Klischee als: BDSMer ficken nicht!
Da ist durchaus was dran, da sich durch die Devianz der Fokus eben auf andere Reize, Empfindungen, Praktiken wie Handlungen verschiebt und das altbewährte ficken ins Hintertreffen gerät. Ich selbst kann das bestätigen, dass ficken mir nichts mehr gibt. Das heißt nicht dass es das ab und zu mal nicht trotzdem noch gibt, aber das ergibt sich situativ und ist mir Beiwerk. Im Umkehrschluss heißt das aber nicht, dass ich nun stattdessen Extreme bräuchte, wohl aber eben auf mir wohlfeilere Praktiken setze. Im Klartext:
Als ich 20 war, kannte ich nur ficken, meine Neigung hatte noch keinen Namen. Nachdem ich wusste dass meine Neigung BDSM ist, liegt logischerweise hierin meine Befriedigung. Es braucht also nix "extremes" aber eben BDSM-mäßiges, denn meine Sexualität war und ist halt so.
Und es ist auch eine Mär, dass BDSMer eben auch nur den Hardcore-Kram brauchen um so etwas zu empfinden. Denn immer dann wenn BDSM als Erweiterung der Sexualität verstanden wird, wird ein wesentlicher Bestandteil geflissentlich unterm Teppich gekehrt- Das D/s, also Dominance & Submission. Das ist die zwischenmenschliche wie mentale Komponente, die ein ebenso weites Feld darstellt. So kann ich mit Recht und Fug behaupten, dass nur eine devote Frau in der Lage ist mir so viel Nähe zu geben wie ich sie brauche. Da dies aber nun mal ihre Neigung ist, ist daran auch nichts extremes sondern schlicht das komplementäre.
All diese Komponenten im BDSM, physisch wie psychisch, können auch so sanft und rührend sein, dass man sie nur anhand der Neigung verspüren kann, jemand ohne diese Devianz würde es gar nicht wahrnehmen. Man muss hier weder Extreme vermuten noch an Folterszenarien denken, wenn es sich um das Empfinden im BDSM geht. Auch und gerade dann nicht, wenn es sich um 24/7 oder auch TPE geht. Es ist schlichtweg anders und stellt auch hier eine Erfüllung dar- keine Enteignung.
Es ist also schwierig bis unseriös, BDSM ausschließlich unter dem Aspekt der Sexualität, entsprechenden Praktiken sowie Einordnungen (wie extrem) zu betrachten als auch zu verstehen. Denn der Grat zum Fetischismus bis zur Störung ist hier nicht weit. Auch das findet sich im BDSM, ist aber kein definiertes Merkmal dessen.
Mein BDSM würde ich als anspruchsvoll bis herausfordernd bezeichnen, extrem eher selten. Und ich betrachte nichts davon als eine Art Ersatzhandlung gegenüber einer normalen Sexualität, denn das ist meine normale Sexualität. Küssen, kuscheln, Petting gehören mir nach wie vor dazu, am liebsten den ganzen Tag. Und nein, ich will und muss das nicht zu irgendeinem Abschluss bringen oder gar in Extreme führen.
Seitdem ich BDSM auslebe (seit ~25J) hat sexuelle Befriedigung für mich ohnehin einen anderen Stellenwert. Ficken und kommen bedeutet mir gar nichts mehr. 24/7 mit ihr zusammen unsere Neigung zu genießen umso mehr. Diese Erfüllung steht für mich im Vordergrund, das ist meine Befriedigung. Wenn ich das den ganzen Tag haben kann, bin ich damit auch restlos bedient und glücklich. Es reicht allein das Gefühl zu wissen dass es so ist. Es ist also primär eine Gefühlswelt und keine Sammlung von sex. Praktiken.