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Lana und Beppino

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Lana und Lara, Cornelia und Luigiana
I.
Ohne erkennbaren Übergang, quasi buchstäblich über Nacht, als Angriff auf alle Sinne ist scheinbar der Frühling die Appennini heruntergestürzt. Nach unruhiger Nacht ist Lana wie erschlagen und öffnet die Klappe an der Terrassentür und prallt zurück: Eine bezaubernd milde, betörend duftende, von lauer Luft liebkoste Wand wirft sie zurück in den Raum! Wie kann bloße Luft nur so federnd, leicht und behutsam temperiert sein, fragt sie sich?
Ein Fluidum aus atmosphärischer Schönheit überflutet sie vollständig und dringt unaufhaltsam in sie ein. Gefahrlos. Lautlos. Sanft. Voller Vertrauen. So etwas kennt sie noch nicht einmal vom Hörensagen und ist bar jeder ihrer bisherigen Erfahrungen.
Sie wird in das hohe Zimmer zurückgestoßen und ist ganz und gar erschüttert. Ja, bis in ihr Mark. Hitze und Frost suchen sie gleichzeitig heim. Ein Fieber schüttelt sie. Allerdings kann sie dieses Phänomen, diese Magie, von denen sie in diesem Moment so total durcheinander gebracht wird, noch nicht eindeutig als Liebe einordnen und nennt es der Einfachheit halber "Frühling".
Benommen schaut sie die langen Bücherreihen mit den italienischen und lateinischen Klassikern entlang, als befände sie sich unter Wasser. Geräusche werden gedehnt und verschwommen, Farben und Konturen verwischen miteinander als sie unschlüssig vor den verstaubten Schmöckern stehenbleibt. All diese in Buchstaben gebündelte Weisheit riecht so seltsam trocken, als ihr Blick bei Bion dem Borysthemiten ruhen bleibt.

Durch die Lande ziehend, begegnete Frau Armut einem Menschen, der weinte und sich darüber beklagte, daß er alle seine Güter verloren hatte.
"O Mensch", hielt sie ihm vor, "worüber beklagst du dich? Habe ich dir etwa die wahren Güter genommen? Die Besonnenheit? Den Gerechtigkeitssinn? Den Mut? Mangelt es dir irgend etwas Notwendigem? Schau dich um! Wachsen nicht Ackerbohnen am Wege, sprudeln die Quellen nich reichlich von frischem Wasser?"

"Ach, wenn es das nur wäre", schluchzt Lana in sich hinein. Ihr fehlt Beppino. Ihr fehlt das Allernotwendigste. Was weiß da schon dieser Bion!? Welches von allen diesen Büchern kann ihr helfen? Wo sollte sie suchen?
Ist es doch ein Schmerz, ein unbekannter, der schwer und bleiern auf ihrer Brust lastet. Ein Verlust, ein Heimweh, ohne das sie etwas verloren hätte und ein Heim hat sie ja hier auch noch ... und trotzdem.
"Lana! Reiß dich zusammen!", mahnt sie sich und zwingt sich zu Klarheit. "Was genau stimmt nicht?" Aber als Antwort kehren ihre Gedanken immer nur zu Beppino zurück und umschwirren sein vages Bild wie Mücken ein Licht in der Dunkelheit. Sie fühlt sich, als sei sie innerlich leergefegt, als hätte jemand ihr Herz herausgerissen, obwohl es doch gerade ihr Herz ist, das so furchtbar weh tut. "Doch ist es mein Herz", stochert sie unerbittlich weiter? Nein, es ist mehr. Es ist, als hätte sie keine Seele mehr. Als hätte sie ihre Seele verlassen und wäre in den Körper von Beppino gewandert und hätte dort eine bleibende Heimat gefunden ... Wie sollte sie da weiter leben können? Weiter ohne Beppino?

