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Auf der Suche nach der Menschheit - Serie

Auf der Suche nach der Menschheit - Serie
1 – Zum Anfang

Unhold hätte längst zurück sein müssen. Seit Stunden saß Anemone Ming nun auf dem großen Stein neben dem entwurzelten Birnbaum und starrte auf den gewundenen Weg, der über einen Hügel führte und danach nicht mehr zu sehen war. Als die Sonne hinter einem seltsam geformten Wall verschwand, fröstelte sie und ging rückwärts zu der Höhle, ohne den Blick abzuwenden von der Stelle, wo sie Unhold zum letzten Mal gesehen hatte. Anemone ertastete eine schwere, dichte Armeedecke und zog sie hinter sich her auf dem Weg zurück zu ihrem Aussichtspunkt. Sie wickelte sich in die Decke ein und setzte sich auf den noch warmen Stein. Wenn Unhold nicht zurückkommen sollte, würde sie zu dem Abgrund gehen, der vor zwei Tagen entstanden war, um sich dort in die Tiefe zu stürzen.

Unhold hatte sich nicht umgedreht, als er Anemone Ming verließ, um nach etwas zu suchen, das ihnen ein jammervolles Leben und einen qualvollen Tod ersparen würde. Am Vorabend hatten sie über die Möglichkeiten geredet, die es jenseits der zerrissenen Landschaft geben könnte. Unhold folgte dem einzigen Weg, der weit und breit zu sehen war. Er ging so weit neben dem Weg, daß er ihn noch sehen konnte, aber selbst nicht sofort entdeckt werden würde, falls ihm jemand entgegen käme. Das Gestrüpp bot ihm einen passablen Sichtschutz.

Unhold bemühte sich, Geräusche zu vermeiden und lauschte seinerseits aufmerksam. Doch außer seinen Schritten, dem Reiben der Kleidung an seinem Körper und seinem Atem war kein Ton zu vernehmen. Die Stille beunruhigte ihn. Unhold blieb stehen und versuchte, den Grund für die unheimliche Stille zu entdecken. Als er bemerkte, daß kein Vogelzwitschern zu hören war, versagten seine Beine. Er sackte in sich zusammen und brach in Tränen aus. Sein Schluchzen hallte von den Steinhaufen wider, die über die Landschaft verteilt aufeinander getürmt waren. Sie sahen aus, wie gerade erst herbei geschafft. Kein Moos, keine Erde, keine noch so kleinen Pflänzchen befanden sich auf den Steinen, die jedoch Spuren von Verwitterung zeigten. Als ob ein gigantischer Wind alle Fremdkörper von ihnen weg gepustet hätte. Bevor das Tageslicht verschwinden würde, kehrte Unhold um und ging auf dem Weg zurück zu dem Plateau, wo er Anemone allein gelassen hatte.

Anemone Ming lag zusammengerollt auf dem großen Stein in tiefem Schlaf und erwachte nicht, als Unhold neben ihr Platz nahm. Sein Körpergewicht von nahezu 220 Kilo brachte den Stein zum Schaukeln. Als Anemone auch darauf nicht reagierte, trug Unhold sie mitsamt der Armeedecke unter den Felsenhaufen, der ihnen wie eine Höhle als Behausung diente. Dort legte er Anemone Ming auf die Nachtstatt aus Laub und Blättern und sich selbst davor. Er glaubte zwar nach seiner Exkursion nicht mehr daran, daß wilde Tiere sich ihnen nähern würden, Anemone schutzlos schlafen zu lassen war für Unhold aber undenkbar.
Auf der Suche nach der Menschheit - Serie
Teil 2 - Unhold

Anemone erwachte nach einem tiefen, traumlosen Schlaf noch vor Sonnenaufgang und war zunächst nicht in der Lage, sich zu bewegen. Unholds linker Arm lag auf ihrem gerade mal 120 Zentimeter großen Körper. Sie hatte Mühe, sich darunter hervor zu wühlen, schaffte es aber, nachdem der mehr als doppelt so große Unhold seinen Arm leicht anhob.

Unhold murmelte eine Entschuldigung und setzte sich. Die Steinhöhle war zu niedrig, um ihn aufstehen zu lassen. Anemone erhob sich, reckte ihre Glieder und gähnte ausgiebig. Sie lächelte den riesenhaften Freund an und legte ihren Kopf zur Seite. Unhold musterte Anemone von ihren Füßen bis zum Kopf und lächelte seinerseits. Er beschloß, seinen Bericht über die Erkundung der Umgebung noch etwas zu verschieben. Mit Anemone den Tag zu beginnen, war für Unhold ein Geschenk.

Anemone war gerührt von Unholds Gesichtsausdruck, der sie an den Teddybären erinnerte, den sie einmal besessen hatte, und lehnte sich an Unholds Seite. Sie fragte nach seinen Eindrücken bei dem Ausflug vor ein paar Stunden. Unhold dachte darüber nach, welche Details er ihr berichten wollte. Die Abwesenheit von Vögeln gedachte er zunächst zu verschweigen. Er wusste, daß es unsinnig war, doch er hoffte, daß wie bei einem lauten Knall, der die Ohren betäubte, die Geräusche nach einiger Zeit zurück kamen. Also erzählte er von den Steinhaufen, die überall wie durcheinander gewirbelt herumlagen. Anemone hörte seiner Schilderung aufmerksam zu und stellte nach dem Ende fest, daß sie Vogelzwitschern vermisse. Sie sprach ihren Verdacht aus, daß es keine Vögel mehr gäbe, worauf Unholds Wangen erröteten. Für diesen Scharfsinn hätte er Anemone am liebsten an seine Brust gedrückt, doch seine Vorsicht verbot ihm das. Er war sich seiner Kraft bewußt.

Unhold war ein Findelkind. Seine leiblichen Eltern hatten ihn im Säuglingsalter auf der Zuschauerbank eines Zirkus zurückgelassen. In seinem Korb befand sich ein Schild mit der kurzen Bitte, für ihn zu sorgen. Auf der Rückseite des Schildes stand sein Name geschrieben. Die Finder des Korbes, die kleinwüchsigen Artisten Mimmie und Moro, waren des Lesens nicht mächtig und bemühten den Zauberer Dark Lord um Hilfe. Der trunksüchtige Magier konnte die Buchsteben n, h, o, l und d entziffern und folgerte nicht, daß der Name Reinhold sei, sondern Unhold.

Mimmie und Moro waren begeistert, das Kind pflegen zu dürfen und setzten alles daran, ihn zu einem großen, kräftigen Mann zu machen. Zu ihrem Erstaunen gelang ihnen das vollkommen. Unhold wuchs sehr schnell zu imposanter Größe. Bereits im Alter von sieben Jahren überragte er alle andern Zirkusleute. Er trainierte alle Kraftdisziplinen, arbeitete mit Netzartisten genauso wie mit den Löwenbändigern. Als er zwölf Jahre alt war, versetzte ein verängstigter Tiger Unhold einen Prankenhieb und damit eine blau schimmernde Narbe, die fortan Unholds Gesicht in zwei Hälften unterteilte.

Unhold fand in seiner Pubertät keinen Gefallen mehr an der Zirkuswelt und begann damit, sich selbst im Lesen und Schreiben zu unterrichten. Als Vierzehnjähriger organisierte Unhold eine Bibliothek im Zirkus mit der Absicht, allen Künstlern Lesen und Schreiben beizubringen, scheiterte aber. Eines Tages veließ er heimlich den Zirkus mit unbekanntem Ziel. Er war zu diesem Zeitpunkt 2 Meter 12 groß und keiner der Zirkusleute hatte geglaubt, daß er sich hätte verstecken können. Doch Unhold kam nicht zurück.
Auf der Suche nach der Menschheit - Serie
Teil 3 - Anemone Ming

Anemone Mings Eltern waren die gebürtige Anne Rose Schelm und das Bergsteiger-Idol Franz Ming. Die weiblichen Nachkommen der Schelms trugen ausschließlich Blumen-Namen, und so fand Anne Rose Ming den Namen Anemone für ihre Tochter sehr passend. Anemones Statur war sehr feingliedrig. Ihre Größe von 120 Zentimetern und ihr fragiler Körperbau wurde von Verehrern nicht selten blumig umschrieben.

Die Kombination mit dem Nachnamen Ming, der an sich schon ungewöhnlich ist, verleitete aber ihre Bekannten und Freunde dazu, allerlei Scherze damit zu treiben. Ein Abzählreim wurde z.B. zu "Anemone Mink Mank Pink Pank" und Anemone wurde mit Reimen wie „Anemone Ming, Du armes Ding“ aufgezogen. Anemone setzten die Scherze schwer zu, obwohl sie wusste, dass sie nicht in verletzender Weise gemeint waren. Schließlich war sie mit den meisten dieser Witzbolde gut befreundet. Nur durch ihre überragende Intelligenz und einem gehörigen Maß an Feingefühl ertrug sie diese kindlichen Albernheiten mit Gelassenheit.

Anemone lehnte eine Karriere als Kinderdarstellerin ab, von der sich ihre Eltern ein Leben in Wohlstand versprachen. Vor allem der Vater Franz Ming, der in Dutzenden von Bergsteiger-Filmen mitspielte, hatte Anemone unaufhörlich bedrängt, Schauspielerin zu werden.

Anemone überraschte Alle, als sie ihre Heimatstadt verließ, um in der nächsten Großstadt als Kammerjägerin zu arbeiten. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen als Mitarbeiterin des Monats und war zwei Mal auf dem Titelbild der Fachzeitschrift "Ausräuchern" abgebildet. Nach drei Jahren beendete sie ihre Karriere in diesem Beruf und wandte sich dem Programmieren von Computersoftware zu, bevor das Internet für die Öffentlichkeit gesperrt wurde.

Anemone bestand darauf, Unhold bei der Erkundung der Umgebung zu begleiten. Unhold, der das zunächst vehement ablehnte, weil er das für die zierliche Frau zu gefährlich hielt, mußte einsehen, daß Anemones Argumente unwiderlegbar waren. Sollte einem der Beiden etwas zustoßen, würde der Andere das wahrscheinlich nie erfahren. Von wilden Tieren schienen sie nicht bedrängt zu werden, und Anemone zu beschützen, konnte Unhold nur gelingen, wenn sie in seiner Nähe war.

Nach dem Verspeisen von Beeren und Früchten, die in großer Zahl zu finden waren, brachen Anemone Ming und Unhold auf. Sie gingen in die entgegengesetzte Richtung von Unholds erstem Ausflug. Das gestaltete sich wesentlich schwieriger, als sie geglaubt hatten. Es gab keinen Weg und sie mußten zuerst bergauf gehen, um dann die immer steiler werdende Erhebung kletternd zu überwinden. Unhold beunruhigte, daß von ihrem Lager aus dieser Hügel nicht zu sehen war. Von dort aus hatten sie freien Blick in die Ferne und konnten sogar nach unten sehen. Anemone vermutete eine optische Täuschung, verursacht durch eine Veränderung der Atmosphäre. Sie mußten sich regelmäßig ausruhen, da sie beide nicht voll bei Kräften waren und der Hügel zunehmend steiler wurde.

Bei einer Rast stellte Anemone eine Frage, die Unholds Optimismus erschütterte. Sie fragte, ob er sich bewußt sei, daß es offensichtlich keine Insekten gab, also auch keine Bestäuber von Pflanzen. Die Nahrung, mit der sie sich sowieso schon nur notdürftig versorgt hatten, sei wahrscheinlich die letzte, die ihnen zur Verfügung stand, befürchtete Anemone.
Auf der Suche nach der Menschheit - Serie
Information zu Teil 1 bis 4

Die ersten 4 Teile sind bereits fertig geschrieben. Ich werde ab morgen täglch nur noch eine einzige Fortsetzung veröffentlichen, insofern das Schreiben so flüssig weiter geht wie im Moment.


Teil 4 - Aufbruch

Unhold schwieg bis zum Nachmittag, während Anemone unaufhörlich vor sich hin plapperte. Unhold wußte, daß Anemone ihn aufheitern wollte und brummte gelegentlich ein Zeichen der Aufmerksamkeit zwischen Anemones Wortschwall, doch seine Gedanken kreisten um das Finden von Nahrung. Er konnte sich eine Welt ohne Insekten im Grunde gut vorstellen, waren sie für ihn doch eher Kreaturen, die ihn ärgerten. Sie schwammen in seinen Getränken, sie schwirrten um ihn herum, stachen ihn in die Haut, daß es juckte und lebten nicht lange genug, um ihnen das abzugewöhnen. Allein Honigbienen schätzte er für die Leckerei, die sie produzierten.

„Das Leben findet immer einen Weg“ hat er einmal irgendwo gelesen. Er konnte nicht glauben, daß die Früchte, von denen sie sich ernährten, plötzlich nicht mehr da sein würden. Auch die gleichzeitige Vernichtung aller Insekten auf der ganzen Welt betrachtete er als unwahrscheinlich. Andererseits musste es Ereignisse gegeben haben, von denen er nicht die mindeste Ahnung hatte. Die Art und Weise, wie Anemone und er in ihre momentane Situation gelangt waren, warf Fragen auf, für die er keine Antwort hatte. Er grübelte darüber nach, als Anemone, die vor ihm her kletterte, sich setzte und fragte, wie er es erlebt habe, daß sein Leben sich plötzlich so radikal geändert hatte. Erneut überraschte ihn, wie sehr Anemones Gedanken mit seinen übereinstimmten, die sie zur gleichen Zeit hatte wie er. Unhold zuckte mit den Achseln, worauf Anemone von ihrem Erlebnis berichtete.

Anemone hatte Arbeit in ihrem alten Beruf als Kammerjägerin gesucht. In ihrem Wohnort gab es nach dem Verbot des World Wide Web kaum noch Bedarf für Computerspezialisten . Sie war in Vororten auf der Suche nach Kunden. Ihre mobile Ausrüstung hatte sie im Kofferraum ihres Wagens verstaut, der noch den Schriftzug ihrer alten Firma trug. Ein riesenhafter Mann in einem langen Gewand stand am Straßenrand und winkte ihr energisch zu. Es stellte sich heraus, daß der Mann ein Mönch war, der in einem Kloster unweit der Landstraße lebte und auf den Namen Unhold hörte. Sie fuhr mit ihm zusammen dorthin. Auf der kurzen Fahrt erzählte Unhold, daß sein Kloster einen Notfall hatte, große Mengen von Insekten hatten das Kloster innerhalb von Stunden befallen. Als Anemone mit ihm ihre Ausrüstung zum Eingang des Klosters getragen hatte, bedeckten Insekten den Weg. Je näher sie dem Eingang kamen, umso dichter wurde der Teppich aus Insekten und Maden. Unhold schloß die Tür auf, worauf ein Schwall von Insekten ihnen entgegenschwappten.

Die Spezies der Insekten war Anemone völlig unbekannt. Auch die Größe einzelner Exemplare war erstaunlich. Sie sah welche, die so groß waren wie Unholds Handteller. Anemone vermutete, daß die Insekten entweder ihr Domizil oder ihren Wirt verloren hatten und sich, um nicht auszusterben, explosionsartig vermehrt hatten.

Unhold nahm Anemone mit in das Dachgeschoß, wo sie die Ausrüstung installieren wollten. Unhold war der einzige Mönch, der das Kloster nicht verlassen hatte, so daß eine Evakuierung nicht nötig war. Während des Zusammensteckens von Einzelteilen spürte Anemone ein Vibrieren des Bodens, welches schnell stärker wurde. Innerhalb von wenigen Minuten war es so stark geworden, daß Anemone und Unhold sich festhalten mußten, um nicht zu stürzen. Ein Geräusch wurde lauter, das sich anhörte, als ob eine große Klinge aus einem Schaft gezogen wurde, und das nach etwa einer Minute so laut war, daß Anemones Ohren schmerzten. Der Schmerz ergriff ihren gesamten Kopf. Anemone schrie, ohne daß der Schrei zu hören war. Als ihre geschlossenen Augen einen hellen Blitz wahrnahmen, stoppte das Geräusch schlagartig und der Blitz verblasste bis zur absoluten Dunkelheit. Im nächsten Moment lag Anemone neben Unhold auf dem Boden des Hohlraumes unter dem Steinhaufen, den sie heute verlassen hatten.
Auf der Suche nach der Menschheit
Teil 5 - Berg und Tal

Anemone Ming war erstaunt über Unholds verwirrten Gesichtsausdruck. Auf ihre Frage, ob er sich nicht erinnerte, antwortete Unhold, daß er sehr wohl noch genau wisse, was sich an dem Tag ihrer Begegnung zugetragen hatte.

