Die ganz kurze Beschreibung: Kontraktion und Expansion.
Oder so…
Wie das Universum, dass sich wellenartig zusammenzieht, auf einen einzelnen Punkt konzentrierte Energie, die sich in einer galaktischen Explosion entlädt und neue Galxien gebiert.
Ein kosmischer Urknall, gleichzeitig ganz in und doch vollkommen außer mir. Kein Müssen, kein Wollen, pures reines Sein.
Wie ein sich stetig verengender Tunnel, durch den ich fliege, geflogen werde, bis es mich hinauskatalputiert in einen unmöglichen Raum ohne Grenzen, wo gleichzeitig die Sonne mich wärmt und Regentropfen auf meiner Haut kribbeln, wo Wellen an eine Steilküste branden und Schmetterlinge über eine Blumenwiese tanzen, in einem ewigen Moment.
Und ich schaue wie ein staunendes Kind und spüre: Ich bin.
Manchmal fließen dann stumme Tränen der Glückseeligkeit, oder unkontrollierbare Energiegewitter toben durch meine Synapsen, lassen mich noch nach 20 Minuten unwillkürlich Zucken und auch Lachanfälle sind schon vorgekommen.
So in etwa erlebe ich - wie soll ich es ausdrücken - „ganzheitliche“ Orgasmen. Das interessante dabei ist vielleicht der Weg dahin.
Vor vielen Jahren, inspiriert durch ein Tantraseminar, begann ich, Atmung und Körperspannung beim Sex bewusster wahr- und darauf Einfluss zu nehmen. Dabei bemerkte ich, dass die Intensität meiner Orgasmen zunahm, wenn meine Körperspannung im Vorfeld reduziert war. Und das galt sowohl für die rein körperliche, als auch auf mental-emotionaler Ebene.
Meine Mitmänner werden das kennen: Beim penetrativen Sex (und nicht nur da) neigen wir je nach Stellung dazu, die Oberschenkel-, Bauch- und Gesäßmuskulatur stark anzuspannen. Bei mir führt das dann eher zu einem körperlichen Orgasmus, der sich auch überwiegend in dieser Region abspielt.
Es geht aber auch anders, denn weder für die Bewegungen, noch für die Intensität braucht es diese zentrierte Anspannung. Für mich war das eine sehr überraschende Erkenntnis, umso mehr, da ich Orgasmen mehr und mehr als Ganzkörperereignis empfand.
Mit der Atmung verhält es sich ähnlich, beziehungsweise fördert, respektive ermöglicht sie An- oder Entspannung. Das Anhalten der Atmung bewirkt bei mir mehr Anspannung und - was in diesem Zusammenhang zunächst paradox erscheinen mag - beschleunigt oder ermöglicht scheinbar den Orgasmus.
Irgendwo habe ich mal gelesen, dass das „Sternchen sehen“ beim Erklimmen des Gipfels mit einer Sauerstoffuntersättigung des Hirns zusammenhängen kann. Logisch, wenn nicht geatmet wird.
Ich fing also an, auf meine Atmung zu achten, sie imaginär durch den ganzen Körper fließen zu lassen. Das fühlte sich zunächst vollkommen fremd und ungewohnt an, war mehr Orgasmusbremse als alles andere, denn der „erlernte“ Mechanismus aus körperlicher Anspannung und Entladung wurde ausgehebelt.
Aber mit ein wenig Übung (und viel üben kann in dem Zusammenhang ja durchaus auch Spaßfaktor sein) öffneten sich Türen, von denen ich vorher gar nicht wusste, dass es sie gibt.
Das Grundkonzept Kontraktion - Expansion ist nach wie vor gegeben. Es läuft nur auf einer weiteren, anderen oder zusätzlichen Ebene ab. Kann das schwer in Worte fassen.
Mag sein, dass sich das für einige wie esoterisches Geschwurbel anhört. Allen anderen sei versichert: Es braucht keine 3-jährige Ausbildung in Orgasmus-Atemtechnik und progressiver Muskelentspannung. Es ist nur eine kleine Veränderung, eine leicht geschärfte Selbstwahrnehmung. Mehr braucht es gar nicht.
Abschließend sei gesagt, dass ich diese Form weder immer erleben kann, noch will (ich spreche explizit nicht von Qualität). Vielleicht ein schräges Bild, aber ich möchte auch nicht jeden Tag das 10-Gänge-Menu mit Weinbegleitung im 3-Sterne Restaurant essen. Manchmal ist die Pommesbude genau das, was ich gerade brauche. Das eine ist nicht besser als das andere, sondern nur das: Anders.
Und ganz am Schluss noch eine Leseempfehlung, wenn es um die Beschreibung von Lust geht: D. H. Lawrence, „Lady Chatterly“. Heute so aktuell, wie vor 100 Jahren, Sprache voller zarter Direktheit.