Ein Klingeln an der Haustür hindert sie, weiter Trübsal zu blasen. Luigiana, die Schwester von Cornelia kommt zu Besuch und mit ihr Lara, die Schwester von Lana - zwei Schwesterpaare. Die Rettung.
II.
Lara als die ältere der beiden Schwestern spürt bei der Begrüßungsumarmung sofort und instinktiv, was mit ihrer "Sorellina" los ist. Doch wie ihr beistehen auf der Basis eigener Erfahrungen, ohne besserwisserisch und altklug aufzutreten? Was und wie sagen, ohne sie zu verletzen? Wie sie ablenken, ohne sie lächerlich zu machen?

"Glaub' mir, es gibt "sie" nicht wirklich. Nein und nochmals nein. Alles Idealismen, Schönfärbereien und Märchen," fängt sie unvermittelt ohne sich länger über einen geeigneten Einstieg Gedanken zu machen an.
"Doch, es gibt "sie" sehr wohl," insistiert dagegen Lana beinah schon moralisch brüskiert. - Niemand, verdammt noch mal, darf ihr das Recht auf ihre Gefühle abspenstig machen, nicht mal ihre große Schwester!
"Willst du eine?", Lara bietet Lana eine Zigarette an, während sie an der ihren einen tiefen Zug nimmt und voller Verachtung ihr Gesicht verzieht.
"Nee, du. Alles nur leere Worte. Luft. Ohne Substanz. Auch wenn alle Welt so tut, als glaubten sie an ihre Existenz und damit doch nichts anderes machen, als die Illusion zu verewigen."
"Aber es ist keine Einbildung, sie ist real," darauf besteht Lara weiterhin.
"Papperlapapp! Verliebtsein und Geficke sind real. Hormonausschüttungen lassen sich belegen. Schwärmen folglich auch. Einfach weil es in uns ist und wir es spüren. Alles andere ist Einbildung. - Nimm' mich. Also ich bin ja die ganze Zeit am Schwärmen. Das ist das Leben. Und ohne solche Träume wäre das Leben nicht auszuhalten. Keine Realität ohne Utopia! - Obwohl", sie hält einen kurzen Augenblick in ihrem Vortrag inne, "es gibt sicherlich unterschiedliche Formen und Arten der Schwärmerei ... hmmm." Die Dozentin bricht durch und Lana wagt es nicht ihre Schwester zu unterbrechen. "Vordergründig bin ich gewiss eine romantische Schwärmerin. Du weißt schon, Mondschein, Kerzenschein, Strand und gemeinsam unter einer Decke - diese Sachen. Verliebte Textnachrichten, Sinnlichkeiten, geflüsterte Vertraulichkeiten, gehauchte Zärtlichkeiten ... und" ... und sie lächelt verschmitzt ... "und sobald das Pfötchen dann das Höschen sucht, weil's dort so juckt, dann schlägt die sinnliche in die körperlich praktische Schwärmerei um, wenn wir es betulich so nennen wollen - logisch, findest du nicht!?"

Doch sie kommt nicht dazu, die Antwort Lanas, die eine geplante Zustimmung hätte sein müssen, abzuwarten, denn sie wird von Luigiana zwitschernd gerufen:
"Lara, Mäusle, komm' zu Mama, es gibt ein Leckerle!" - Unglaublich, was man sich als reinrassige Golden Retrieverin bieten lassen muss!? Und noch dazu in diesem breiten, alles verschmierenden kalabrischen Dialekt!? - "Aber gut, was macht frau nicht alles, um Mensch glücklich zu sehen. Hol' ich mir halt das "Leckerle" und mach' gute Miene zum an sich traurigen Spiel und geh' in die Ecke auf der Terrasse, wo Luigiana und Cornelia zwischen Mahagoni, Samt und Marmor unter Pinien im Schatten bei Tee sitzen," denkt sich überlegen Lara.