Der Mönch Unhold hatte im Garten des Klosters gearbeitet, das ihn vor 4 Jahren aufgenommen hatte, als er den Zirkus verließ, in dem er aufgewachsen war. Er hatte gerade Tomaten von Sträuchen gepflückt, erfreut über den gelungenen Ertrag vor allem der Sorte Schwarzer Prinz, einer dunklen, großen Fleischtomate, auf deren Verzehr sich alle freuten. Auch die Black Cherry-Tomaten hatte sich prächtig entwickelt und waren außerordentlich schmackhaft. Unhold konnte nicht widerstehen, während der Arbeit von der roten Johannisbeertomate zu naschen, die er direkt vom Strauch pflückte, mit der Zunge gegen den Gaumen drückte und schlürfend Luft einsaugte. Auf diese Weise schmeckten ihm die kirschengroßen, säuerlichen Tomaten am besten.

Unhold war mit seiner Schubkarre auf dem Weg in den Schuppen, als es an der Klostertür hämmerte. Unhold rief, daß sich der Besucher in Geduld üben solle, verstaute die Schubkarre ohne Hast und öffnete das Tor. Vor dem Kloster stand eine klein gewachsene Frau, die drei Koffer neben sich stehen hatte. Sie stellte sich mit Anemone Ming vor. Ihr Wagen sei von der Straße abgekommen, als sie unachtsam war, erklärte sie und bat darum, telefonieren zu dürfen. Ihr Mobiltelefon funktionierte nicht, wie das seit der Sperrung der Online-Dienste in ländlichen Gegenden häufig der Fall war. Unhold bedauerte, daß in dem Kloster kein Telefon installiert war und bot seine Hilfe bei der Bergung ihres Fahrzeuges an. Anemone Ming akzeptierte das Angebot und nahm die Einladung an, sich zu erfrischen und eine Mahlzeit zu sich zu nehmen.

Unhold freute sich darauf, Anemone die frisch geernteten Tomaten nebst dem im Kloster hergestellten Ziegenkäse und dem von ihm selbst gebackenen Brot zu servieren. Er trug die Koffer der Besucherin in die große Halle und fragte dabei nach ihrem Reiseziel. Anemone Ming sagte, sie sei zu einem Filmdrehort unterwegs, da sie für eine Rolle als Bauerntochter engagiert worden war. Die Ortschaft lag noch mehr als 50 Kilometer von dem Kloster entfernt und sie sei bereits seit dem Vormittag überfällig. Auf die Frage, wo die anderen Mönche seien, antwortete Unhold, sie seien am Vortag für einen Wettkampf zu einem Campinglager gereist, wo sich Mönche aus verschiedenen Klöstern traditionsgemäß trafen, um sich unter freiem Himmel mit Hilfe von handgeschnitzten Figuren und Kugeln aus gebranntem Ton in einem Wettbewerb im Kegeln zu messen. Scherzhaft fügte Unhold hinzu, der wahre Grund für das Treffen sei das Bier, welches in Strömen fließen würde.

Unhold und Anemone Ming speisten in einem Saal im Dachgeschoß des Klosters. Unhold war erfreut über den Appetit Anemones und brachte ihr seine Art bei, die kleinen Johannisbeertomaten zu essen. Sie tranken dazu einen roten Wein, der von einem im Ort ansässigen Winzer stammte und überboten sich gegenseitig im Geschichtenerzählen. Anemone gestand Unhold, daß sie ihren Beruf nicht mochte und nach den Dreharbeiten zu ihrem aktuellen Film ihre Karriere zu beenden gedachte. Als Unhold aufbrechen wollte, um Frau Mings Wagen zu bergen, begann das Phänomen, mit dem Anemones Erzählung geendet hatte.


Unhold und Anemone suchten nach Erklärungen über die unterschiedlichen Versionen ihres Lebens vor der Katastrophe. Die Vermutung, die sie am wenigsten unrealistisch hielten, war die Verabreichung von Drogen. Aus welchem Grund das hätte geschehen sollen, lag außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Anemone fürchtete, daß die Gründe für eine Gabe von Psychodrogen genau von diesen aus ihrer Erinnerung getilgt worden sein könnten. Daß die Welt voller Waffen war, die über dem ganzen Globus verteilt waren, konnte niemand bestreiten und daß die Entwicklung von unbekannten Bedrohungen so lukrativ für die Entwickler war, daß sie alles daran setzen würden, das zu verschleiern, war ebenfalls kein Geheimnis. Verfeindete Staaten schoben sich zwar die Verantwortung dafür gegenseitig zu, doch im Fall einer Eskalation war eine Katastrophe globalen Ausmaßes sehr wahrscheinlich.
Die Vermutung der Drogenvergiftung empfanden trotz aller Übereinstimmung jedoch sowohl Anemone, als auch Unhold als abwegig.

Über eine Konsequenz waren sie sich allerdings einig. Sie konnten sich auf die Richtigkeit ihrer Beobachtungen nicht verlassen, was einerseits beunruhigend war, andererseits aber das Ende ihrer Nahrung nicht mehr so sicher machte, wie geglaubt. Unhold stellte die Frage, wie sinnvoll es sei, jetzt noch einen Berg zu erklimmen, der sich im nächsten Moment in eine Ebene oder gar in einen See verwandeln könne und gab sich die Antwort selbst. Wenn sie warteten und nichts täten, wäre ihr Leben ohne Sinn.

Anemone und Unhold saßen über eine Stunde schweigend nebeneinander und starrten in das Tal hinunter, bis Anemone sich erhob und Unhold antippte. Sie wollte weiter nach oben. Unhold stand auf und wandte sich dem Berg zu, doch der Berg war nicht mehr da. Wo vorher noch Stein und Geröll aufgetürmt war, gab es nun flaches Land mit vereinzelten kleinen Seen und Vegetation. Ein Summen wurde hörbar und vereinzelte Vogellaute drangen aus der Ferne in ihre Ohren. Trotz aller Verwirrung spürte Anemone Ming eine Erleichterung und Unhold fand seinen Optimismus wieder. Unhold grinste Anemone schelmisch an und scherzte, daß es wohl doch einen Gott gebe. Er konnte die Wirkung seiner Worte in Anemones Augen ablesen und verstand, was sie dachte. Ein Gedanke formte sich in seinem Kopf, der ausgerechnet dem Mönch Unhold bisher nicht in den Sinn gekommen war.
Dieser Beitrag wurde als FSK18 eingestuft.
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Auf der Suche nach der Menschheit
Teil 7 - Papier

Anemone lief Unhold entgegen, als er den Weg zwischen frisch umgegrabenen Äckern entlang ging. In der Hand hielt sie ein Papier, welches den Exemplaren glich, die Unhold gefunden hatte. Sie sagte mit einem Bedauern in der Stimme, daß sie wohl nicht allein seien. Unhold leerte den Inhalt seiner Ledertasche vor ihren Augen aus. Aus der Tasche flatterten 22 Stück Papier, die Anemone einsammelte und betrachtete. Unhold fand keine Worte und ging tief betrübt zu dem Wasserspeicher, übergoß seinen Kopf mit kaltem Wasser und sackte in sich zusammen. Lautes Schluchzen schüttelte ihn und Tränen liefen über sein Gesicht. Auch für Anemone war der Fund ein schwerer Rückschlag. Sie gab an, daß sich eigentlich beide freuen sollten, gestand aber, daß es auch für sie selbst eher einer Katastrophe gleich kam. Schon allein die Tatsache, daß es nicht sehr weit von ihnen Druckmaschinen geben müsse, die von Menschen bedient würden, welche ihnen technisch so sehr überlegen waren, daß Unholds und ihr eigenes neu gestaltete Leben seine Harmonie verlieren würde, wenn sie ihnen begegneten.

An diesem Tag taten Anemone und Unhold keinen Handstreich mehr. Sie verbrachten den Rest des Tages mit Überlegungen, welchen Ursprungs die Papiere wohl waren. Sie hatten noch nie von einem Institut für vergleichende Ungereimtheiten gehört. Die Botschaft allerdings erschien ihnen plausibel, auch wenn die Formulierung ihnen fremd war. Anemone deutete den Inhalt so, daß sich der Mensch nicht auf göttliche Hilfe verlassen dürfe, sondern für die Gestaltung seiner Zukunft selbst verantwortlich sein sollte.
Unhold stimmte zu, hatte aber nur eine vage Vemutung, an wen das Pamphlet gerichtet sein könnte. „Erschafft keine Verantwortlichen“ konnte keine Botschaft für die Beiden sein, es sei denn, mit einem Verantwortlichen sei ein höheres Wesen, eine Gottheit gemeint. Doch wenn das der Fall sei, wäre es geradezu absurd, das einerseits zu fordern, andererseits aber die Überbringung der Botschaft auf eine Weise zu vollführen, welche einen Glauben an ein höheres Wesen sogar fördert.
Am Ende des Tages waren Anemone und Unhold sich einig mit der Vermutung, daß die Botschaft nicht für sie bestimmt sei. Anemone deutete an, daß sie es wahrscheinlich fand, auf eine dominante Gruppe von Menschen zu stoßen. Unhold versicherte Anemone, daß sie sich nicht zu fürchten brauche, solange er bei ihr sei. Er sprach seine Vermutung nicht aus, daß dieser Optimismus nicht ausreichen würde, um im schlimmsten Fall ihr bis zu diesem Tage glückliches Zusammenleben weiter genießen zu können. Doch er ging davon aus, daß Anemone wie bisher ähnliche Schlüsse zog wie er.

In der Nacht wurde Unhold von Anemone geweckt. Sie erzählte ihm von der Idee, die ihr nach einem Traum eingefallen war. Wenn es denn eine Druckmaschine geben sollte, müsse es auch Elektrizität geben. Das unbemerkte Deponieren von Zetteln in ihre näheren Umgebung müsse sehr vorsichtig und leise vonstatten gegangen sein und am wahrscheinlichsten sei, daß das des Nachts geschah. Anemone folgerte daraus, daß in der Nacht möglicherweise ein Lichtschein zu sehen sei, der von den Herstellern oder Verteilern der Blätter verursacht würde. Unhold war sofort bereit, aufzubrechen und keine 5 Minuten später waren sie unterwegs zu dem Platz, wo Unhold die Blätter gefunden hatte.

Unhold trug Anemone auf seiner Schulter, so daß sie einen guten Überblick hatte. Unholds schwankender Gang amüsierte Anemone, die zu Scherzen aufgelegt war und Unhold mit ihrer durch mangelnden Schlaf überdrehten Laune ansteckte. Zum Spaß tat sie mehrmals so, als sähe sie ein Licht, um dann wieder Entwarnung zu geben. Als Unhold in seinem Nacken spürte, daß Anemone zu zittern begann, wußte er, daß sie tatsächlich etwas entdeckt hatte. Anemone flüsterte, er solle nach oben sehen. Unhold setzte seine Gefährtin ab und blickte gen Himmel. Es muß sehr spät gewesen sein, denn die Dunkelheit war im Begriff, dem Morgenlicht zu weichen.

Über ihren Köpfen waren Unmengen von Papierschnipsel zu sehen, die um eine unsichtbare Achse rotierten wie eine Windhose und langsam nach oben stiegen. Die Windhose bewegte sich in kreisförmigen Bewegungen über die Landschaft. Unhold mußte an einen Staubsauger denken und Anemone sprach es aus. Sie sahen, wie weitere Papiere vom Boden nach oben stiegen, konnten aber nicht erkennen, wohin sie gesogen wurden. Das geschah vollkommen geräuschlos. Die Windhose entfernte sich schließlich langsam in die Richtung der Gegend, die Unhold und Anemone bisher noch nicht betreten hatten. Das unerklärliche Phänomen lieferte für Unhold eine Erklärung für den Zustand der Steinbrocken, die so rückstandslos sauber waren und Anemone mutmaßte, daß auch Insekten und Vögel auf diese Weise verschwunden waren.

Eine Erklärung für die Existenz anderer Menschen sei das nicht gewesen, es handelte sich entweder um ein Naturspektakel oder um die Tat eines gigantischen Wesens, das verräterische Spuren beseitigte, so war Anemones Interpretation. Unhold ging in die Knie, um Anemone auf seine Schulter klettern zu lassen und bemerkte unter seinem linken Fuß ein Papier, das zurückgeblieben war. Das Licht reichte nicht aus, um entziffern zu können, was darauf geschrieben stand, also ging Unhold mit Anemone im Nacken sitzend weit ausschreitend zurück zum Hof. Zu Hause lasen Anemone und Unhold im Licht einer Ölfackel Wange an Wange das Papier.

Institut für vergleichende Ungereimtheiten
Betr.: DING DONG.
Bericht über die kulturellen Veränderungen.

Betrachtet man die Strömungen, wird deutlich, daß die Erde bereits mehrere hundert Jahre erforscht wurde. Die Einflüsse betrafen vor allem Unterhaltung und Lebensstil. Es gab verschiedene Zeitspannen, die von der jeweiligen Erdenkultur geprägt waren. Die Popmusik veränderte sich gleichzeitig. Bands wie „Frantz Branntwein und die Kompressen“ wurden über Nacht zu Idolen einer ganzen Handelskette. Die Songtexte orientierten sich ebenfalls neu, ließen die bis dahin in unverständlichem Kauderwelsch gesungenen Pro-Test-Songs hinter sich und verkündeten in klaren Worten Weisheiten wie z.B. „Von Blasen und Tuten nur Nasenbluten“ von der Pop-Gruppe “Gelbe Sub Marie“. Die Rockoper „Diagnose Zwangsneurose“ war ganze 84 Monate ohne Unterbrechung ausverkauft und wurde an manchen Tagen sogar vor Publikum aufgeführt. Aus den meisten Texten wurden Zitaten-Klassiker und der Eröffnungs-Song wird noch heute gerne gesungen.

Auszug:
Es waren mal zwei Rückenschmerzen
Die liebten sich von ganzem Herzen
Doch viel zu früh verstarben sie
an einer Physiotherapie

Als man sie zu Grab getragen
schlug das allen auf den Magen
Nur die Migräne
vergoß keine Träne

Der Kult um alles Medizinische endete, als die aktuelle Marotte entdeckt wurde, die an bizarrer Schrille kaum zu überbieten sein dürfte. „Menschlichkeit“. Wie in einem Spiel mit besonders.


An dieser Stell war der Text zu Ende. Auf der Rückseite befand sich eine Landkarte, die keine irdische zu sein schien.
Auf der Suche nach der Menschheit
Teil 8 - Das Geschenk

Zwei Wochen nachdem sie den Kornkreis erstellt hatten, gab es noch kein Zeichen dafür, daß es entdeckt worden war. Anemone und Unhold hatten nach der ersten Woche die Stelle besucht, um zu überprüfen, ob das niedergedrückte Gras wieder aufgerichtet wurde. Es hätte sie nicht gewundert. Doch es sah genauso aus, wie sie es verlassen hatten. Wieder einmal hatten Beide das Gefühl, sich auf nichts verlassen zu können, nicht einmal auf die Unzuverlässigkeit.

Der Alltag war durchzogen von unzähligen kurzen Momenten, in denen sie innehielten, weil etwas ihre Sinne erreichte, das ihnen nicht alltäglich anmutete. Ein fremder Geruch, ein unbekanntes Geräusch oder eine eigentümlich geformte Wolke waren ihnen oft für Sekunden verdächtig. Sie erlebten die Welt beinahe wie Kinder, die in allem etwas Spannendes entdecken konnten, was ihnen neu war. Ihre Liebe zueinander vertiefte sich dadurch so sehr, daß sie beschlossen, zu heiraten. Obwohl es keine Konkurrenten gab, denen gezeigt werden musste, daß beide zusammen gehörten, wollten sie eine Hochzeitsfeier. Anemone erschuf extra für dieses Ereignis ein Kleid aus sehr dünnem Leder, welches eng an ihrem Körper anlag. Das Besondere daran war, daß ihre Brüste nicht bedeckt waren, wenn sie es trug. Ihre kleinen, festen Brüste hatten verhältnismäßig große Brustwarzen, die hart wie Nüsse werden konnten. Da sie ihre Vagina nicht verhüllte, war dieses Kleid für sie ein Versprechen an ihren Geliebten, das sie während der Hochzeitszeremonie erfüllen wollte.
Unhold trug üblicherweise keine Hosen, sondern eine Art Kaftan, der ihm bis unter die Knie reichte. Anemone hatte sich gewünscht, daß er sie unbekleidet heiraten sollte und Unhold gefiel das so sehr, daß er häufiger als sonst eine Erektion hatte. Das störte ihn nur bei der Arbeit. Wenn Anemone das bemerkte, erleichterte sie Unhold an dem jeweiligen Ort, an dem er sich gerade aufhielt. Auch Anemone hatte genußvolle Erlebnisse vor der Hochzeit, da Unhold den Geschmack ihrer Vagina über alles liebte.
Drei Tage vor ihrer geplanten Hochzeit wurden sie am Nachmittag bereits ungewöhnlich schläfrig und schafften es nicht einmal mehr, ihr Haus zu erreichen. Sie schliefen mitten auf einem Acker ein.

