„Warum ist es so schwer, anderen Menschen ihre eigenen Empfindungen zu lassen? ... Korrigieren sollte man lediglich Absolutheitsansprüche. Mag die Monogamie tatsächlich nicht in der Natur aller Menschen verankert sein, so gibt es doch Viele, die so leben wollen. Und denen darf man ihr Leben lassen, genauso, wie man es für sich selbst einfordert.
Und wer nimmt ihnen "ihr Leben"? Hier sicher niemand. Selbst die wenigen wunderlichen Beiträge, die Monogamie "unnatürlich" nennen oder irgendwie verirrt, sind ja gesellschaftlich eine kleine, unbedeutende Minderheit, und das sind sie selbst hier (auf einem per definitionem recht promisken Portal).
Was ich aber von Anfang an bemerke, ist die große Opfergeste mancher Monogamist*innen, die sich "aussterbend" wähnen und die finden, das Vorhandensein anderer Modelle bildet schon eine Gefahr ihres Glücks. Oder andere wollten ihnen (vielleicht mit einer kritischen Bemerkung) ihr Modell "nehmen", als ginge das. Oder ständige Angriffe herbeifantasieren, damit das eigene Modell noch als besonders heldenhaft geadelt werde:
„Diese Lebenseinstellung ist heute eine Außenseiterposition für die man öffentlich diffamiert wird. Es entspricht nicht dem Zeitgeist, so zu fühlen.
Jaja, der böse Zeitgeist.
Warum dreht man den Satz oben nicht einfach um? "Mag die Monogamie tatsächlich von der Mehrheit gelebt werden, so gibt es doch viele, die anders leben wollen. Und für das Recht auf freie Wahl des Lebens-, Sex- und Liebesmodells sollten alle eintreten - unabhängig von ihrer eigenen Präferenz."
Dazu gehört für mich auch das Unterlassen der Unterstellung, poly oder offen sei wie der "Supermarkt" und die "Wegwerfgesellschaft", denn das ist in diesem Thread ja gelegentlich geäußert worden.
„ ... eine Frau ... die mir sagt: "Ich bin polyamor, habe 2 Freunde und schlafe mit allen, ich bin in dich verliebt und will Sex mit dir... Dann kann ich mir überlegen dieses verrückte Rollenspiel mitzumachen oder auch nicht. Niemals würde ich negativ über diese Frau urteilen, im Gegenteil...
- man würde stattdessen "ein Verrücktes Rollenspiel" in diesem Entwurf sehen, denn merke: "Ich bin polyamor und schlafe mit allen." Eine faire Auseinandersetzung siehr m.E. etwas anders aus.
Oder der manchmal subtil implizierte Mythos, früher wäre alles mögliche besser gewesen, Treue sei noch was wert gewesen, Lügen in Beziehungen hätten erst mit dem Aufkommen modernerer Beziehungsformen Auftrieb bekommen - und davor müsse dann auch gerade die Jugend geschützt werden:
„ ... wenn diese Menschen endlich wieder gute Erfahrungen machen würden... hat dies einen entscheidenden Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung und damit auch auf die Entwicklung der Gesellschaft.
Für mich macht dieses "endlich wieder" nur Sinn vor der Annahme, es müsse ein Zurück zum Besseren geben, und genau das halte ich für die kullturpessimistische Erzählung, die hier echt breiten Raum einnimmt - was mich auf einem solchen Portal schon ein wenig wundert.
Ein bisschen weniger Selbstgerechtigkeit, ein moralisch etwas weniger hohes Ross ("missbrauchte Seelen", "Menschenrechte" "Moralkompetenz" etc.) wäre da angenehmer.