III.
Was ihr allerdings verschlossen bleibt, ist, dass das "Leckerle" ursprünglich von Cornelia gekommen ist, um den ungebremsten Redefluss ihrer Schwester zu unterbrechen. Redet sie doch seit ihrem Erscheinen ohne Punkt und Komma.
Luigiana hat einen Lehrstuhl sowohl für Politikwisschenschaft als auch für VWL und nutzt diese Position unverhohlen, um an der patriarchalen Gesellschaft im Allgemeinen als auch an Studenten im Besonderen für 4000 Jahre kulturgeschichtliche Unterwerfung der Frau Rache zu nehmen. Ja, sie ist eine Kampfemanze. Eine militante.
Pah, nicht nur Conni hat Probleme mit der Ordnungsmacht und nicht wegen dem Hund, sie auch und erst recht und zwar wegen höheren Zielen, höchsten Zielen, um endlich etwas zu ändern und Frauen zum Sieg zu verhelfen!
Als ihr Studentinnen nämlich berichteten, dass sie ihre Haare für ein Praktikum beim hiesigen Edelklamottenfritzen Guccio offen tragen müssen, um der Kundschaft (der männlichen naturgemäß natürlich) zu gefallen - kurzhaarige wurden gar nicht erst genommen - ist ihr die Hutschnur hoch und sie hat, um ein Zeichen gegen diese Art von Sexismus ein öffentliches Mahnmal setzen müssen! Mit einem Pflasterstein. Sie hat mit einem Pflasterstein ein Schaufenster einer der Edelboutiquen kurzerhand eingeworfen. Freilich ist sie dann nicht stiften gegangen, sondern vor Ort demonstrativ stehen geblieben, laut "Haare ab! Haare ab!" skandierend bis die Polizei sie arrestiert hat.