Anemone und Unhold träumten beide den selben Traum. Sie wuchsen zu unglaublicher Größe an und wurden so groß, daß sie den ganzen Planeten Erde in eine Hand hätten nehmen können. Ein Wesen trat ihnen gegenüber, das eine menschliche, geschlechtslose Gestalt hatte. Es stellte sich mit Ersie S. vor und bat Anemone und Unhold Platz zu nehmen. Sie befanden sich urplötzlich in einem Raum, der ihnen entfernt bekannt vorkam. Ersie S. verriet, daß der Raum dem Fernsehstudio einer Talk-Show nachempfunden sei. Auf diese Weise funktioniere die anschließende Gehirnwäsche besser. Er erklärte ihnen, was geschehen war.

Ersie S. wäre nach dem Debakel mit der Erde gerne weitergezogen, mal hier und mal dort ganz entspannt einen neuen Schöpfungsversuch wagend. Doch es deutete alles darauf hin, daß ihm der Planet für alle Zeiten an den Hacken kleben würde. Am meisten ärgerte Ersie S., daß er vor seinen Kollegen die Erde vollmundig als sein Meisterstück angekündigt hatte und im Übermut den Wert für das Selbstbewusstsein seiner Top-Kreatur Mensch auf maximal eingestellt hatte. Der Mensch fiel tatsächlich jedem sofort auf, der sich die Erde näher anschaute.
Aufdringliche, verschlagene, gemeingefährliche Rüpel, so lauteten die Kommentare der Kollegen zu seiner dominierenden Gattung. Ersie hatte noch lange vergeblich versucht, die düsteren Zukunftsprognosen durch Feinjustierungen zu verbessern. Sein letzter Versuch, eine positive Entwicklung des Planeten zu erreichen bestand darin, die Existenz einer Schöpfung in Aussicht zu stellen. Im Regelwerk ließ sich kein Eintrag finden, ob die oberste Regel des Weltmachens in Frage zu stellen erlaubt ist. Ersie S. verwies auf den Text, den sie gefunden hatten, als er gerade versehentlich auf den Planeten geratene Notizen aufsaugte. Er hatte den Papierhäcksler benutzen wollen, doch ein Windstoß hatte einige Blätter auf die Erde geweht.

Erschafft keine Verantwortlichen! Der Glaube, Götter hätten Einfluß auf die Entwicklung eines Planeten, hemmt die Bemühungen der Bewohner, sich weiter zu bilden.

Ersie S. hatte in vorherigen Versuchen heimlich versucht, seinen Wesen Tipps zu vermitteln, wie sie ihre Welt vor der Zerstörung durch ihre eigene Hand bewahren konnten, aber für jedes seiner Argumente fand sich ein Schlauberger, der es widerlegen konnte. Nachdem sich dieses Phänomen wieder und wieder ereignet hatte, mußte er einsehen, daß es ungeplante Gesetzmäßigkeiten gibt, gegen die selbst ein Schöpfer machtlos ist. Sein Tabubruch löste Entsetzen aus und hätte ihm beinahe ein GAME OVER eingebracht.

Allein die Tatsache, daß seine Kollegen, fasziniert von der zerstörerischen Kraft der Kombination von Erfindungsgeist, Aberglaube und Selbstüberschätzung, die Augen nicht mehr abwenden konnte von den farbenfrohen, aber sinnlosen Gemetzeln der Menschen an ihrer eigenen Spezies, hatte ihm etwas Zeit verschafft und brachte ihn auf die Idee, die Erde als Testobjekt anzubieten, um zu verstehen, wovor ein Weltmacher in der Ausbildung gewarnt wird. Es machte ihn unentbehrlich, daß kein Kollege sich bereit erklärt hatte, die Aufgabe der Überwachung zu übernehmen. Ersie S. tat das schließlich selbst und auf ganz besonders intensive Weise. Er legte damit den Grundstein für das Institut für vergleichende Ungereimtheiten.

Die Analyse der Vorgänge auf der Erde stellte sich als nützlich für das Weltenmachen heraus und bewirkte eine enorme Beschleunigung der Konfiguration der Ureinwohner eines neuen Planeten, wodurch ihm auch die Gründung des Ministeriums für angewandte Zeitersparnis zugeschrieben wurde. Ersie S. galt als der am häufigsten zitierte Weltenmacher aller Zeiten. Ein paar Mal hätten die Menschen beinahe eine seiner anderen Welten entdeckt, doch seine Routine als Weltmacher und die Erkenntnis, daß auch die späte Korrektur eines Fehlers ein Werk veredeln kann, veranlaßten ihn zu einer untätigen Wachsamkeit, bzw. wachsamen Untätigkeit.

Er konnte beobachten, daß die Menschen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, ob sie die einzige intelligente Spezies der Welt waren, ihre Ressourcen so nachhaltig ausbeuten mussten, daß deren Zivilisation kurz vor dem Durchbruch ihrer Technologie zugrunde ging. Einige seiner Welten gefielen ihm recht gut, und Ersie S. hatte sich bei der Erschaffung der Erde die größte Mühe gegeben. Als es jedoch abzusehen war, daß ihr Schicksal besiegelt war, drückte Ersie S.den Reset-Button.

Anemone und Unhold hörten seinen Ausführungen gespannt zu, waren aber nicht in der Lage, zu sprechen. Ersie S. entschuldigte sich dafür und erklärte ihnen am Ende ihrer Begegnung, daß Unhold und Anemone die unerklärlichen Phänomene und die Unterhaltung mit ihm nur für einen Traum halten würden, wenn sie aufwachten. Er wollte ihnen noch ein Geschenk machen, ermahnte sie zu einer kurzen Antwort, brachte ihnen mit einem Fingerschnipsen die Sprache zurück und fragte nach ihrem größten Wunsch. Anemone und Unhold waren sich ohne Diskussion einig. Sie wünschten sich einen kleineren Penis für Unhold.

Ende der ersten Staffel.
Vorschau
Trailer zur zweiten Staffel

Rückblick

Zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Menschen werden die Lebenswege entrissen und stehen vor der Herausforderung, eine gemeinsame Zukunft zu gestalten. Ihre Möglichkeiten sind begrenzt und unendlich zugleich. Ohne die technologischen Errungenschaften ihrer Vergangenheit, aber mit vielfältigen Fähigkeiten ausgestattet beginnen sie mit der Gestaltung einer neuen Welt. Verschont geblieben von evolutionärem Rückschritt und gesegnet mit hohen moralischen Ansprüchen beginnen sie mit der Besiedlung des Planeten Erde.
Tatkräftig, unbeirrbar und ungestört, oder kommt es etwa doch ganz anders?

Nächste Woche exklusiv im JOYclub
Die neuen Abenteuer von Unhold und Anemone Ming.


Werden sie ihr Werk fortsetzen können oder einem dubiosem Weltenmacher aus der Patsche helfen müssen?

Werden sie Ding Dong kennen lernen?

Wer ist Ersie S. und wer sind seine Kollegen?

Kann Ersie S. seine Schummelei mit der Erde verheimlichen?

Wird Unhold einen adäquaten Penis erhalten?

Wie gestalten Anemone und Unhold ihre Hochzeit?

Was geschieht mit einer Schlackelbramme, wenn statt der Dunstmurmel eine Dampfpastille eingesetzt wird?

Und was sind eigentlich Bimmler?

In wenigen Tagen hier zu lesen:
Auf der Suche nach der Menschheit – Staffel 2
****en Frau
18.202 Beiträge
*******ietz:
Er wollte ihnen noch ein Geschenk machen, ermahnte sie zu einer kurzen Antwort, brachte ihnen mit einem Fingerschnipsen die Sprache zurück und fragte nach ihrem größten Wunsch. Anemone und Unhold waren sich ohne Diskussion einig.
Sie wünschten sich einen kleineren Penis für Unhold.


Was für ein großartiger Cliff-Hänger!
(Wobei man dem Kleinen natürlich vielmehr Standhaftigkeit wünscht... *zwinker* )
Auf der Suche nach der Menschheit - Ding Dong
Freybert Obertyp von Glok

Ersie S. beendete die Simulation des Talk-Show-Studios und kehrte in seine tatsächliche Form zurück. Der menschliche Körper, den er angenommen hatte, um seinen Gästen Anemone Ming und Unhold die Unterredung angenehm zu machen, war ihm als Agoraphobiker sehr unangenehm gewesen. Er hatte den Besuchern zusätzlich eine falsche Größe vorgegaukelt, um sie zu beeindrucken. In Wahrheit war er so groß wie eine Milbe und sah auch beinahe so aus. Die Weltmacherwerkstatt war von der Größe eines Streichholzkopfes und der gesamte Komplex der technischen Abteilung des Ministeriums für Zeitersparnis hätte in einer Streichholzschachtel verloren ausgesehen.

Den Wunsch von Anemone Ming und Unhold hatte Ersie S. wohlwollend erfüllt, indem er den überdimensionalen Penis Unholds gegen einen für Anemones Anatomie passenden eintauschte. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, den Wunsch nach einem kleineren Penis auf witzige Weise mit einem Mikropenis zu erfüllen, doch das hätte den Neuanfang nur zusätzlich erschwert.
Durch den Neustart war auch der Nachbarplanet der Erde, Ding Dong, indirekt betroffen, so dass er die Erkenntnisse über die Erde, welche die Bewohner von Ding Dong bereits gesammelt hatten, rigoros löschen musste.

Seine nächste Aufgabe bestand nun darin, eine Inventur durchzuführen, um sicher zu sein, dass sich auf Ding Dong keine Hinweise auf die Erde vor dem Neustart befanden. Ersie S. konnte das ohne Eile erledigen, da sich die Siedler auf der Erde, Anemone Ming und Unhold, trotz ihrer in der Vergangenheit erworbenen Fähigkeiten am Anfang der Urbarmachung befanden. Er hatte sich aber im Kalender den neunten Monat nach dem Penistausch angekreuzt, um den Nachwuchs zu begutachten.

Ersie S. wollte die Inventur mit dem Überblick auf die Konfiguration von Ding Dong beginnen. Dazu setzte er eine Dampfpastille in die Schlackelbramme ein, drehte den dreieckigen Regler auf „Config“, drückte den Schalter mit der Aufschrift „Jetzt“ und wartete. In wenigen Augenblicken sollte die Konsole mit dem Planetikon heraus klappen. Ein Rumpeln deutete auf einen Fehler hin. Ersie trat mit drei seiner Beine gegen die Schlackelbramme. Das Rumpeln wurde schlimmer. Aus den Augenwinkeln sah er die Dunstmurmel im Werkzeugkasten liegen. Er geriet in Panik und versuchte, die Dampfpastille heraus zu ziehen, um sie durch die passende Dunstmurmel zu ersetzen. Alarm von ohrenbetäubender Lautstärke ertönte und die rote Lampe über der Eingangstür rotierte. Ersie hatte den Fehler begangen, vor dem von den ersten Wochen der Ausbildung an bis zu deren Ende gewarnt wurde.

Ersie S. wurde für die Beschädigung der Schlackelbramme zur Verbannung auf den von ihm selbst erschaffenen Planeten Ding Dong verurteilt. Das sollte für seine Kollegen ein Ansporn sein, ihre Welten nicht leichtfertig zusammen zu zimmern, sondern gar höheren Wesen wie ihnen als Residenz reizvoll zu machen. Ersies Projekt Erde wurde in den Zustand vor dem Neustart versetzt und an einen Kollegen vergeben. Aufgrund seiner Verdienste wurde Ersie S. erlaubt, Unhold und Anemone Ming mit auf den Planeten Ding Dong zu nehmen. Das ersparte ihnen, als neu formatierte Blanko-Kreaturen in die Kiste geworfen zu werden, aus der sich seine Kollegen bedienen konnten, wenn sie eine Kreatur erschaffen wollten.

Ersie S. erhielt eine neue Identität und eine angepasste Gestalt. Er konnte aus vorgegebenen Möglichkeiten wählen. Er entschied sich für einen männlichen Rumpf von mittlerer Statur, sportlicher Muskulatur, einem Schädel mit kantigen Gesichtszügen, schwarzem, glatten Haar und einer sonoren Stimme mit leicht heiserem Unterton. Es gelang ihm, den neuen Besitzer seiner Werkstatt gegen die Preisgabe von geheimen Tricks für die Überlistung der Wettermaschine dazu zu bringen, Unholds abgelegten Penis mit dem für ihn vorgesehenen Standardmodell zu tauschen. Den Namen Ersie S. musste er ablegen und nannte sich Freybert Obertyp von Glok. Er hatte sich von Namen inspirieren lassen, die sich von gewöhnlichen Namen unterschieden. Adelstitel waren sowohl auf der Erde, als auch auf Ding Dong beliebt und der Titel Obertyp schien für ihn passend zu sein.

Bimmler
Ureinwohner und angestammte Bewohner von Ding Dong.

Die Neubürger von Ding Dong wurden in der Hauptstadt Mittelfingen untergebracht. Für Unhold und Anemone war eine 3 Zimmer-Wohnung im Stadtteil Blumending vorgesehen und Freybert Obertyp von Glok wurde eine Loft im Dachgeschoss des Gotya-Towers zugewiesen. Ein Koffer mit je 50 000 Batzen Startkapital für Jeden, frische Wäsche für 3 Tage und Jahreskarten für die AnalFortze (Analoge Fortbewegungszelle) wartete in den Wohnungen auf sie.

AnalFortZe
Analoge Fortbewegungs Zelle
Personentransport mit Gesprächstherapie
durch Fahrer mit Psychiatik-Diplom.

Batzen
Währung.
1Batzen entspricht dem
zehntausendsten Teil des Betrages,
der an einem Tag ausgegeben werden kann.

Anemone und Unhold wurden während ihrer Hochzeitszeremonie direkt in den Warteraum der Einwanderungsbehörde gesaugt. Der entstandenen Tumulte wegen wurden sie gleich als Nächste dran genommen. Der Einwanderungskommissar war von Anemones Hochzeitskleid sehr angetan und fummelte an ihren Brustwarzen herum. Nach einem Nasenstüber von Unhold und Erledigung der Formalitäten ließ der Kommissar mit blutender Nase die frisch Vermählten durch die Hintertür hinaus, wo eine Analfortze wartete, um sie in ihre neue Wohnung zu bringen.
Glok, der gleichzeitig im Wartezimmer gesessen hatte, ließ sich in seine Loft bringen und rief die Mings an. Er lud sie für den nächsten Tag in ein Lokal ein, wo er sie über alles Geschehene aufzuklären gedachte. Über eine Sache war er sich noch nicht im Klaren. Einwanderer ist es auf Ding Dong untersagt, Nachwuchs zu bekommen. Die Verfügung wurde der Verwaltung ausgerechnet von ihm selbst, als er noch Ersie S. war, untergeschoben. Freybert Obertyp von Glok machte sich gedanklich darauf gefasst, auf weitere Seltsamkeiten zu stoßen, für die er die Verantwortung trug. Für den Rest des Tages seiner Ankunft nahm er sich nichts vor, außer die Eigenschaften von Unholds Ex-Penis kennen zu lernen.

Die Mings waren sauer. Sie hätten Freybert Obertyp von Glok am liebsten alle Knochen gebrochen. Doch das musste warten. Die Hochzeitszeremonie war an einer Stelle unterbrochen worden, auf die sich Beide sehr gefreut hatten. Unholds neuer Penis kam dazu wie gerufen. Nach einem zweistündigen Koitus verließ sie die Kraft. Sie ließen eine AnalFortZe kommen und fuhren zu dem vom Fahrer empfohlenen Lokal. Auf dem Weg dorthin wurden ihnen eine Therapie gegen Oneirogmophobie zuteil.

Oneirogmophobie
Angst vor feuchten Träumen (Träume sexueller Inhalte)

In dem Lokal mit dem Namen „Gib Alles!“ war kein Tisch mehr frei. Ein Bimmler in einem orangefarbenen Smoking eilte zu ihnen und bat sie um einen Moment Geduld. Er ging zu einem Tisch, an dem eine Bimmlerfamilie saß und warf deren Teller und Gläser durch ein offenes Fenster. Die Familie beförderte er mit Fußtritten aus dem Lokal. Den Mings raunzte er zu, daß sie sich keine Sorgenmachen sollten. Diese Gäste hätten schon bezahlt. Dabei deutete er auf ein Plakat mit der Aufschrift „Deutsche Wochen.“ Heute sei Berliner Abend, ein kultureller Glanzpunkt, den sich der gerade gekürte Staatspräsidenten „Käpten Ähem“ ausgedacht habe.

Staatsoberhaupt
Der Gewinner der TV-Quiz-Show Wahlen wird von den Zuschauern schon vor der Show gewählt und erhält den Namen Käpten Ähem. In der Show wird durch allerlei Hilfen, wie Spickzettel, Vorsagen oder anderen Hinweisen, sowie offener Manipulation der Sieg über seine Gegenspieler ermöglicht. Der Reiz liegt darin, selbst dem dümmsten Bimmler gewinnen zu lassen. Die TV-Show hat Einschaltquoten von mehr als 98 %.

