„Jeder Kuß, jede Streicheleinheit, Petting und vor allem der Geschlechtsverkehr fällt für den Mann unter "Anstrengung".
Ist das so? Ich würde das unter "Eustress" verbuchen. Ich für meinen Teil finde den Weg dahin viel anstrengender.
Warum das so ist, kann ich zumindest aus meiner persönlichen Sicht beschreiben, wobei ich mich ausschließlich auf Online-Plattformen beziehen kann - mit "Kennenlernen in der Wirklichkeit" kenne ich mich nicht aus. Das habe ich nie gelernt und um ehrlich zu sein, macht mir das auch Angst.
Was macht "Sex" für mich jetzt so "anstrengend"?
Das fängt schon bei der Suche an. Wenn ich jetzt an meine "Karriere" in verschiedenen Single-Börsen, sozialen Netzwerken und Dating-Plattformen zurückdenke, dann habe ich ungefähr 10-11 Jahre recht freudlose Erfahrungen damit gemacht, überhaupt eine Frau zu finden, die die mit mir Sex haben wollen würde. Zahlen, Daten, Fakten: Innerhalb der letzten 11 Jahre waren das drei (in Zahlen: 3), eine davon eine Erfahrung die ich nie und nimmer wiederholen würde (aus Fehlern lernt man bekanntlich) und eine Beziehung (die aber auch nur ein Jahr gehalten hat).
Aber zu welchem Preis hatte ich jetzt innerhalb von 11 Jahren drei Sexpartnerinnen?
Naja...
Da war ein unglaublich große Sammlung von Anforderungen, die nie erfüllen konnte, weswegen ich in den meisten Fällen erst gar keinen Kontakt aufgenommen habe. Alter, Gewicht, Größe, Sportlichkeit, Beruf, Einkommen, Mobilität, Kinder- und Tierfreundlichkeit, soziales Engagement, politische Einstellung - ich könnte die Anforderungsliste beliebig fortsetzen.
Nun haben sich meine Parameter im Laufe der Jahre durchaus geändert. Die Anforderungsprofile haben sich aber nicht geändert, sodass es enorm viel Zeit und Aufmerksamkeit erfordert, all das zu lesen, zu bewerten, zu selektieren und zu entscheiden, ob sich ein Kontakt lohnt oder eben nicht.
Das ist echt anstrengend!
Ok. Nun gab es dann im Laufe dieser letzten 11 Jahre natürlich so ein paar, bei denen meine Leistungsparameter mit dem Anforderungsprofil übereinstimmten. Bei diesen paar hatte ich mich dann jeweils dazu entschlossen, mich einfach mal ganz nett bei denen zu melden und einfach mal zu schauen, ob das, was sie in den jeweiligen Profilen "versprachen", also an sexuellem Interesse von sich selbst behaupteten und kund taten vielleicht mit mit geteilt werden könnte.
Bedauerlicherweise gab es dann "versteckte Anforderungen" oder Dinge, die nicht explizit gemacht wurden.
Und so bekamt ich eigentlich nie nette Antworten (was ich eigentlich erwartet hatte, weil ich ja nun nicht unfreundlich war) sondern wurde zu tiefst beleidigt und erniedrigt, weil ich den gute Frauen zu klein war, bekam hin und wieder die Empfehlung eines Bordellbesuchs oder sollte mir doch mal 'n Astloch mit warmem Schlamm füllen (und derlei "Hausfrauentipps" mehr), wenn ich was zum Ficken suchen würde.
Da ging emotional was in mir kaputt... das hatte ich mir so nicht vorgestellt.
Und das ist echt antstrengend!
Und diese drei, die übrig geblieben waren? Naja - eine davon, war eine Erfahrung, die ich kein zweites Mal machen wil (ein Fehlgriff, der hier im Forum wohl als "Horrordate" bezeichnet werden könnte), eine endete in einer ein Jahr anhaltenden Beziehung, die dann eher einvernehmlich beendet wurde, weil die gute Frau an psychischen Problemen litt, die ich nicht "heilen" konnte und die mich zusätzlich zu einem echt anstrengenden Job noch mehr belasteten und somit auch das "Beziehungsleben" nicht all zu reibungslos machten. Und die dritte war dann eine recht kurze Freundschaft+, die dann aber auch eher darunter gelitten hat, dass ich, nachdem ich Jahrelang überhaupt keinen großen "intimen Umgang" mit Menschen hatte, mich gar nicht so recht auf eine Frau einstellen konnte, die plötzlich Zeit und Raum in meinem Leben einnimmt. Das war dann extrem holprig, pannenbehaftet, überforderte mich und forderte ihre Geduld über alle Maße hinaus. So gut wie der Sex auch gewesen sein mag - ich kann durchaus verstehe, warum sie das dann beendet hat.
Und auch das war alles enorm anstrengend.
Und hier und jetzt? Naja - hier und jetzt grassiert eine Pandemie die sexuelle Kontakte so gut wie unmöglich macht. Hier und jetzt habe ich es nach 11 Jahren niederschmetternder Erfahrungen mit der "aktiven Suche" schlicht und ergreifend aufgegeben aktiv zu suchen. Ich habe einfach keine Energie mehr dafür über. Dafür ist der Rest meines Lebens viel zu anstrengend, als dass ich mich auf einen weiteren Profilauswertungs- und Beleidigungsspießrutenlauf einlassen wollen würde.
Meine Passivität führt dazu, dass ich von Frauen angeschrieben werde, statt selbst anzuschreiben. Manchmal dreimal am Tag, manchmal passiert drei Tage lang nichts - und in
fast allen Fällen wird nie explizit irgendein sexueller Wunsch kommuniziert oder auch nur die Idee eines Treffens nahegelegt, sondern eher ein nicht-expliziter Kommunikationsaspekt in den Vordergrund gestellt. Ich meine: Bei den meisten Mails weiß ich nicht mal, ob ich überhaupt antworten sollte. Da sind dann nur Aussagen enthalten, die keinen Hinweis auf den Wunsch einer Anschlusskommunikation enthalten. Und wenn dann doch mal, dann ist das alles ein völlig asexueler Kontext, der im Grunde das Gegenteil von dem ist, was ich eigentlich will. Ich antworte mittlerweile meistens nur noch mit einer Standard-Antwortmail. Alles andere ist mir, du wirst es erraten haben:
zu anstrengend.
Wenn ich jetzt also so darüber nachdenke, dann wohnen zwei Seelen, ach, in meiner Brust:
Einerseits habe ich eine enorm stark ausgeprägte Libido und hätte echt unglaublich gern mal wieder so richtig viel und intensiv Sex. Und es frustriert und deprimiert mich, einfach so überhaupt keine menschliche Nähe zu bekommen.
Andererseits ist mir es mir im Laufe der letzten 11 Jahre einfach zu anstrengend geworden, alles zu lesen, zu sortieren, "individuelle Bewerbungsschreiben" zu verfassen, mich beleidigen und erniedrigen zu lassen und dann ganz, ganz, ganz selten mal Sex haben zu dürfen.
All der Aufwand den ich investieren müsste steht einfach in keinem Verhältnis zu "dem bisschen Spaß", dass am Ende dabei rum kommt.
Letztlich ist das Internet voller Pornos und ich hab' 'ne gesunde rechte Hand. Das ist dann auf Dauer immer noch frustrierend und deprimierend - aber ich gebe mich schlicht meiner Resignation hin und hab's einfach aufgegeben, mich "für Sex anzustrengen".