Bei ihrer Schwester Conni jedoch, der einzigen Person überhaupt, zeigt sie ihr wahres verletztes und verletzliches Wesen:
"Ach, mein Connile, alle verkennen mich. Ich bin doch eigentlich gar keine Feministin. Ich hab' doch nur einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Gut, zugegeben, ich bin allenfalls und übertrieben gesprochen ein bisschen neurotisch veranlagt. Du kennst meine Komplexe und weißt, wie ich mit meiner unglücklichen Kindheit zu kämpfen habe. Papa hat dich immer vorgezogen und Mama war ich egal. Gerade gut genug, um bei der Hausarbeit zu helfen, war ich. Erinnerst du dich? Wir sind schließlich Schwestern. Sag' du mir doch mal, wie ich dann auch noch zwei gescheiterte Ehen bewältigen soll und zu allem Überfluß auch noch einen Sohn, der mich auslacht und dem ich nichts bedeute!? Aber damit nicht genug.
Ich leide an Schlaflosigkeit und rauche im Schnitt 50 Zigaretten am Tag - und es wird immer schlimmer mit mir. Du hast es sicher auch schon bemerkt. Ich meine die Ticks. Meine Ticks nehmen beharrlich zu. Neuerdings muss ich alles zählen. Dein Kleid drei - nein, warte - vierzehn Streifen. Chic! Wo hast du es her? Es steht dir ausgezeichnet. Du bist ein Wintertyp, dir steht blau. Es beruhigt. Aber nicht mich. Hier ist es ruhig, aber schon da oben, schon das dritte Flugzeug seit ich hier bin. - Ist das ein Zeichen? - Ich stehe an der Schranke und wenn der Zug kommt, sechsundzwanzig, siebenundzwanzig .... fünfunddreißig Waggons! Ich liege in meinem Bett und zähle die Sekunden und bekomme Panik und rauche. Ich bin auf dem Uniparkplatz und nirgends ist ein Platz frei, ich drehe meine Runden, nichts wird frei, ich drehe durch und beginne zu heulen wie ein Schlosshund - ach, nein, du doch nicht, mein Lara-Mäusle! Wegen jeder Kleinigkeit bekomme ich hysterische Zustände, ich kann nicht mehr Auto fahren und muss alles mit dem Bus oder der Trampe erledigen oder zu Fuß - weißt du, was das für die Schuhe bedeutet? - Sag' du mir doch, nein, sag's mir nicht, ich lasse dich nicht zu Wort kommen, du siehtst, die Rederiditis habe ich auch noch - ich glaube, es gibt keine psychische Krankheit und Verhaltensauffälligkeit, die ich nicht habe. Siehst du, wie mein linkes Bein vibirert und wackelt. Ich kann nicht stillhalten. Nein, ich bin nicht nervös. Nur unter Spannung - was!? Yoga!? - aber mit mir ist doch alles in Ordnung. Ich bin doch keine der überforderten Tanten, die nach fernost vor sich selber fliehen müssen. Hab' ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass ich nach Fabio - warte, ich muss nachzählen - also dass ich nach Fabio insgesamt 16 Liebahber in einem Jahr hatte? Du siehst, meine geistige Klarheit habe ich zum Glück noch nicht verloren. Und so weit wird es auch nicht kommen, dass ich sie eines Tages verliere. Ich bin ehrlich. Eine ehrliche Neurotikerin, eine ehrliche Borderlinerin. - Ob ich beim Arzt war? - Wieso? ich brauch' doch keinen Arzt!? - Wo war ich? Ja, diese Liebhaber, 16 an der Zahl. Eine einzige Katastrophe. Aber das ist das falsche Wort. Eine einzige Zumutung. Dieses Geheule. Dieses Geflenne. Dieses Gejammere. Oh, ich bin so sensibel, bin so sensitiv, so empfindlich, die ganze Welt ist gegen mich. Ja, so überfordert. So blöd. Luschen! Ich sag' dir, alles Luschen. Aber nein. Ich bin nicht gegen Männer. Die sind genauso Opfer. Nur anders. Und wehleidiger. Definitiv. Klar, eine doofe Frau ist schon unerträglich. Aber ein doofer