Anemone und Unhold Ming bestellten eine Burger-Platte "Machs Maul auf!" und zwei Flaschen "Schluck, Du Sau!" Sie verneinten die Frage, ob sie gleich bezahlen wollten. Beim Essen sprachen die Mings über ihr neues Leben. Sie teilten die Verwirrung über den fremden Planeten und nahmen sich vor, den Schöpfer von Ding Dong „mal kräftig zur Seite zu nehmen", wie Unhold es ausdrückte. Für den kommenden Tag stand Jobsuche auf dem Programm. Der Einwanderungskommissar hatte ihnen eine Mappe mit Jobangeboten mit gegeben, die sie beim Nachtisch studierten.
Das Rembrandt-Kuratorium suchte Mitarbeiter mit guten Irdisch-Kenntnissen und bevorzugte menschliche Kreaturen.

Altmeisterlich
Ein Synonym dafür, einen Trend zu etablieren, um bei Erfolg
durch Lizenzen den Bimmlern die Batzen aus der Tasche zu ziehen.
Reaktion auf den Erfolg des Goethe-Institutes, das sich Begriffe
gesetzlich schützen ließ, die im Zusammenhang mit Goethe
oft benutzt werden, zum Beispiel „Goethes Faust“.
Die Benutzung des Wortes Faust ist somit gebührenpflichtig.
Nachahmer fand das Goethe-Institut in der Rubens-Stiftung,
die sich den Begriff „Rubensfrau“ schützen ließ.
Das Rembrandt-Kuratorium hat beschlossen,
den Bimmlern Rembrandt näher zu bringen.
Sie wollen den Zug nicht verpassen und eine
Rembrandt-Manie entfachen. Dazu suchen sie Menschen,
die ausloten, wie die Batzen eingesammelt werden können.

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Auf der Suche nach der Menschheit - Ding Dong
Freizeit & Arbeit

Unhold hasste Ding Dong vom ersten Moment an. Alles war genau so, wie er es nicht wollte. Er sehnte sich nach der Natur auf der Erde, so wie sie zum Schluss gewesen war. Ding Dong hatte keine erbaulichen Elemente für ihn. Wäre er allein gewesen, hätte er nach einem Unterschlupf gesucht, der seinem Erdenkloster ähnlich gewesen wäre. Mit Anemone zusammen war das keine Option. Es stand nicht zur Disposition, sie zu verlassen, also nahm er sich vor, das Beste aus dem Leben auf diesem skurrilen Planeten zu machen.
Anemone war unterwegs, um Arbeit zu suchen. Unhold nutzte die Zeit, um sich über Ding Dong zu informieren. So war es ihm vielleicht möglich, Anemone zu unterstützen. Unhold begab sich zur Zentrale der Schlauberger. An der verschlossenen Eingangstür klebte ein Schild mit der Aufschrift:

Wenn Du den Hinweis auf unsere Öffnungszeiten gelesen hättest, würdest Du jetzt nicht hier herumstehen in all Deiner Jämmerlichkeit. Warum gehst Du nicht in die Kneipe gegenüber und säufst Dir einen an, wie Deine zurückgebliebenen Kumpels?
Gezeichnet:
Der Direktor

Unholds Motivation sank auf den Nullpunkt. Er blickte zur anderen Straßenseite hinüber und entdeckte die besagte Kneipe. Er hatte kein Bedürfnis auf Gesellschaft von Bimmlern, die möglicherweise noch schlechter gelaunt waren, als er selbst, doch es interessierte ihn, wie es dort zuging. Als er sich der Eingangstür näherte, schwebte ihm ein Getränkeautomat entgegen. Er verfügte über 4 Rotoren an der Unterseite und zwei Richtungsflügel. Auf seiner Vorderseite prangte die Aufschrift „Kanüle“.

Kanüle
Kalt Natürlich Lecker
Getränkebot. Sucht sich Konsumenten selbständig, indem er auf Straßen und öffentlichen Plätzen seine Runden dreht.

Der Automat schimpfte in Richtung der Kneipe, es sei ein Skandal, dass er nicht bedient werde, warum denn einem Getränkeautomaten kein Getränk serviert werde und dass er dafür sorgen werde, dass diese Kaschemme auseinander genommen werde, schließlich habe er mächtige Freunde. Der Automat war so erzürnt, dass er rückwärts schwebend mit Unhold zusammen stieß. Dabei brach einer der Propeller ab, was ihm unmöglich machte, geradeaus zu schweben. Kanüle drehte sich im Kreis und stieß weitere Verwünschungen aus. Unhold hielt ihn fest und brach den Propeller neben dem beschädigten ebenfalls ab. Als er ihn wieder los ließ, schwebte Kanüle wieder geradeaus, wenn auch in leichter Rückenlage. Kanüle bedankte sich bei Unhold und spendierte ihm zum Dank eine Dose Kulmentruller Kolterplacke, die geräuschvoll in seinem Ausgabefach erschien. Unhold zögerte, doch Kanüle beruhigte ihn. Er könne ohne Bedenken in ihn hineingreifen, das sei schon in Ordnung und eigentlich mag er das sogar. Ob er denn schon etwas vor habe mit dem Tag, wollte Kanüle von Unhold wissen und was er davon hielt, gemeinsam einen drauf zu machen. Unhold nahm die Getränkedose an sich, verabschiedete sich mit einem kurzen Gruß und beeilte sich, möglichst schnell nach Hause zu kommen. Er hatte erst mal genug gesehen.

Währenddessen saß Anemone im Rembrandt-Kuratorium, wo Rodscher, ein Vertreter der Personalstelle, ihre Referenzen zu prüfen den Auftrag hatte. Anemone war zunächst irritiert von des Bimmlers Aussprache, die höchste Konzentration erforderlich machte.

Sprache der Bimmler
Anatomische Ursachen machen dem Bimmler die Aussprache von Wörtern mit "S" und "Sch" auf die für sie fremde irdische Weise unmöglich.


(Zum Zweck des besseren Verständnisses schaltet die Erzählung nun in den Dialogmodus um. Dialoge werden nun feste Bestandteile der folgenden Episoden sein.)

„Chie chind alcho ercht cheit gechtern hier. Tchunächst einmal hertchlich Wilkommen auf uncherem chönen Planeten. Entchuldigen Chie meine Chwierigkeiten mit der Auchprache. Ich verchichere Ihnen, mein Bechtech tchu tun, nicht falch verchtanden tchu werden.“
Anemone erklärte, daß sie keine Referenzen besitze:
„Ich habe mich bisher noch nicht mit Rembrandt beschäftigt und ehrlich gesagt fällt mir kein einziges Wort ein, welches mit Rembrandt in Verbindung gebracht werden könnte“.
„Weinbrand?“ fragte Rodscher und Anemone verneinte:
„Danke, nicht so früh am Morgen.“
„Nein, meine Frage betraf den Namen Weinbrand. Könnte man Weinbrand aufnehmen und dann verbieten?“
„Weinbrand hat aber nichts mit Rembrandt zu tun“, entgegnete Anemone.
„Aha, Blöd. Und Remoulade? Wir Bimmler lieben Remoulade, können kaum genug bekommen vor allem von der Remoulade, die wir von den Romulanern bekommen. Wir könnten Millionen verdienen, wenn Remoulade ein Rembrandt-Wort wäre.“

Anemone zweifelte mehr und mehr an der Seriosität des Unterfangens, Rembrandt als Vehikel für Urheberrechtsverletzungen zu gebrauchen. Sie blickte sich verstohlen um und suchte nach versteckten Kameras. Den Bimmlern würde sie zutrauen, dieses Treffen für eine TV-Show aufzuzeichnen, nach allem, was sie am Vorabend im Fernsehprogramm entdecken musste. Der Höhepunkt der leichten Unterhaltung schien Schnittwurstdittschen zu sein, eine Sportart, die wie so Vieles ein irdisches Vorbild hatte.

Schnittwurstdittschen
Die Kombattanten versuchen, durch eine spezielle Art des Werfens eine Scheibe Wurst auf einer Wasseroberfläche abprallen zu lassen. Die Anzahl der Aufschläge wird mit der Entfernung multipliziert, in der die Wurstscheibe im Wasser versinkt. Eigens zu diesem Zweck gegründete Metzgereien fungieren als Sponsoren, die ihre Sportler mit verschiedenen Wurstsorten ausrüsten. Weil der Verzehr von Wurst auf Ding Dong vom Ministerium für Schnabulieren als nicht artgerecht verboten wurde, verstößt Schnittwurstdittschen nicht gegen das Prinzip, dass mit Essen nicht gespielt wird.

„Ich fürchte, wir kommen in dieser Sache nicht zusammen, Rodscher“, sagte Anemone, worauf Rodscher errötet antwortete: „Wohl kaum. Obwohl bereit für eine Affäre würde meine Ehe darunter leiden. Und betreffend der Rembrandt-Idee können wir Ihnen leider keine Arbeit anbieten. Tut mir leid.
Ich wünche Ihnen eine chöne Tcheit. Chie finden allein rauch?“
Auf der Suche nach der Menschheit - Ding Dong
Schreibwaren

Als Anemone Ming von ihrem Bewerbungsgespräch nach Hause kam, war Unhold nicht da. Sie wunderte sich nicht, wusste sie doch von Unholds Abneigung, seine Zeit nutzlos zu vergeuden. Sie hatte den Briefkasten geleert und besah sich die eingegangene Post. Erstaunlicherweise war die Anzahl der Einladungen zu Vorstellungsgesprächen für Arbeitsstellen sehr hoch, obwohl sie erst vor einem Tag auf Ding Dong angekommen war. Noch erstaunlicher war, dass für Unhold keine Angebote dabei waren. Das verstärkte ihr Misstrauen gegen offizielle Stellen. Sie ergänzte die Notizen, die sie auf ein Papier geschrieben hatte, um Bemerkungen zum Rembrandt-Kuratorium.
Das Papier war ihr mitsamt eines Stiftes als Werbegeschenk von einer Firma zugestellt worden, die laut Eigendarstellung biomagische Gebrauchsgegenstände produzierte. Anemone hatte den Werbetext nicht gelesen und konnte sich an den Namen der Firma nicht mehr erinnern. Der Stift lag sehr gut in der Hand und das Schreiben ging ausgesprochen flüssig. Das Einzige, was Anemone störte, war die Tatsache, dass der Stift ausschließlich auf dem mitgelieferten Papier funktionierte. Das Papier war außergewöhnlich weiß und lag fest auf dem Tisch, wenn sie es beschrieb. Sie musste es nicht festhalten und auch der Wind, der vom geöffneten Fenster herein wehte, konnte das Papier nicht fort tragen.
Anemone mochte es sehr, diese Kombination aus Stift und Papier zu benutzen und hatte vor, sich ein Paket von dem Papier und einen Ersatzstift zuzulegen. Sie suchte nach der Verpackung und fand sie in dem Abfallhaufen, der sich vor dem Haus auftürmte. Dabei fiel ihr auch der Name der Herstellerfirma wieder ein, nämlich „Abfallprodukte“. In der Schachtel fand sie eine Gebrauchsanleitung, die sie amüsiert beiseite legte, denn die Verwendung von Stift und Papier war ihrer Auffassung nach so ziemlich der letzte Vorgang, der erklärt werden musste. Anemone fand keine Hinweise darauf, wo das Produkt gekauft werden konnte und begann schließlich doch, die Gebrauchsanweisung zu lesen, in der Hoffnung, auf die Bezugsquelle zu stoßen.
Am Ende der Anleitung war ein Hinweis in Kleinbuchstaben vermerkt, den sie nur mit größter Mühe entziffern konnte.

Biomagischer Kritzler
In Papierform gebrachtes Speichermedium. Durch einen Spezialstift wird das darauf Geschriebene in der Unterlage gespeichert und analysiert. Bei Übereinstimmung von notierten Themen mit Einträgen in der Datenbank des Konzerns „Gotya“ wird die entsprechende Notiz sinnvoll ergänzt und an Dritte weiter geleitet, welche nach Lösungen für etwaige Probleme suchen und diese dem Benutzer des Biomagischen Kritzlers in adäquater Form zukommen lassen.

Anemone versuchte, das Papier zu zerreißen, doch das war eben so wenig möglich. wie ein Zerschneiden mit Hilfe einer Schere. Sie empfand eine zunehmend größer werdende Abneigung auf das Leben in dieser Welt und verspürte das Verlangen, Ding Dong zu verlassen und wenn das nicht möglich sein sollte, immerhin zu bekämpfen.
Auf der Suche nach der Menschheit - Ding Dong
Die Goldene Gans


Als Freybert Obertyp von Glok im Gasthaus „Zur goldenen Gans“ eintraf, saßen die Mings bereits an einem der Tische. Glok ging zielstrebig auf die Beiden zu und stellte sich vor. „Freybert Obertyp von Glok, ehemals bekannt unter dem Namen Ersie S.“, sagte er mit leicht überheblichem Tonfall. „Sie sind also der Verantwortliche für diesen grauenhaften Planeten. Sie sollten sich schämen“, sagte Anemone und sah Glok feindselig an. „Was sie mit der Erde gemacht haben, war schon unter aller Sau, aber das hier ist eine Zumutung für jedes vernunftbegabte Wesen.“ Gloks Gesichtsausdruck änderte sich von arrogant zu deprimiert. Er setzte sich zu den Mings und blickte schweigend auf die rot-weiß karierte Tischdecke. Ein rotnasiger Ober in einem Trachtenanzug erschien an ihrem Tisch und bat um die Bestellungen. Unhold wählte eine Pfälzer Schlachtplatte und ein Pils, Anemone bestellte einen gemischten Salat und eine Weißweinschorle. Glok überflog die Speisekarte und entschied sich für einen Sauerbraten mit Kartoffelknödeln und eine Maß Bier.

„Nette Kneipe, finden Sie nicht auch? Der Besitzer ist ein Einwanderer von der Erde. Die Bimmler lieben alles, was von der Erde stammt“, sagte Glok. „Also kommen Sie zur Sache! Warum haben Sie uns hierher bestellt? Gibt es etwas, das wir tun können, um sie nie wieder zu sehen?“ fragte Unhold. „Es ist auch für mich nicht einfach. Ich habe immerhin meinen Körper wechseln müssen. Haben Sie eine Ahnung, wie schmerzhaft das ist? Aber das ist gar nichts gegen die seelischen Nöte, die ich erleiden muss, weil die von mir erschaffen Eigenschaften dieser Welt nicht so drollig sind, wie sie auf einen Außenstehenden wirken. Offen gesagt, ich habe große Schwierigkeiten, hier zurecht zu kommen. Am liebsten würde ich Ding Dong wieder einstampfen lassen, aber das geht jetzt nicht mehr.“

Glok erklärte den Mings, dass er zwar die Grundlagen für die Entwicklung von Ding Dong definiert habe, die Entwicklung selbst jedoch allein durch die dort ansässigen Kreaturen bestimmt werden. Dass die Probleme der Menschen auf der Erde nicht von ihm gewollt waren, verstehe sich von selbst, behauptete er. Das sei auch der Grund gewesen, der Erde einen neuen Versuch zu geben. „Das autarke Leben als Landwirte hat Euch doch gefallen, oder etwa nicht? Was sich daraus entwickelt hätte, wäre dann nicht meine Idee gewesen. Ich habe allerdings einen Trick angewandt, der nicht erlaubt war. Ich habe Eure Fähigkeiten nicht zurückgesetzt, also quasi Eure durch die Evolution entwickelten körperlichen und geistigen Möglichkeiten nicht beschränkt. Ding Dong hat natürlich eine andere Grundlage. Das ist für einen Weltenmacher eine Anforderung, um Entwicklungen miteinander zu vergleichen.“ Anemone erwiderte: „Die Unterschiede zwischen Erde und Ding Dong sind nicht so groß, wie Sie behaupten. Schauen sie sich doch mal um. Diese Kneipe hier zum Beispiel ist irdischer als das Original. Es fehlt nur noch, dass zu Volksmusik geschunkelt wird.“

Just in diesem Moment trat ein Mann in einer Lederhose hinter der Theke hervor. Die Gäste applaudierten frenetisch und prosteten sich zu. Der Mann sprach in ein Mikrofon: „Ja servus mitanand. I bin der Hackelberrry Schorsch und i mecht eana ahn Liadl singa. Grad heit in dera Zeit wo olles grad umanand folln tuat, is des woss d Leit braucha Gemiatlichkeit. Packts die Sorng in a Mass und singts mit. Auf geht’s. Oans Zwoa Drei Vier.“ Aus den Lautsprechern dröhnte ein ohrenbetäubender, brachialer Lärm. Hackelberry Schorsch bewegte die Lippen zu einem Vollplayback und die Gäste sangen lauthals mit: „Willst Du bis der Tod Euch scheidet treu sein für alle Tage? Ja. Nein. Ja. Nein.“

„Zeit zu gehen“, rief Freybert Obertyp von Glok, winkte den Kellner herbei und zahlte die Zeche. Der Kellner warf das Geschirr mitsamt der Speisereste durch das Fenster. Vor der Goldenen Gans hielten die Mings Ausschau nach einer AnalFortZe, doch Glok hielt sie zurück: „Warten wir einen Moment, ich möchte Ihnen jemanden vorstellen. Es gibt natürlich auch eine Gegenbewegung zur offiziellen Regierung. Eine illegale Untergrundbewegung. Da kommt er ja. Darf ich vorstellen? Den Leiter der Untergrundbewegung „Die Opfer“, Ortsgruppe Mittelfingen: Hackelberry Schorsch.
Die Opfer
Untergrundbewegung. Gegründet vom Erfinder und ehemaligem Chef des Informationsdienstleisters "Gotya", Elmar Phap.
siehe Gotya, Phap.

