„Ich kenne „sexpositiv“ auch nur aus dem Englischen bzw. Amerikanischen. Da gibt es ja noch größere Prüderieprobleme in der Gesellschaft als hierzulande. Einige Sexpodcasts oder Foren werden da als „sexpositiv“ bezeichnet,weil Sexualität da nicht als unerwünscht abgelehnt wird, sondern im Gegenteil thematisiert wird.
DIES! Sexpositiv bedeutet für mich auch erstmal, dass man überhaupt akzeptiert, dass Sex nichts ist, was unnormal ist und/oder versteckt werden muss, sondern zum Mensch sein dazugehört. Zumindest der Teil aber muss ich sagen ist hierzulande tatsächlich definitiv inzwischen überwiegend Realität. Klar, ein paar Menschen mit... "in meinen Augen hoffnungslos veralteter" Einstellung existieren immer und bei jedem Thema, aber etwas erst als Realität zu akzeptieren, wenn es von allen gelebt wird ist utopisch.
Aber, ja, doch, analog zu dem Begriff der "Bodypositivity" der in ähnlichem Kontext geprägt wurde (ebenfalls im Amerikanischen Raum, und anders als "sexpositiv" ist er hierzulande nicht extrem gebräuchlich) bedeutet "sexual positivity" schon auch, dass man Sexualität in allen Facetten begrüßt und akzeptiert - in dem Punkt kommt es tatsächlich dem Begriff Toleranz (auf diesem speziellen Gebiet) gleich.
Leider aber ist der Punkt in meinen Augen noch nicht Realität. Und zwar nicht (nur), weil Fetische und Kinks von Unbeteiligten nicht nur nicht verstanden werden (das ist toal ok, einen Fetisch, den man nicht hat, kann man nicht verstehen), sondern auch abgelehnt, belächelt oder gar herabgewürdigt werden. Nein, auch weil Menschen innerhalb bestimmter Randgruppen (BDSMler, Polys, LGBTQ, ..) Leute innerhalb ihrer eigenen Szene ausgrenzen ("Das ist doch kein richtiges BDSM", "Du bist nicht wirklich poly, weil ...", "Queer darfst du dich nur nennen, wenn...", etc) und / oder Leute außerhalb ihrer Szene nicht mit der selben Toleranz begegnen, die sie umgekehrt erwarten ("Was ihr macht ist langweilig", "Monogamie ist total überholt", "Jeder ist irgendwie queer, ihr steht nur nicht dazu", und so weiter).
Sprich: wir haben heutzutage eine unglaubliche Vielfalt. Man kann fast jede Facette der eigenen Sexualität irgendwie irgendwo ausleben, ohne sofort geächtet oder gar verfolgt zu werden. Wir sind also sehr frei. Freiheit aber darf man keinesfalls mit Toleranz, und noch erst Recht nicht mit Akzeptanz verwechseln - bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Nicht nur im Bereich der Sexualität.