Mann!? Puh ... sollen sich doch die Doofen zusammentun und mich in Ruhe lassen. Ist deine Tasche neu? Die hab' ich noch nie gesehen. Die gefällt mir. Mir sollten mal wieder zusammen shoppen gehen. Findest du nicht? Parität - was ist Parität? Soll eine Frau eine Bank überfallen, um ihren Anspruch als Bankdirektorin geltend zu machen? Oder einen Brand legen, um zur Feuerwehr zu können? Wenn ich bei Guccio eine Fensterscheibe einwerfe, nee, dann will ich nix von Guccio - Gott bewahre, ich hab' einen ausgesucht guten Geschmack und kauf', was ich brauche immer in Frankreich - was ich sagen will: Wenn ich eine Scheibe einwerfe, dann ist das nicht einfach blöd ... apropos blöd, Lucia ist blöd. Da kann man nichts machen. Die war es schon vor 20 Jahren, vor zehn Jahren. Die hat sich schon disqualifiziert. Du brauchst dir nur die Typen anzuschauen, mit denen sie ins Bett geht!? Schau', wer mit wem schläft und du weißt hundert pro, mit wem du es zu tun hast. Ich habe von Lucia noch nie ein gescheites Wort gehört. Sie plappert bloß nach, was sie in der Vogue liest. Und ehrlich: Wer liest die Vogue!? Wir sind in Italien! Uns macht so schnell keiner was vor, auch keine Franzosen. Hmmm, die Frage ist, ob Intelligenz glücklich macht? Ich meine nicht Einfühlungsvermögen, Empathie oder so was. Sondern wirklich das, was jemand im Dachstübchen hat. Ist Luzia glücklich? Glücklicher als du und ich? Mein IQ ist 128, bin ich vielleicht glücklich? Nein, ganz im Gegenteil. Ich ertrage niemanden und niemand erträgt mich. Kann man jetzt im Umkehrschluss daraus schließen, dass Blödheit glücklich macht? Ist also Lucia glücklich? Aber garantiert nicht. Schau' sie dir nur an. Sie ist todunglücklich. Da der Speck, da eine Falte. Und immer reicht das Geld hinten und vorne nicht. Und kein befriedigender Liebhaber. Das Unglück unselbständiger Frauen. Nur auf Mann fixiert. Expertinnen des Unglücks. Professionelle Unglücksmagnete. Und alle anderen sind schuld. Würdest du ein Beerdigungsinstitut deine Hochzeit auf dem Friedhof ausrichten lassen? - Nein. Darum geht's. Jede ist ihres Unglücks Schmiedin. Sei froh, dass dir Federico nicht ständig auf der Pelle sitzt und im Ausland tätig ist. So kannst du dein Leben führen und er seines. Genial. Ihr hab gar nicht die Zeit und den Raum, euch auf die Nerven zu gehen. Praktisch. Pragmatisch. Gut. Ihr seid ausgeglichen ohne alltägliche Reibereien. Ein Gebot des gesunden Menschenverstandes: Heiraten ja, zusammenleben nie. Du weißt, was nie bedeutet? Genau. Niemals! Trotzdem ist es gut, manchmal Scheiben einzuschmeißen, einfach so. Nein, nicht einfach so, sondern um seinem Frust Luft zu machen. Jawohl ja! Das ist frau sich schuldig. Das gehört zur Hygiene. Ob ich meschugge bin - hey, du trinkst den ganzen Tee allein, das ist schon deine vierte Tasse. Ich darf nicht so viel rauchen. Eine Schachtel ist schon wieder leer. Am Ende kriegst du noch Krebs, weil du bei mir so viel passiv rauchst. Nein, ich will kein Gutmensch sein. Versteh' mich nicht falsch, an deinem Tod will ich auch nicht schuld sein. Es ist nur so ... so ölig irgendwie. Rotzig. Klebrig. Schleimig. Vegetarisch. Diese mythisch entrückten Blicke, die signalisieren, Achtung! hier ist das Gute! Ja, ich sehne mich nach Gesetzesübertritten. Ich will das Böse ... hahaha .... Witzle g'macht.
Aber erzähl du doch endlich! Wieso sagst du nichts? Was war los bei der Polizei? Wieso haben sie Lara aufgegriffen und weggesperrt?"