Auf der Suche nach der Menschheit - Ding Dong
Gotya
Größtes Dienstleistungsunternehmen auf Ding Dong. Gotya-Gründer Elmar Phap hatte die Idee für sein Geschäftskonzept im Alter von 14 Jahren. Er saß auf dem Hochsitz seines Vaters, der diesen als passionierter Förster in dem damals noch unbedeutenden Dörfchen Mittelfingen errichtet hatte. Phap genoss den Überblick über die Umgebung auf dem Turm, an dessen Stelle heute der Gotya-Tower steht. Mit Hilfe des Fernglases seines Vaters konnte Phap die Bewohner seines Heimatdorfes bei ihren Beschäftigungen beobachten und verband das mit seiner zweiten Leidenschaft, dem Erstellen von Statistiken. Seine Einblicke wurden schließlich gegen Zuschüsse auf sein Taschengeld von Mittelfingern in Anspruch genommen, die sich aus verschiedenen Gründen über andere Mittelfinger informieren lassen wollten. Die Einnahmen aus diesem Geschäft investierte Phap in ein Ding Dong Ding-Interface (DDD entspricht dem WWW). Probehalber suchte er nach Einträgen über seinen Vater. Er benutzte dafür Suchmaschinen wie Giggle und deren Erweiterung Giggle-Dong, einer Abbildung des gesamten Planeten, die täglich aktualisiert wird. Dazu kamen Einträge in der „Quatschbox“ und anderen Medien (Auf der Erde „soziale Medien“ genannt), sowie persönliche Blogs, Videoportale und diverse andere Informationsquellen, die im Ding Dong Ding (DDD) zu finden waren. Phap schrieb ein Programm, das aus allen frei zugänglichen Quellen sämtliche Informationen über eine Person und ihr Umfeld sammelte, miteinander verglich und nach der Anwendung von durch Phap definierte Filter in bis dahin nicht für möglich gehaltener Geschwindigkeit ein Profil des Gesuchten ausgab, welches so detailliert war, daß selbst Geheimdienste Elmar Phap bemühten, wenn sie selbst nicht weiter kamen oder in Eile waren.
Das Dorf Mittelfingen wuchs durch den Erfolg der stetig wachsenden Wirtschaftskraft von Gotya innerhalb eines Jahrzehnts zu der größten Metropole des Planeten. Elmar Phap leitete das Unternehmen bis zu dem Tag, an dem er sein eigenes Profil gegiggelt hatte. Danach löschte er alle Einträge über ihn, verkaufte Gotya an Giggle, löste sein Bankkonto auf und verschwand bis heute unauffindbar. Insider glauben, daß Phap die Untergrundbewegung „Die Opfer“ gegründet hatte, welche für Anschläge gegen seine ehemalige Firma verantwortlich gemacht wird. In der Bevölkerung genießen „Die Opfer“ zwar keinen nennenswerten Rückhalt, über Elmar Phap jedoch wird seit seinem Abgang immer wieder von angeblichen Sichtungen berichtet, vornehmlich in der Zeit vor dem Winterfest „Prinzip Sanfter Klaus“ ab dem Sommer eines jeden Jahres (Das Projekt Sanfter Klaus wurde mit dem Vorbild des Weihnachtsfestes von der Schnapsbrenner-Innung gegründet. Nicht wenige Bimmler halten Elmar Phap für den Sanften Klaus).

Brotzeit

Der Hackelberry Schorsch schickte die AnalFortZe wieder weg, die sich ihnen genähert hatte. Er begründete das mit einem halblaut dahin gesagten „Stinker“ (Verräter). Er bestand darauf, zu Fuß zu gehen und lud die Mings ein, sich ihm anzuschließen. „Ihr seids doch Refolutzer, odanet? Der Berti hot riesig gschwärmt vun Eich, gell Berti?“ Freybert Obertyp von Glok sah den Hackelberry Schorsch streng an. „Jamei, des moga net, der Berti. Oba i rett so wia mein Schnobel gwoxen is, stimmts Berti? Jetz sockt halde mol, wollts Eich uns oaschliassen. Mir kenna Jeden braucha. Die Refollte kommt net vun alleine. Unn au net mit demm Motorratt, gell Berti? Na dann gemma, mir hamms net weit. Grod die Strossen nunter. Auf geht’s.“

Anemone kniff Unhold in die Seite und nickte ihm kaum erkennbar zu: „Das interessiert uns. Wir sind gespannt“. Unhold grunzte ein „Von mir aus“ und Glok stöhnte entnervt. „Hack, bitte geh voraus. Und nenne mich nicht Berti. Das klingt so unseriös,“ bat Glok den eingewanderten Bajuwaren, der das mit einem „Drauf gschissn, i sog wos long geht. Wanns Dir net passt schleich Dich, Saukopf, miserabliger“, entgegnete.

Sie gingen gemeinsam die Straße entlang, bis Hackelberry Schorsch im Eingang einer Bäckerei verschwand. „Tarnung, na kommts scho weider“, rief er den zögernden Begleitern zu. In der Backstube waren Menschen damit beschäftigt, Brot herzustellen. „Hörts amoi olle her! Des san die Anemone, der Unhold unn der Berti. Zeigts eana olles. Wia schauts aus mit derer Kammpanje in der Früh? Habts scho olles bei anand?“ Fragte der Hackelberry Schorsch einen Mann, der eine Bäckersmütze trug und der antwortete: „Basstscho!“

Es stellte sich heraus, dass die Kampagne, die in den frühen Morgenstunden begonnen werden sollte, als eine Aktion gegen die Bildungspolitik der Regierung gedacht war. Nach Erkenntnissen einer Studie, welche den Bildungsstand in verschiedenen Städten miteinander verglichen hatte, belegte Mittelfingen den vorletzten Platz. Die wenigsten Punkte hatten die Mittelfinger im Lesen und Schreiben. Statt Parolen an Wände zu malen oder Demonstrationen zu veranstalten, hatten sich Mitglieder der Opfer etwas ausgedacht, das die Bevölkerung auf ihre Seite ziehen würde. Die Bäckerei-Filialen des Mehlverwerter-Multis Brotfront sollten benutzt werden, um das Volk zu unterrichten. Dazu sollten dessen Backwaren heimlich gegen solche ausgetauscht werden, auf denen mit Hilfe von Körnern kurze, prägnante Sätze angebracht worden waren. Auf einem Bauernbrot stand geschrieben: „Erst Lesen und Schreiben, dann Brot einverleiben“. Ein Weißbrot hatte den Schriftzug: „Ich back Dir Deine Meinung“. Auf der Marie Antoinette-Schnitte und der Rousseau-Rolle, den Spezialitäten der Firma Brotfront, stand mit Schokolade geschrieben: „Sie haben kein Brot? Dann sollen sie Kuchen essen“. Die Baguettes waren die beliebtesten Brote und erhielten die doppelte Länge für den gleichen Preis, da die Kern-Aussage der Kampagne mit Mohnkügelchen darauf zu lesen war:

Die Backwarengrossindustie hat die von ihr selbst verursachten Ernährungsgewohnheiten des Volkes nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie durch ökologisch unbedenkliche, der Gesundheit zuträgliche, ausbeutungsfreie Selbstbestimmung nachhaltig zu verändern!
Die misslungenen Exemplare mit Aufschriften wie „Esst mehr Brodt. Wegen der Dummheit“ oder „Wo man bäckt da lass dich ruhig nider. Selbs Möbelparker Maurer und Matrosne lesen wieder" waren besonders lange gebacken worden, um sie als Wurfgeschossene zu benutzen, falls das nötig werden sollte. Der Austausch war für 4 Uhr am Morgen geplant. Unhold erklärte sich bereit, zusammen mit Anemone die Hauptfiliale von Brotfront zu übernehmen. Freybert Obertyp von Glok stellte seine Dienste der Überwachung zur Verfügung. Froh darüber, daß sie endlich etwas tun konnten, um ihrer Verärgerung Luft zu machen, gingen die Mings nach Hause, um vorher noch etwas zu schlafen und zu ficken.
Auf der Suche nach der Menschheit - Ding Dong
Stinker

Pünktlich um 4:00 Uhr trug Unhold Kästen voller beschrifteter Backwaren in die Hauptfiliale von Brotfront. Den Lieferwagen mit den Originalen hatten andere Rebellen zuvor gekapert, den geknebelten Fahrer im Laderaum festgebunden, die Originalbackwaren im Dittschenweiher versenkt und mit den beschrifteten ersetzt. Der übermüdete Verkäufer schaute kurz auf, als Unhold die Ladentür aufstieß und nuschelte ein „Morng“ in den Raum und „Neuech Gechicht?“ „Nein“ antwortet Unhold, „das habe ich schon lange“, worauf der Verkäufer zu kichern begann und Unhold eine erhobene Hand entgegenstreckte. „Aha. Gib mir Fünf ist hier als auch verbreitet“ dachte Unhold und klatschte eine seiner Pranken auf die Hand des Bimmlers. Im gleichen Moment schloss sich eine Fessel um Unholds Handgelenk. Das andere Ende der Fessel war an einem dicken Eisenring im Boden befestigt. Offensichtlich war der Ring vor kurzem im Boden einbetoniert worden. Unhold wartete im Schneidersitz auf das Eintreffen der Bullen und dachte darüber nach, wer ihn oder die Opfer verpfiffen haben könnte.

Die Bullen kamen mit heulender Sirene angefahren und hatten Mühe, ihr Fahrzeug vor dem Bäckerladen zum Halten zu bringen. Der Fahrer stieß sich bei der Vollbremsung die Nase an und blutete seine in lila Pastelltönen gehaltene Uniform voll, als er Unhold gegenüber stand.

Bullen
Vom Staat angestellte Bimmler mit für ihre Aufgaben streng angepasstem Profil.
Wichtigste Parameter
Aufgaben:
1. Festsetzen von Straftätern und Einschüchtern der Sympathisanten.
2. Schnell Auto fahren.
3. Aufgaben in kürzest möglicher Zeit erledigen.
4. Kein Infragestellen der Aufträge.
5. In allen Fällen ausnahmslos die Wahrheit sagen.

„Chocho, damit haben Chie nicht gerechnet, Chie Chweinehund. Chwingen Chie ihren Arch in den Wagen. Chie chind fechtgenommen.“ Unhold riss an der Kette seiner Fessel und zog den Ring aus dem Boden. Die beiden staunenden Bullen gingen einen Schritt zurück, als Unhold an ihnen vorbei ging, um sich in den hinteren Teil des Bullenwagens zu zwängen. Während der Fahrt zur Bullenwache schaute Unhold im mittleren Rückspiegel dem fahrenden Bullen in die Augen. Er hielt Unholds Blick nicht stand und schwitzte. Sein ganzer Körper zitterte.
„Wer?“ fragte Unhold. Der Bulle auf dem Beifahrersitz antwortete:
„Cheltchame Chprache.“
Unhold konnte sich trotz seiner negativen Lage ein Grinsen nicht verkneifen. Er war überzeugt davon, den Knast in kürzester Zeit wieder verlassen zu haben. Dafür würde Anemone schon sorgen und dann ginge es Hackelberry Schorsch an den Kragen.

Anemone war dafür eingeteilt, Bimmler abzulenken, falls es notwendig werden würde. Zu diesem Zweck hatte sie ihr Hochzeitskleid angezogen. Sie wartete im hinteren Teil der Rebellenbackstube auf einen möglichen Einsatz. Hackelberry Schorsch saß an einem Schreibtisch und schrieb Notizen mit Hilfe eines Biomagischen Kritzlers. Das Papier hatte eine blassrosa Farbe und der Stift war mit roten und blauen Ringen gemustert. Anemone erkundigte sich nach dem Grund für die Farbabweichung mit dem Modell, das sie als Werbegeschenk erhalten hatte. Hackelberry Schorsch ignorierte ihre Frage und sprach leise vor sich hin: „Werds scho seng, werds scho seng. Hundsfotzn, ausgschamte. Zefix no amoi, werds scho seng.“ Anemone ahnte, dass nichts Gutes zu erwarten war, verließ sich aber auf Unhold, der ihr als Helfer in allen Lebenslagen zur Seite stehen würde. Sobald er wieder bei ihr wäre, würde sie ihn in ihren Verdacht einweihen, dass Hackelberry Schorsch etwas im Schilde führe, das über die Brotaktion hinaus ging.

Als sein magischer Stift zu blinken begann, räumte Hackelberry Schorsch seinen Schreibtisch leer und verstaute alles in einer abschließbaren Metallkiste. „Einsatz. Auf geht’s!“ sagte er. Sie stiegen in eine AnalFortze mit vergitterten Fenstern. Hackelberry Schorsch gab als Fahrtziel „Präsidium“ an und sagte zu Anemone: „Werds scho seng, werds scho seng.“
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Knastbrüder

Es dauerte 7 Stunden, bis Unhold in eine Zelle eingeschlossen worden war. Die Insel, auf der das Gefängnis errichtet wurde, lag am Ende einer Inselkette, die vor dem größten Kontinenten begann und sich quer über den Ozean zog. Ding Ding, wie das Gefängnis umgangssprachlich genannt wurde, lag damit genau auf der anderen Seite des Planeten. Der Gefangenentransport wurde mit einer Bullenwanne zum Flughafen von Mittelfingen, einem Turboprop-Flieger zur ersten Insel und mit Booten zwischen den Inseln bis Ding Ding bewerkstelligt. Unhold hätte spätestens auf einer der Inseln leicht fliehen können. Die Bullen, die ihn in wechselnder Besetzung begleiteten, waren keine ernst zu nehmenden Gegner. Sie jammerten unaufhörlich über die Feindseligkeit der Umwelt, der sie auf der Reise begegneten. Die Tiere, die auf den Inseln leben würden, seien die gefährlichsten Kreaturen, die man sich vorstellen könne und die Pflanzen seien geradezu hinterhältig boshaft. Unhold glaubte ihnen nicht. Er hielt das für einen Einschüchterungsversuch.

Unhold hatte zu Beginn des Transportes nicht geahnt, dass das Gefängnis so weit entfernt war. Er hatte die Hoffnung, dass Anemone ebenfalls verhaftet und zu ihm gebracht werden würde und schämte sich dafür. Seine Sehnsucht nach seiner geliebten Frau war grenzenlos und Unhold war vollkommen davon überzeugt, dass sie sich bald wieder in die Arme schließen würden. Als die Gefangeneninsel schließlich erreicht war, wurde Unhold in eine rostige Wanne gesperrt, die den letzten Teil der Reise mit quietschenden, knackenden und rumpelnden Geräuschen zum Eingang des Knastes zurücklegte, dessen dunkelgraue Mauern scheinbar endlos in den Himmel ragten. Eine Zugbrücke wurde über einen Bach mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit herabgelassen. Das gigantische Eingangstor öffnete sich langsam. Unhold wurden die Füße mit Ketten aneinander gefesselt. Das sich wieder schließende Tor tauchte den Innenhof in einen dunklen Schatten. Zwei Wärter von für Bimmler imposanter Statur, die Unhold jedoch nur bis zu seiner Brust reichten, warfen ihm düstere Blicke zu. Sie führten ihn in einen würfelförmigen Bau mitten im Hof. Dort rissen die Wärter das Mönchsgewand von Unholds Leib und führten ihn zu einem Bad, wo ein weiterer Wärter darauf wartete, Unhold mit kaltem Wasser zu bespritzen. Er erhielt ein Stück Seife, mit dem er sich reinigte und ein viel zu kleines Handtuch. Unhold trocknete sich ab, soweit das möglich war und zog die bereitliegende leuchtend rot gefärbte Gefangenenuniform an.

Auf dem Weg zu seiner Zelle wurde er von anderen Gefangenen, die ihn durch die Öffnungen in den Zellentüren beobachteten, mit Schmährufen traktiert. Als er in seiner Zelle stand fragte ein Wärter, ob er noch etwas sagen wollte, das sei wahrscheinlich das letzte Mal, dass ihm jemand zuhörte. Unhold fragte: „Kann ich mal telefonieren? Ich möchte meinen Anwalt anrufen“. Der Wärter brach in schallendes Gelächter aus und schloss Unhold ein. Er stand lange mitten in der Zelle und versuchte, an etwas erbauliches zu denken, doch außer Anemone fiel ihm nichts ein und selbst der Gedanke an Anemone verursachte ein Gefühl, das er bisher nicht gekannt hatte. Unhold war verzweifelt.

Er setzte sich auf einen grauen Kasten, der an einer Wand stand und bedeckte sein tränennasses Gesicht mit beiden Händen. Aus dem grauen Kasten unter ihm vernahm Unhold ein Geräusch. Es war ein Ächzen, das in Stöhnen überging. Er erhob sich und besah sich den Kasten genauer. An einer Seite erkannte der das Logo, das er vor der Kneipe gesehen hatte. „KaNüLe“, sagte Unhold, worauf der Kasten antwortete. „Na, wenn das mal nicht mein großer Freund mit dem Bademantel ist.“ „Mönchskutte, kein Bademantel“, antwortete Unhold. KaNüLe begann, piepsende und surrende Geräusche zu machen. Seine Oberseite öffnete sich und an den Seiten klappten Propeller heraus. Seine Vorderseite entpuppte sich als Rolladen, der sich nun einrollte und das Display mit den Elementen freigab, die ein Verkaufsautomat braucht. KaNüLe schwebte kichernd in die Höhe und fragte Unhold nach dem Grund für seine Gefängnisstrafe. „Ich habe mich bei einer Aktion der Opfer beteiligt. Jemand hat mich wohl verraten. Wenn ich den Kerl erwische...“

KaNüLe fragte nach Unholds Namen und war amüsiert über die Antwort. „Das ist ein sehr unpassender Name. Was die Leute sich dabei denken, wenn sie ihren Nachwuchs benennen, ist mir schleierhaft. Nimm es nicht persönlich. Aber hey, Großer, sei nicht betrübt. In spätestens drei Tagen sind wir hier raus.“ KaNüLe erzählte von dem Gefangenen, der vor Unhold mit ihm die Zelle teilte. Er sei bereits am zweiten Tag schon wieder frei gekommen, da er eine zuverlässige Methode habe, die er aber nicht verraten dürfe. Doch wenn er wieder draußen wäre, würde er dafür sorgen, dass auch KaNüLe nicht mehr lange gefangen wäre. Der Gefangene hatte KaNüLe gebeten, ihm die Namen von einigen seiner Freunde zu nennen, dann würde er sich um das Notwendige kümmern. „Ich bin sicher, dass Hackelberry Schorsch Dir auch helfen kann“, sprach KaNüLe.

Unhold verbarg die Wut, die in ihm wühlte und antwortete: „Hackelberry Schorsch, ja, ein Teufelskerl. Ich kann es kaum erwarten, ihn wieder zu sehen.“ Unhold erzählte KaNüLe ausführlich von der Brotfront-Aktion und beendete seinen Bericht mit dem Verdacht, dass Hackelberry Schorsch der Verräter sei. „Das erklärt einiges. Wir sind verloren, mein Freund.“ „Ich komme hier raus. Und wenn ich zu Fuß zurück muss, soll es so sein. Kennst Du Dich mit der hiesigen Flora und Fauna aus?“ KaNüLe sang: „Tadaa!“. Auf seinem Display änderte sich die Anzeige. Die Übersicht der Getränke, die KaNüLe verkaufte wich einem Inhaltsverzeichnis, das offensichtlich Tiernamen enthielt. Unhold kannte keines davon. „Ich komme natürlich mit Dir, Großer. Aber still jetzt. Fütterungszeit.“
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Flora & Fauna

Es war lächerlich einfach, aus dem Knast zu entkommen. Unhold und KaNüLe hatten bei einem Hofrundgang eine Tür in der großen Mauer entdeckt. Über der Tür war ein milchig matter Kasten befestigt, bemalt mit einem Männerkopf, der seinen Mund zu einem Schrei geöffnet zu haben schien. Offensichtlich konnte der Kasten von innen beleuchtet werden. Auf der Tür selbst stand mit ungeübter Handschrift das Wort „NOTAUSGANG“ geschrieben. Die beiden Gefangenen vermuteten einen Scherz der Wärter. Unhold drückte die Türklinke nach unten, worauf sich die Tür öffnen ließ. Ohne zu zögern gingen sie durch die Tür nach draußen und schlichen weiter zu dem braunen Bach. KaNüLe erkannte, dass es sich um einen Arm der Kolter handelte, aus dessen Wasser die Kulmentruller Kolterplacke hergestellt wurde. Unhold entledigte sich mit einem kräftigen Ruck seiner Fesseln und durchwatete den Bach, während KaNüLe über das Wasser schwebte. Am Ufer der Gefangeneninsel fanden sie einen Kahn, mit dem sie nach einer kurzen Fahrt auf der ersten der sechs Inseln landeten. Sie versteckten sich im nahegelegenen Wald und machten Rast.

KaNüLe bemühte voller Stolz, eine nützliche Erweiterung für sein System gefunden zu haben, sein elektronisches Lexikon, in dem auch die Inseln zwischen dem Gefängnis und der Zivilisation beschrieben wurden. Sie befanden sich nun auf der Insel „Heiliges Gras“, dem einzigen Ort der Welt, wo die Nonnenblumen gedeihen. Die Nonnenblume ist eine Pflanze, deren Blüten, in geringen Mengen konsumiert, den Effekt vollkommener Sättigung, Linderung von Schmerzen und Heilung von Wunden und Entzündungen innerhalb von Minuten hatten. Sie legten sich auf einer Nonnenblumenwiese nieder und beobachteten die über ihnen wie wild herumflatternden Nonnenblumenfalter. Unhold aß ein Nonnenblumenblütenblatt, mit denen er sich die Taschen seines Gefängnisoveralls vollgestopft hatte, und war satt. „Was kommt als nächstes?“ fragte er KaNüLe.
„Schwimmen. Wir haben kein Boot. Ich tu die Nonnenblumenblütenblätter in das Fach für alkoholfreies Bier. Die nächste Insel ist aber nicht weit entfernt. Es ist Kackardia, eine Insel, die dicht bewaldet ist. Wir müssen uns wohl durchkämpfen. Ein seltenes Tier gibt es dort, den Flitzekackadu.“ Unhold las die Beschreibung auf KaNüLes Display.

Der Ruf des Flitzekackadus, „Kackaa Kackaa Kackaa“ bedeutet, dass er sich bedroht fühlt. Seine Schließmuskeln versagen, wenn er sich fürchtet. Man achte darauf, nicht unter ihm zu stehen, wenn er ängstlich ist.


Unhold und KaNüLe nutzten die Eigenart dieses Vogels, um Gefahren aus dem Weg zu gehen und kamen unbehelligt an der anderen Seite der Insel an.

„Jetzt wird es interessant“, sagte KaNüLe. Auf dieser Insel sind wahrscheinlich Wächter auf Patrouillen unterwegs. Die Insel besteht zum großen Teil aus Steppe. Sie heißt Afrikolia. Es gibt einige Wasserlöcher, wo das Klatschmaulnashorn häufig anzutreffen ist. Es gehört zu den beredten Kreaturen.“
Bereits am ersten Wasserloch stießen sie tatsächlich auf ein Klatschmaulnashorn. Unhold begrüßte es freundlich und fragte wie beiläufig:
„Und? Alles klar? Sucht man schon nach uns?“ Das Klatschmaulnashorn verdrehte die Augen und legte einen seiner Füße seitlich an den Mund.
„Sie sind zu zweit. Einer, der Kleinere, hat ein scheußliches Aftershave. Kein Wunder, dass seine Frau ihn verlassen hat. Dabei stinkt sie selbst hundert Meter gegen den Wind nach Billigparfüm. Naja, sie wird schon wissen, was sie tut. Obwohl, man ja nie weiß. Und nun ratet mal, wer ihr Stecher ist. Na? Na? Der Kollege ihres Mannes. Ja genau, der Typ, mit dem er auf Streife ist. Ein selten dämlicher Hund. Er soll ja angeblich ganz gut im Bett sein. Wie sagt man? Dumm fickt gut. Er hat ja selbst keine Frau. Kein Wunder. Seine Wohnung soll ja total verdreckt sein und seine Klamotten wechselt er auch nur einmal in der Woche. Also für mich wär das nichts. Für mich...“
Unhold unterbrach das Klatschmaulnashorn höflich und fragte, wo die Zwei sich gerade befinden würden.
„Weit weit weg. Gott sei dank weit weg. Also ich habe ja eine empfindliche Nase und es ist mir ganz unangenehm, wenn...“

Sie ließen das Klatschmaulnashorn stehen und machten sich auf den Weg. Am Ufer auf der anderen Seite hatten sie jenen Teil des Ozeans vor sich, in dem der Ledertuntenhai seine Bahnen zieht, immer darauf bedacht, Gleichgesinnte hinter Korallen zu locken, um sich mit ihnen zu verlustieren. Auch der Muselmanta ist dort zu Hause und nicht zu unterschätzen. Der vollbärtige Meeresbewohner gilt als Schrecken der Meere. Berüchtigt sind seine explosionsartigen Angriffe auf seine Opfer.
Der Zufall wollte, dass sich der Ledertuntenhai und der Muselmanta begegneten, als Unhold und KaNüLe am Ufer standen. Sie sahen die imposante Rückenflosse des Ledertuntenhais gerade hinter einem Korallenriff verschwinden, als die Umrisse des Muselmantas erschienen, der ebenfalls auf das Korallenriff zu schwamm. Es dauerte nicht lange, bis die Überreste beider Seeungeheuer nach einer dumpfen Detonation auf der Wasseroberfläche auftauchten.

Die nächste Insel beheimatete die gefährlichen Barbären, die im Wald hausten, sowie den berüchtigten Gifthamster. Aus der Entfernung konnten sie einen vereinzelten Wächter erkennen. Der Gifthamster gehört ebenfalls zu den beredten Geschöpfen, also versprach Unhold dem neugierig hinter ihnen her getrotteten Exemplar ein Laufrad, wenn es sich um den Wärter kümmern würde. Entgegen aller Vermutungen handelt es sich bei dem Gift des Hamsters nicht um eine toxische Flüssigkeit, sondern um seinen gehässigen Redeschwall. Er blinzelte den Flüchtenden zu, ging zu dem Wächter hinüber und sprach:
„Was glotzt Du so, Du Opfer? Trägst wohl die Unterwäsche Deiner Schwester. Was wohl Deine Mutter dazu sagt? Ach, ich frage sie einfach mal, wenn ich abgespritzt habe. Oh, der Arsch Deiner Mami ist so schön eng. Davon kannst Du nur träumen, mit Deinem mickrigen Pimmel schaffst Du es ja nicht mal, eine tote Breitarschantilope zu ficken.“ Der wütende Wächter rannte hinter dem Gifthamster her, der Haken schlagend im Unterholz des Waldes verschwand, wo sich die Barbären auf ihn stürzten.

Zwei Inseln waren nun noch zwischen den Gefangenen und dem Kontinent. Die vorletzte Insel, Lümmelland, war keine Herausforderung. Sie wurde im Lexikon lediglich durch die beobachteten Obszönitäten in der Tierwelt als gefährlich bezeichnet. Unhold empfand allerdings von Kreaturen wie dem Onanielpferd, der Masturbiene oder der Orgasmaus keine sittliche Bedrohung. Sein Mitleid galt der Spagatwachtel, die darauf bestand, dass ihre Körperhaltung nichts mit sexuellen Gründen zu tun habe, und der es peinlich war, mit den anderen Lüstlingen in eine gemeinsame Schublade gesteckt zu werden. Es sei außerdem extrem anstrengend, klagte sie, sich im Spagat fort zu bewegen. Deshalb leide sie an starken Gelenkschmerzen. KaNüLe gab ihr eine Nonnenblumenblüte und zog mit Unhold weiter zum Ufer.

Über die letzte Insel mit dem kurzen Namen „Lol“ fanden sie keine Einträge im Lexikon. Sie hatten nun aber keine andere Wahl. Unhold schwamm und KaNüLe schwebte zu der mysteriösen Insel. Sie erreichten die andere Seite zu ihrer eigenen Verwunderung ohne Zwischenfälle. Es war ihnen entgangen, dass der als ausgestorben geglaubte, aggressive Säbelzahnpanda bereits ihre Fährte aufgenommen hatte. Beim Anschleichen traf er aber auf einen Zungenfüßler, der sich gerade über die verschütteten Reste der Lemminarde aus KaNüLes Erfrischungsrepertoire hermachte, mit der Unhold seinen Durst gestillt hatte. Der Zungenfüßler, der 100 Meter in weniger als 10 Sekunden laufen kann, hatte gerade alles schmatzend aufgeleckt und machte sich im Affenzahn davon. Der Säbelzahnpanda vermutete hinter dieser Verhaltensweise ein schlechtes Gewissen und nahm die Verfolgung des Zungenfüßlers auf. Außerdem konnte er seinem Spieltrieb nicht widerstehen.

Unhold entledigte sich seiner Gefängniskleidung und erreichte mit KaNüLe das Festland, wo sie eine AnalFortZe anhielten, den Fahrer knebelten, um sicher zu sein, nicht erneut verraten zu werden. In schlingernder Fahrt, die sie nur unterbrachen, um einen Kaftan für Unhold von einer Wäscheleine zu stehlen, steuerte Unhold das Fahrzeug nach Mittelfingen.
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Neumond
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Keine Panik!
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Folklore

„Wenn Sie sich Mühe geben, können Sie in einem Sprachkurs etwas gegen ihre Behinderung tun. Sie müssen es nur wollen. Sie können natürlich auch so weiter machen, wie bisher und diese Tierlaute, ähm wie nennt man das in ihrem Fall? Blöken? Grunzen? Röhren? Sie wissen, was ich meine.“ Anemone dachte überhaupt nicht daran, mit Hackelberry Schorsch auch nur ein einziges ernstes Gespräch zu führen. Seine Antwort, „Holts Mei! Refolutzerbraut kommunistische“, bestätigte die Sinnlosigkeit einer Kommunikation. Dass der angebliche Bajuwar ein widerlicher Wichtigtuer war, hatte Anemone bereits in der Goldenen Gans festgestellt. Eine Tochter des Bergsteigers Franz Ming konnte Hackelberry Schorsch mit seinem einstudierten Dialektversuch nicht täuschen. „Was glauben Sie eigentlich, damit zu bezwecken? Hat Ihnen die Ziege, mit der Sie vögeln, den Kopf verdreht? Oder üben Sie schon mal für den Besuch bei der Familie der Ziege? Ich verrate Ihnen etwas. Die Eltern der Braut liegen stückweise in der Fleischtheke der Metzgerei.“ Anemone blökte „Mäh!“ und hielt ihre gespreizten Daumen und Zeigefinger an ihre Schläfen, daß es aussah, als habe sie Hörner.

Hackelberry Schorsch kam sehr nah an sie heran und sagte mit erregter Stimme: „Jetzt hören Sie mal mir zu! Ihre Sprüche könne sie in Zukunft dem Ungeziefer im Zuchthaus erzählen. Es ist bedauerlich, dass die Feiglinge die Todesstrafe abgeschafft haben. Es wäre mir ein Fest, mit meinen Kameraden ihre Hinrichtung zu besuchen. Doch auch die Alternative hat einen Reiz. Sie werden lange leiden müssen und ich, als der einzige Besucher, freue mich jetzt schon darauf, sie dort verrecken zu sehen. Und wenn Sie dann…“ Hackelberry Schorsch konnte seinen Satz nicht beenden. Anemone hatte ihm mit einem wuchtigen Kopfstoß das Nasenbein gebrochen. Es folgte ein Stoß mit ihrem spitzen Ellenbogen in seine Rippen und ein Handkantenschlag auf seinen Adamsapfel. Hackelberry Schorsch rang nach Luft und versuchte, dem Fahrer etwas zu sagen, doch es gelang ihm nicht.

Der Fahrer hielt die AnalFortZe an, stieg aus und bugsierte Hackelberry Schorsch in den Kofferraum. Er beugte sich zu Anemone, die sich Hackelberry Schorschs Blut abwischte, herunter und sagte: „Wo soll es denn hingehen, Verehrteste?“ Nach Hause, Freybert, nach Hause“, antwortete Anemone.
Freybert Obertyp von Glok begleitete Anemone, die immer noch ihr Hochzeitskleid trug, in die Wohnung der Mings. Anemone zog sich um und holte den Biomagischen Kritzler hervor. Glok sah ihr über die Schulter, als sie schrieb.