IV.
Der Sermon Luigianas wirkt auf Lana und Lara wie ein besänftigendes, einlullendes kosmisches Hintergrundrauschen.
Kleinlaut gibt Lana zu bedenken, dass es darauf ankäme, dem Richtigen zu begegnen, damit "sie" existierte, was wiederum Lara nur reizt:
"Denkst du vielleicht, ich hätte nicht die stärksten und intensivsten Emotionen erlebt? Nie wollte ich den reinen sinnlichen Genuss, das nimmersatte Vergnügen, den Fick an sich - immer stattdessen einen Mann, der mich fühlen lässt ... der mir das Gefühl vermittelt ... ich war glücklich und unglücklich, loyal und eifersüchtig ... ich glaube, ich fühlte mich im Paradies und trotzdem war ich nie ganz da. Verstehst du? Ein Teil von mir, die Bedenken, die Zweifel, der Unglaube waren nie weg zu kriegen, nie auszuschalten. Und dann habe ich immer ein bisschen organisiert. Den Herren auf die Sprünge geholfen. Aber es hat nichts genützt. Und darum sage ich dir, es gibt "sie" nicht! Ich habe wirklich alles probiert."
"Vielleicht muss man einfach warten, dass und bis "sie" passiert?"
"Quatsch. Wir müssen unser Schicksal selbst in die Hand nehmen, sonst passiert gar nichts. Oft dachte ich, ich bin zu herzlos, zu kalt - bin zu intellektuell, um mich wirklich hinzugeben. Aber das ist falsch. Obwohl ich dem Schicksal mitgeholfen habe, entgegen gearbeit habe, mich eingegeben habe, obwohl ich sozusagen den Strand, das Meer, die Karibik geliefert habe, es war nie das. Deshalb weiß ich und will dich schützen, es gibt "sie" nicht. Es gibt Romane, Songs, Gedichte und Psychologen, die Märchenonkels unserer Zeit - aber es gibt sie trotzdem nicht. - Aber du denkst, es gibt "sie" dennoch und unabhängig von dem, was behauptet wird?"
"Ja, es gibt sie. ich weiß es. Ich schwöre es."
"Na, dann beschreib' sie doch mal? Was fühlst du jetzt, in diesem Moment und hier auf der Terrasse?"
"Wenn ich an ihn denke, bin ich unruhig und auch völlig leer."
"Wie eine Rauschgiftsüchtige?"
"Ich weiß nicht, ich bin nicht rauschgiftsüchtig und weiß nciht wie sich eine Rauschgiftsüchtige fühlt. Es ist ganz komisch und kaum in Wort zu fassen. Ohne ihn, glaube ich, gar nicht da zu sein, ich fühle mich selber überhaupt nicht. Gleichzeitig fühle ich mich tatsächlich schon wie gestorben, ich meine als die alte Lana, die ich war, bevor ich ihn getroffen habe. Und weißt du ... " sie sucht die passenden Worte, "ich bin so ganz und gar auf ihn konzentriert und weiß gleichzeitig, dass es mit ihm gar nichts als dem Beppino, der er ist, zu tun hat ..."
"Willst du sagen, er ist nur so eine Art undankbarer Vorwand, ein Platzhalter für etwas ganz anderes?"
"Ja, so ungefähr. Ich weiß nur, dass da etwas so großes ist, dass unmöglich nur ihm und mir gehören kann. Ich fühle es und er bestimmt auch und dennoch geht es uns beide zu wenig an, wie mich allein oder ihn allein. Es ist das Allerpersönlichste, Intimste und doch hat es mit uns als Beppino und Lana gar nichts zu tun. Es ist höher. Es hat uns, aber nicht wir haben es. Es ist eine Folter ohne ihn zu sein und doch geht es durch ihn durch genauso wie durch mich."
"Interessant, sprich weiter!"
"Es ist wie essen und trinken. Nur kommt eine Art Energie, die in uns fließt. Ähnlich wie Strom von einem geheimen Kraftwerk. Es ist wie .... es ist wie ... Durch Zufall haben wir im gleichen Raum an zwei verschieden angebrachten Schaltern gedreht und es ist passiert. Wir wollten es nicht. Und es war nicht vorherzusehen. Es ist einfach passiert."
"Weißt du, warum es ausgerechnet mit euch beiden geschehen ist?"
"Keine Ahnung. Ich wollte ja nicht mal Licht machen ..."
Und weiter: "Ich will nicht mehr hineinlegen als was es ist. Keine Offenbarung, keine Ekstase, keine Gnade oder was auch immer. Aber in uns hat sich etwas entzündet - eine Art Funken ist wie vom Himmel gefallen - und damit es weiter brennt ... oder anders gesagt: nur wir beide können durch diesen einen Funken brennen. Dieser Funken war für uns bestimmt. Sonst stirbt das Feuer."
"Du meinst, ihr habt einen durchaus privilegierten Kontakt?"
"Ja."
"Aber wer hat euch dann dafür auserwählt?"
"Was fragst du das mich!? - Ich weiß nur, dass es ohne ihn nicht weitergeht, in jeder Hinsicht ..."
Sie umarmen sich und rücken auf der bordeauxroten Decke in dem großen Weidenkorb eng aneinander. Luigiana rauscht unterdessen unaufhörlich weiter, ein Geplätscher, das Lana und Lara müde macht.

Doch beiden Mädchen ist klar, dass Beppino aus dem Gefängnis befreit, frei gelassen oder sonstwo aufgetrieben werden muss.
Dieser Beitrag wurde als FSK18 eingestuft.
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********lara Frau
5.948 Beiträge
Welch philosophische Sicht auf die Menschlichkeit, die Geschlechterrollen und die Liebe! Ich liebe diesen Wortfluss.
Schade, dass der Autor verschwunden ist...
*********leen Frau
287 Beiträge
Einer der Ausnahmekönner, ein Wortmagier und meisterlicher Innen- und Aussenweltbeleuchter. Vom Leuchten der Liebe inmitten grösster Verzweiflung erzählte er oft, glasklar und mitten ins Herz.

Und er lehrte den noch zu Gefühlen und Hintersinnigkeit fähigen Leser, die Wahrheit zu betrachten und den Vorrang von Mut, Stoizismus, Freundschaft und Liebe zu erkennen und die Wichtigkeit von Intelligenz.

Doch wusste er keinen Grund mehr, der ihn hier zum Bleiben hätte bewegen können, inmitten dieser nach Hedonismus und Sexkommerz lechzenden Welt. Er ist weg wieder, hélas!
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