„An den Hackelberry Schorsch.
Ich schreibe mit einem gestohlenen BMK (Biomagischer Kritzler), um meine Identität nicht zu verraten. Das Treffen der revolutionären Zellen heute abend ist verschoben worden. Stattdessen bitten wir Dich, die Sprengsätze am Gotya-Tower schon heute anzubringen. Wir werden an diesen Bimmlerschweinen ein Exempel statuieren. Nachdem der Turm zerstört ist, wirst Du das „Abzeichen für sinnlose Gewalt am Band“ von unserem geliebten Führer, dem Genossen Vorsitzenden persönlich erhalten.
Erlaube mir noch ein persönliches Lob. Deine Tarnung als verdeckter Ermittler für die Staatsmacht war eine gute Idee. Die Idioten hast Du schön verarscht.
Rotfront!“


Freybert Obertyp von Glok fuhr daraufhin zum Gotya-Tower und band Hackelberry Schorsch am Einradständer fest. Er ließ die AnalFortZe, die er am Vormittag vom Bullenparkplatz gestohlen hatte, zurück und begab sich in sein Loft auf dem Dach des Gebäudes. Freybert Obertyp von Glok hatte zum ersten Mal nach der Verbannung aus der Weltenmachergruppe das zutiefst befriedigende Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben.
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Lebenszeichen

Anemone wartete den ganzen Tag auf Unhold. Als er am Abend immer noch nicht zu Hause war, rief sie Freybert Obertyp von Glok an. Auch Glok hatte seit dem Morgen kein Lebenszeichen von Unhold erhalten. Er sprach die Befürchtung aus, dass Anemone nicht die Einzige war, die verraten wurde. „Wenn er bis morgen früh nicht zurück ist, werde ich die Zellen der Bullen abklappern und das Gefängnis besuchen. Ich rate Dir, mich nicht zu begleiten. Nach dem Vorfall mit Hackelberry Schorsch ist das für Dich ein hohes Risiko“, versicherte er. „Wahrscheinlich hast Du Recht. Hast Du etwas gehört über unseren besagten gemeinsamen Bekannten?“, fragte Anemone.

Glotze
Viereckiges Ding, auf dessen Vorderseite allerlei Interessantes, Unterhaltsames und Informatives beobachtet werden kann. Die Beurteilung des Dargebotenen ist ebenso verboten, wie die Erwähnung in der Öffentlichkeit.

„Es läuft gerade in der Glotze. Rund um den Gotya-Tower feiern Bimmler den Erfolg der Staatsmacht gegen eine bisher unbekannte, hoch gefährliche terroristische Vereinigung. Ein Sprecher des Ministeriums für beruhigende Maßnahmen hat angegeben, dass ein Terrorist vor hatte, sich selbst auf dem Gelände des Einradfahrradparkplatzes in die Luft zu sprengen. Er behauptete, das hätte den Gotya-Tower zum Einsturz gebracht. Die Gerüchte, es handele sich um Elmar Phap, dem Gründer von Gotya selbst, wurden dementiert. Der festgenommene Terrorist sei kein Bimmler und er würde noch von der „Harten Hand“ verhört.

Die Harte Hand (HaHa)
In den Zeiten der Aufstände gegen den Schockolarden-Erlass gegründete Spezialeinheit der Staatsmacht. Berüchtigt für ihre rigorosen Verhörmethoden. Laut Schätzungen von unabhängigen Sponsoren der HaHa sind 78 % der von ihnen befragten Verdächtigen nach den Verhören nicht mehr in der Lage, zwischen der Realität und den ihnen vorgeworfenen Übeltaten zu unterscheiden. Die restlichen 22 % sind jene, die ihre Taten von Anfang an nicht leugneten.

Der Schockolarden-Erlass
Der Schockolarden-Erlass wurde benannt nach seinem Begründer Monty Duke Shock O' Lard und hatte die Umgangsformen der Bimmler regeln sollen, welche vor allen außerbimmlische Investoren abgeschreckt hatten. Monty Duke Shock O' Lard wurde von erzürnten Bimmlern ein Baby Doll angezogen und unter Rufen unflätiger Herabwürdigungen und dem Bewerfen mit Lebensmitteln, die das Haltbarkeitsdatum überschritten hatten, 3 Tage quer durch Mittelfingen gejagt.

„Na, wenigstens eine gute Nachricht. Freybert, ich danke Dir für Deine Hilfe. Ohne Dich hätte ich es nicht geschafft.“ Sie beendeten das Gespräch, nachdem sie vereinbart hatten, sich gegenseitig über Neuigkeiten bezüglich des Verbleibs von Unhold zu informieren.
Während der Fahrt durch Mittelfingen beantwortete KaNüLe Unholds Frage nach dem Grund für KaNüLes Einkerkerung. Auf KaNüLes Display erschien der Hinweis, dass er das nicht laut sagen möchte und deshalb in Schriftform berichtete.
Die Automaten der Handelskette „Zisch & Ah“, die unter der Bezeichnung KaNüLe für Kalt, natürlich und lecker jeder Bimmler kennt, stammen aus der Fabrik des Autobauers BAB (Bimmlische Auto Bauer), der auch die AnalFortZe herstellt. BAB benutzt dafür ganz besonders strapazierfähiges Material. Der mechanische Teil eines Verkaufsautomaten widersteht allen Witterungseinflüssen und ist so stabil, dass er dem Druck einer Autopresse standhält. Die Elektronik und das Kundeninterface steuert der Elektronikspezialist ALDI bei und das Programm liefert Microtosh. Die fertig montierten und programmierten Geräte werden vor der Auslieferung gründlich überprüft. Zufällig ausgewählte Exemplare werden einem Härtetest unterzogen. Diese getesteten Geräte werden seit einiger Zeit für einen geringen Preis an in Not geratene wohltätige Organisationen weiter gegeben. Einer dieser Automaten zeigte deutliche Gebrauchsspuren und wurde an den Verein „Bimmlische Zeiten“ verkauft.

Bimmlische Zeiten (BZ)
Verein zur Pflege der vergangenen Zukunft. In der Zukunft, wie sie sich vergangene Generationen von Bimmlern vorgestellt hatten, wurden häufig Geräte beschrieben, welche das Leben angenehmer machen würden. Autos würden von selbst fahren, die Hausarbeit würde von Robotern verrichtet werden und alle Bimmler würden zu Hause arbeiten. Intelligente Roboter oder künstliche Lebensformen waren Bestandteile nahezu aller Szenarios. BZ veranstaltete Aufführungen vor Anhängern dieses Retro-Kultes, für die eigens entwickelte Androiden die Rolle der Roboter aus der vergangenen Zukunft übernahmen.

Der Materialwart der BZ überarbeitete den Automaten, wofür er das Innenleben herausnehmen musste. Nachdem er mit dessen äußerem Erscheinungsbild zufrieden war, baute er neben der Automaten-Elektronik versehentlich Teile eines für die Wartung vorgesehenen Androids mit ein. Bevor er seinen Irrtum bemerkte, war ich schon über alle Berge. Der Materialwart meldete mein Verschwinden den Bullen, die seitdem hinter mir her sind. Offensichtlich hat Hackelberry Schorsch davon Wind bekommen und mich verpfiffen. KaNüLes Display erlosch und er fragte: Magst Du ein HaNuTa?“
„Nein. Lass mal, und ich will gar nicht wissen, was das ist“ antwortete Unhold.

Die Straßen des Gebietes, das um die Stadtmitte gebaut wurde, um den Massen von Bimmlern, die in der Zeit des Aufstieges von Gotya zum größten Wirtschaftsfaktor des Planeten nach Mittelfingen strömten, Wohnungen bereit zu stellen, waren wie ausgestorben. Kaum ein Licht war in den Fenstern der Hochhäuser zu sehen. Als KaNüLe und Unhold die Straßenschluchten hinter sich ließen und das weniger hoch bebaute Zentrum fast erreicht hatten, sahen sie einen Lichtschein den Himmel erleuchten und hörten verzerrte Stimmen, die hin und wieder von Jubel und Beifall unterbrochen wurden. Der Fahrer der AnalFortZe beendete seinen Vortrag über Gemeinsamkeiten in Ursache und Wirkung von emotionalem Stress bei Bimmlern und Tieren, den er trotz der Nichtbeachtung durch seine Fahrgäste mit monotoner Stimme abgespult hatte. „Sie müssen hier aussteigen. Die Innenstadt ist gesperrt. Schönen Abend“, so der Fahrer.

Unhold und KaNüLe erreichten den Platz des bimmlischen Friedens und tauchten in der Masse unter. Auf Großglotzen war der Moderator des politischen Magazins „Merlin Bitte!“ zu sehen und zu hören, Butze Merlin. Er bedankte sich gerade für irgend eine Live-Schalte. Die darauf folgenden Sätze Merlins gingen in einem wütenden Pfeifkonzert unter. Der Protest verwandelte sich in Sprechchöre, die einen Namen skandierten: „Freybert! Freybert! Freybert!“ Eine viertel Stunde später gingen die Sprechchöre in frenetischen Applaus über. Auf einem Podium, das langsam in die Höhe gefahren wurde, stand Freybert Obertyp von Glok, der beide Arme hochgerissen hatte und Zeige- und Mittelfinger spreizte. Nach einer beruhigenden Geste verstummte die Menge und hörte Glok konzentriert zu.

„Vielen Dank, danke, ich danke Euch. Es ist mir eine Ehre, als Kandidat für Neuwahlen nominiert worden zu sein und ich erkläre hiermit, dass ich für die Show zur Verfügung stehe. Ich tu das stellvertretend für Euch alle. Was ich getan habe, hätte jeder einzelne von Euch auch getan. Es ist nur ein Zufall, dass ich dabei gefilmt wurde. Jeder einzelne von Euch hätte diesen Feind der Gesellschaft genauso angepackt. Jeder Einzelne, und das sage ich aus tiefer Überzeugung, würde auch in Zukunft die Feinde unseres großartigen Planeten so behandeln, wie ich das tat. Wir lassen uns nicht spalten. Ganz gleich, ob Mensch oder Bimmler, wir gehören zusammen. Wir gehen den Überbringern von Angst und Schrecken nicht auf den Leim, denn wir stehen gemeinsam, Seite an Seite, Mensch und Bimmler, für eine aufgeklärte, moderne Gesellschaft, in der für Terroristen kein Platz ist. Außer in Kofferräumen.“
Nach diesen Worten verließ Freybert Obertyp von Glok das Podium in Begleitung von Sicherheitskräften. Unhold wunderte sich nur kurz, zog KaNüLe hinter sich her, und machte sich auf den Weg nach Hause.
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Neuwahlen

Nachdem sie sich ihre Erlebnisse des vergangenen Tages ausführlich geschildert hatten, spendierte KaNüLe Gratisgetränke und gab den Mings eine Übersicht seiner Datenbanken. Er verfügte über eine gigantische Zahl an Lexika über sowohl bimmlische, als auch menschliche Themen. Er hatte Archive von Nachrichten und Dokumentationen, Lehrmaterial, wissenschaftliche Abhandlungen, geografische Darstellungen, Ton- und Bild- und Filmdokumente aller Art, Statistiken, Unmengen von detaillierten Persönlichkeitsprofilen, geheimdienstliche Ermittlungsprotokolle und vieles mehr.
Anemone und Unhold staunten und fragten nach der Quelle all der Daten. KaNüLe konnte die Antwort nicht geben, da er sie selbst nicht kannte. „Bei vollem Bewusstsein lass ich mir das Zeug nicht installieren. Und mein Gedächtnis ist auch nicht mehr das beste. Ich habe ja schon den Überblick über die Erweiterungen und Plug-Ins verloren, die ich selbst bei Giggle-Play runter geladen habe. Es sind schon spaßige Sachen dabei. Hier! Schaut mal!“ In seinem Display erschien die Kamera-Ansicht. KaNüLe bat Unhold vor die Linse und fotografierte dessen Gesicht von Vorne, von Links und von Rechts. Nach einer kurzen Phase von Berechnungen drehte sich das Display nach innen um, wodurch eine Art Düse erschien. KaNüLes Stimme verriet Vorfreude: „So etwas habt ihr noch nicht gesehen. Hammer!“

Die Düse versprühte einen feinen Dampf, der von einem Licht angestrahlt wurde. Vor ihren Augen baute sich Stück für Stück, von unten nach oben, ein exaktes dreidimensionales Abbild von Unholds Gesicht auf. Es war kein Hologramm, sondern aus einem hauchdünnen, aber festen Material geformt. Haut und Haare waren vom Original nicht zu unterscheiden. Die Augen waren sogar mit einer klaren Flüssigkeit benetzt. KaNüLe erklärte, dass es sich um eine Kombination aus 3D-Druck und Hologramm handelte. „Das Material, aus dem das Abbild besteht, ist aufgeschäumte Kulmentruller Kolterplacke. Das Getränk wird irgendwie in Schaum umgewandelt. Wie das genau funktioniert, müsste ich nachschauen. Es ist nicht sehr massiv, aber stabil und hält einer Berührung, wie einem Händedruck in etwa stand. Das Ergebnis ist hier natürlich nur die Vorderansicht. Wenn Unhold sich einmal um seine Achse gedreht hätte, wäre der Kopf komplett. Ich kann auch den ganzen Körper nachbilden lassen.“

Anemone betrachtete Unholds Kopie von Nahem und erschrak. Das Modell hatte geblinzelt. „Und jetzt! Haltet Euch fest!“ Das Modell von Unhold öffnete den Mund und Unholds Stimme, die aus KaNüLes Lautsprechern drang, sagte lippensynchron: „Ich habe mich bei einer Aktion der Opfer beteiligt. Jemand hat mich wohl verraten. Wenn ich den Kerl erwische“ „Das sind genau die Worte, die Du im Knast gesagt hattest, erinnerst Du Dich?“ fragte KaNüLe. Unhold antwortete: „Wenn das jemand mitbekommt, bin ich… Naja, ich bin ja eigentlich schon geliefert.“ KaNüLe surrte kurz und der falsche Unhold sprach erneut mit passender Stimme: „Ich habe mich noch nie bei einer Aktion der Opfer beteiligt. Mein Atem stinkt und mein Arsch ist so groß wie ein Lastwagen. Möchten Sie tanzen?“ „Etwas besseres ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen“, gab KaNüLe zu. Anemone ließ sich ebenfalls modellieren. Sie verschwand mit KaNüLe im Badezimmer, aus dem sie erst nach einer halben Stunde wiederkamen. Anemone lächelte Unhold an und sagte: „Es ist toll. Alles ist genau kopiert. Und es funktioniert. Aber vergiss nicht das Original.“

Beim Frühstück am nächsten Morgen sprach Unhold davon, dass er sich nicht entscheiden könne, wie er sich verhalten sollte, nachdem er wohl von der Staatsmacht als entflohener Sträfling gesucht würde. KaNüLe blickte in sich und präsentierte die Antwort: „Eine Information in Sachen Knast. Ich habe nachgesehen. Auf Ding Dong gilt, dass man nicht zwei Mal für die selbe Sache eingesperrt werden darf. Ein Ausbruch spielt dabei keine Rolle. Und selbst wenn man unsere Flucht berücksichtigt, war das kein Ausbruch. Das Verlassen eines Gebäudes durch einen Notausgang ist kein Ausbruch. Die Definition von Notfall obliegt den Benutzern eines Notausganges selbst. Mit anderen Worten: Wir sind fein raus. Ist das nicht wunderbar? Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die Gesetze und Verordnungen auch von den offiziellen Stellen gelesen werden.“ „Ja, das ist geradezu bimmlisch. Vielleicht ist es auf Ding Dong gar nicht mal so schlecht, wenn man sich daran gewöhnt und Freunde gefunden hat“, sinnierte Anemone. KaNüLes Metallkörper schimmerte rötlich. „Apropos Freunde“, sprach KaNüLe, „Was hat Glok eigentlich vor? Er will sich doch nicht etwa tatsächlich zum Käpten Ähem machen lassen?“

Der Briefkasten brachte ihnen einen Umschlag vom Amt für Amtsangelegenheiten, in dem sie Wahlunterlagen fanden. Anemone und Unhold baten KaNüLe um detaillierte Informationen über die Staatsmacht, die Regierung und den Präsidenten. KaNüLe startete einen Suchvorgang, den er bewusst langsam durchführte, um während des Wartens sein Chassis vibrieren zu lassen und aus seinem Haustierlexikon das Schnurren einer Katze abzuspielen.

Der Präsident
Der Titel wird vom Volk nicht mehr benutzt. Die Bimmler nennen den Präsidenten nur noch „Käpten Ähem“. Vor mehr als 50 Jahren war Ding Dong ein totalitärer Planet. Der Herrscher namens „Prinz Oh Ha“ war der letzte lebende Nachkomme des Königshauses Ha. Sein Vater Ah Ha hatte kurz vor seinem Tod die Monarchie für beendet erklärt. Er übergab alle Macht an seinen Sohn Oh, der das Volk mit brutalsten Mitteln ausbeutete. Um die Aufmerksamkeit der Bimmler von sich abzulenken, schuf er das Amt eines Staatspräsidenten und besetzte es mit einem seiner ergebensten Anhänger, einem ehemaligen Flottenkapitän. Der Kapitän sollte das Amt nach der ersten Wahl des Präsidenten durch das Volk an den Wahlsieger abgeben. Während seiner Amtszeit zeichnete sich der Kapitän dadurch aus, dass er sich so dämlich verhielt, wie es nur möglich war. Das brachte ihm den Spitznamen „Käpten Ähem“ ein. Das Volk ließ sich von Oh Has dunklen Machenschaften ablenken und arrangierte sich mit seiner Misere, solange es sich über Käpten Ähems Dummheiten amüsieren konnte. Um durch die Wahl eines intelligenteren Präsidenten nicht gestört zu werden, dachte sich Oh Ha den bis heute praktizierten Wahlmodus aus.
siehe „Käpten Ähem“ und „Wahlen“

Die Staatsmacht
Prinz Oh Ha gründete nach der ersten Wahl eines neuen Käpten Ähem die Staatsmacht. Sie besteht aus Mitgliedern der Wirtschaft, des Militärs, der Intelligenz und der Unterhaltungsmedien. Alle Mitglieder waren von Prinz Oh Ha nach Verfehlungen begnadigt worden, die ihnen langjährige Knaststrafen eingebracht hatten. Dadurch stehen sie in der Schuld von Prinz Oh Ha. Sie versuchen, den Schein eines demokratischen Planeten zu wahren, um ihre Handelsbeziehungen zur Erde nicht zu gefährden. Oh Ha erhält von der Staatsmacht Politikvorschläge, die er nach Tagesform akzeptiert oder ablehnt. Die Staatsmacht dient Oh Ha auch als dazu, ihnen die Verantwortung für alles, was für die Bimmler unangenehm ist, zu geben. Das Volk ignoriert die Staatsmacht größtenteils, geleitet vom dritten Zusatz der Verfassung, der lautet: „Was solls? ist ja sinnlos. Die machen ja sowieso, was sie wollen."

Die Justiz
Trotz der Anschaffung von mehreren Metern Gesetzbücher bezieht sich die Justiz in Verfahren ausschließlich auf Hörensagen, soziale Medien und die Glotze, wenn es keine Empfehlung der Staatsmacht gibt. Die Verurteilungen und Freisprüche sind vom Prinzip „Da könnte was dran sein“ geprägt, und die Anklage arbeitet nach dem Lehrsatz „Etwas bleibt immer hängen“. Ein Verteidiger wird dem Angeklagten von der Staatsmacht gestellt. Durch die Zahlung eines so genannten Schmiergeldes kann der Ausgang eines Verfahrens positiv beeinflusst werden. Die Höhe des Schmiergeldes ist gesetzlich geregelt.

WAHLEN
Wahlen werden monatlich durchgeführt. Kandidaten werden von offiziellen Stellen vorgeschlagen oder können sich direkt bei der Glotze melden. Wahlbeobachter von der Erde hatten bisher auf eindringliche Empfehlung der Staatsmacht keine Beanstandungen zu vermelden.

Erster Wahlgang
Bei der Vorstellung erfährt der Wähler Peinlichkeiten über die Kandidaten und kann in der ersten Vorausscheidungswahl die uninteressantesten abwählen.

Zweiter Wahlgang

Die übrig Gebliebenen stellen sich in der Hauptwahl einem Moderatorenteam, das angehalten ist, sie durch Fangfragen und Provokationen lächerlich zu machen. Der Wahlausgang wird dem Gewinner und den unterlegenen Kandidaten vorenthalten.

Dritter Wahlgang
Der dritte Wahlgang ist im Prinzip keine Wahl. In einer Quiz-Show werden den 4 bestplatzierten Kandidaten Fragen und Aufgaben gestellt, für deren Beantwortung sie der Schwierigkeit der Frage angepasste Hilfen bekommen. Das Spektrum reicht von Vorsagen aus dem Publikum oder von den Moderatoren, über das Zustecken von Spickzetteln bis zu Manipulationen der Punktestandanzeige. Dabei wird der schon feststehende Gewinner auf seine Unfähigkeit geprüft. Am Ende der Live-Übertragung wird dem Gewinner die Originalkapitänsmütze des ersten Kapitäns Ähem aufgesetzt, und er wird unmittelbar nach dem Schlussapplaus zum Regierungsgebäude transportiert, wo er ein Zimmer im Hinterhaus zur Verfügung gestellt bekommt, in dem er seinem Vorgänger beim Packen hilft, um den Wohnsitz des neu gewählten Käpten Ähem frei zu machen.

Auf der Suche nach der Menschheit - Ding Dong
Die Ohrfeige

„Dieser Mann ist gefährlich.“ Prinz Oh Has Stimme überschlug sich. Er wiederholte diesen Satz drei Mal, bevor er sich wieder auf seinen Thron setzte. Für die Staatsmacht war das Erheben von seinem Thron ein Zeichen, dass Oh Ha von ihnen eine schnelle Lösung des Problems erwartete, welches er in deutliche Worte fasste: “Wir brauchen einen Clown, keinen Volkshelden. Ein Kasper soll die Wahlen gewinnen, so war es bisher und so soll es auch dieses Mal sein. Ich verlange einen Plan, wie der Bedrohung auf angemessene Weise begegnet werden kann. Sie haben 24 Stunden Zeit. Stellen Sie mich zufrieden!“ Prinz Oh Ha verließ den Konferenzraum mit schnellen Schritten und schlug die Tür hinter sich zu. Ein Raunen ging durch die Versammlung, und es dauerte mehrere Minuten, bis einer der Anwesenden zu sprechen begann. Pitt Klopps, der Oberbürgermeister von Mittelfingen, hatte die Versammlung bei Prinz Oh Ha eingereicht, die Genehmigung erhalten und die Leitung übernommen. Er klopfte mit einem Schuhlöffel auf den Tisch, obwohl es still war und sprach: „Ich war zugegen, als Massen von Mittelfingern den Platz des bimmlischen Friedens für sich vereinnahmt hatten, um Freybert Obertyp von Glok zu feiern. Ich muss nicht betonen, welche Gefahren unser aller Vorbild Prinz Oh Ha gemeint hat. Der Mensch Glok ist der erste Mensch in der Geschichte Ding Dongs überhaupt, der sich zur Wahl stellt. Er ist noch dazu der erste Kandidat, der trotz seiner offensichtlichen Intelligenz die Sympathie des Volkes genießt. Es steht außer Frage, dass die Amtsübernahme des Einwanderers Glok Veränderungen unserer Heimat bewirken würde. Jeder Vertreter aller unserer staatstragenden Organisationen wäre persönlich betroffen von den Auswirkungen einer solch dramatischen Umwälzung unserer Gesellschaftsstruktur. Da ich der Staatsmacht nicht angehöre, steht es mir nicht zu, Forderungen zu stellen, doch der Patriot in mir lässt mir keine Wahl. Freybert Obertyp von Glok darf die Kapitänsmütze nicht erhalten. Das muss verhindert werden, mit allen notwendigen Mitteln.“
Oberbürgermeister Klopps setzte einen staatstragenden Gesichtsausdruck auf und machte mit den Händen eine Geste, um Beifall zu beenden, doch niemand klatschte. Die Vertreter der Staatsmacht saßen still in ihren Sesseln.

Mumu
Miniaturisierte Unverkabelte Mobile Unterhaltungseinheit

Daumenkino
Minimonitor. Der Daumennagel wird mit einem LED-Speziallack überzogen, der von der im Nagelbett implantierten Elektronik bewegte Bilder darstellt.


Die meisten drückten mit Fingern auf ihren Mumus herum oder schauten Daumenkino. Der Minister für Korrektur von Wahlergebnissen spuckte in ein Tuch, mit dem er die Flecken entfernte, die Prinz Oh Ha bei seiner Rede auf seine Uniform gespuckt hatte. Der Leiter der Arbeitsgruppe Arbeiten in der Gruppe gähnte laut, rieb sich die Schlafmatzen aus den Augen und sagte müde: „Ich könnte jetzt ein Käffchen vertragen. Geht zufällig jemand zum Automaten?“ „Ich brauch ne Zitterette“, murmelte der Minister für Gesundheitsverkündung, und der Beauftragte für Vorsorgliche Ernährung fragte: „Was gibts denn heute zu Mittag?“
Die Tür wurde geöffnet und KaNüLe schwebte in den Raum. Als sich das Kundeninterface mit dem Auswahlbildschirm für Getränke und Mahlzeiten öffnete, stürmten die Vertreter der Staatsmacht auf ihn zu. KaNüLe sagte mit einer Roboterstimme:
„Bilden Sie eine Schlange. Jeder kommt dran. Auswahl mit Finger defekt. Bitte Spracherfassung nutzen!“
Die zufriedenen Kunden trugen ihre Frühstückstabletts an ihre Plätze und verputzten ihre Mahlzeiten. Aus dem Gewirr aus Schmatzen und Schnattern hob sich eine Stimme ab. „Ein Gegenkandidat muss her. Suchen wir einen Volltrottel und lassen wir ihn zum neuen Helden werden!“ Die Menge jubelte und Oberbürgermeister Klopps notierte den Erfolg der Konferenz in das noch unbeschriebene Protokoll. KaNüLe war zufrieden. Er hatte nun eine große Auswahl an Vorlagen für 3D-Modelle.

Nach der Vorstellung auf dem Platz des bimmlischen Friedens brauchte Freybert Obertyp von Glock dringend den Rat seiner Vertrauten. Er hatte nicht ernsthaft vor, sich zum neuen Käpten Ähem wählen zu lassen. Wäre das Amt mit der Macht ausgestattet, Veränderungen zu bewirken, und wäre die Amtszeit nicht auf einen Monat beschränkt, hätte er Gefallen daran finden können. Als ehemaliger Weltenmacher verfügte er über einen großen Erfahrungsschatz in der Gestaltung von Planeten. Doch es widerstrebte ihm, für ein korruptes Regime den Hofnarr zu geben. „Verdammte Dunstmurmel“ schimpfte er über den Fehler mit der Schlackelbramme. Der Planet, den er erschaffen hatte, war ihm in seiner Werkstatt noch recht gelungen erschienen. Von nahem betrachtet und vor allem als unbedeutender Einwanderer in Menschengestalt war ihm Ding Dong so fremd, dass er sich nicht damit abfinden konnte. Er lud Unhold und Anemone Ming in sein Loft ein. Sie erschienen in Begleitung von KaNüLe, den Glok zunächst für den mobilen Partyservice hielt. „Das wäre nicht nötig gewesen. Ich habe alles da, was ein menschlicher Organismus zum Feiern braucht. Aber ich muss Euch enttäuschen. Mir ist nicht nach Feiern zumute“, sagte er, als seine Gäste eingetreten. waren. „Es gibt auch nichts zu feiern“, bestätigte Anemone. „Unhold ist nur knapp dem Zuchthaus entkommen und nur mit Hilfe von KaNüLe hat er das geschafft. Wenn Du nicht diesen Hackelberry Schorsch ins Spiel gebracht hättest, weil Du aus lauter Selbstmitleid ein Ventil gebraucht hattest, wenn wir uns nicht zu dieser blödsinnigen Bäckereigeschichte hätten überreden lassen, wäre das alles nicht passiert. Übrigens, was ist mit Hackelberry Schorsch überhaupt geschehen?“
„Der Brief, den Du an ihn gerichtet hattest, löste bei Gotya einen Alarm aus. Die Staatsmacht hatte ihn am Fahrradständer vorgefunden und durchsucht. Sie fanden zwar keine Bombe bei ihm, sperrten ihn aber vorsichtshalber ein. Dem Verhör der Harten Hand hatte er nicht lange stand gehalten. Er gab nicht nur alles zu, was man ihm vorgeworfen hatte, er schmückte das sogar noch aus. Ich bin gefilmt worden, als ich ihn in den Kofferraum der AFZ gesteckt hatte und sollte ihn identifizieren. Er ist wohl übergeschnappt, redet nur noch unverständliches Zeug“, berichtete Glok. „Das ist ja nichts Neues“, sagte Unhold. KaNüLe schaltete sich in das Gespräch ein: „Die Staatsmacht suchte schon länger nach einen passenden Menschen, den sie als überführten Feind des Volkes präsentieren könnte. Das geht aus dem Video der Konferenz hervor, das abgefangen und bei Giggle veröffentlicht wurde. Es war nur kurz zu sehen, dann hat die Staatsmacht es löschen lassen. Glücklicherweise habe ich noch eine Kopie in meiner Zwischenablage gefunden, das ich wiederherstellen konnte. Hackelberry Schorsch kam ihnen gerade recht. Er ist unsympathisch, spricht eine grauenhafte Sprache und er ist ein Mensch. Das ist ein wichtiges Detail, wenn man weiß, dass die Einwanderungsbehörde die Zahl der Neuankömmlinge begrenzen will. Hierzu gibt es Geheimdienstunterlagen, die beweisen, dass...“ „So genau wollen wir das überhaupt nicht wissen. Hackelberry Schorsch ist aus dem Spiel, aber Glok hat ein Spiel vor sich. Wie kommt er aus der Sache wieder raus?“ fragte Unhold KaNüLe, der schon eine Antwort parat hatte: „Ein Gegenkandidat. Glok muss die Wahl verlieren. Das bedeutet, wir müssen einen Gegner aufbauen, der entweder Gloks Sympathiewerte übertreffen kann, oder der so dämlich ist, dass möglichst viele Bimmler sich an seiner Blödheit ergötzen können. Ich habe schon mal begonnen, nach einem Kandidaten zu suchen.“ KaNüLe spielte auf seinem Display das Video ab, das die Staatsmacht beim Frühstück zeigt und kommentierte es mit: „Einer besser, als der Andere“
KaNüLe zeigte die Mitgliederliste der Staatsmacht, von denen er verwendbare Videobilder und Stimmenproben sammeln konnte.

Klub der sportlichen Verlierer
Ist dem Ministerium für Recht und Ordnung unterstellt. Arbeitet eng mit den Bullen zusammen. Laut Selbstverständnis hat der Klub die Aufgabe, Einwände gegen für ungerechtfertigt gehaltene Verurteilungen abzuwenden. Dazu erscheinen bei der Familie des Verurteilten während der Dauer eines Prozesses zeitweise begnadigte Mörder und Totschläger, um darzulegen, dass alles auch noch schlimmer kommen könnte.


Sie entschieden sich für Fatimo Bottkus, Erster Vorsitzender des Klubs der sportlichen Verlierer. KaNüLe gab eine stichwortartige Übersicht über dessen Biografie, erstellte zur Probe ein 3D-Modell und machte eine Stimmenimitation. Am 3D-Modell von Fatimo Bottkus war nichts auszusetzen und die Stimmenimitation machte KaNüLe keine Mühe. Der schwierigste Teil des Plans war, laut KaNüLe, Bottkus zum glaubhaften Aufsteiger im Videoportal Glubschauge zu machen. Es sei ein Kinderspiel, einem Beitrag innerhalb kurzer Zeit Zigtausende von Besuchen zu verschaffen, doch es müsse auch einen glaubhaften Inhalt geben,
„Können wir ihn nicht bei irgendwas erwischen lassen? Worüber lachen denn die Bimmler?“ fragte Anemone. Freybert Obertyp von Glok bat: „Wir sollten uns die beliebtesten Beiträge ansehen. Ich schlage vor, das machen wir heute Abend. Ich habe vorher noch etwas zu tun, was ich nicht verschieben kann. Butze Merlin möchte ein Vorgespräch mit mir.“

„Guten Abend. Ich begrüße Sie recht herzlich an der Eingangstür ihres Lofts. Mein Name ist Butze Merlin und das ist meine reizende Assistentin Rowenta.“ Freybert Obertyp von Glok stand einige Sekunden zu lange mit offenem Mund vor Butze Merlin. „Öhm, ja. Entschuldigen Sie bitte. Ich habe, war gerade, öhm, ja. Guten Abend, kommen Sie doch herein.“ Merlin betrat mit langsamen Schritten Gloks Luxuswohnung. „Möchten Sie etwas trinken?“ fragte Glok.
Merlin: „Für die Einen ist es das Lebenselixier, für die Anderen das edle Nass. Wasser, so heißt das beliebteste Getränk aller Zeiten.“
Glok: „Still oder sprudelnd? Mit Eis oder ohne?“
Merlin: „Es kann sehr kalt werden. Rowenta hat ausführlichere Informationen für Sie.“
Rowenta: „Sprudelnd, mit zerstoßenem Eis und dem Saft einer halben Scheibe Zitronette, bitte“
Glok: „Hm, das tut mir leid, die Zitronetten sind heute nicht geliefert worden.“
Merlin: „Was ist die Alternative? Haben wir überhaupt noch eine Wahl? Ich schreite hinüber zum Fenster und sehe ein Tief von Westen hereinkommen. Zurück zur Getränkewahl.“
Glok: „Wie wäre es mit einer Lemminarde?“
Merlin: „Eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung, die den kommenden Gesprächen nur gut tun kann. Rowenta bitte.“
Rowenta nahm die Dose Lemminarde mit einem Knicks entgegen und reichte sie Butze Merlin. Dann begann sie, alle Sofakissen umzudrehen.
„Nehmen Sie doch Platz! Sie sind wegen der Wahlen hier?“ erkundigte sich Glok.
Merlin: „Wahlen, Quiz, Unterhaltung. Wie man es auch nennen mag, die Zeit drängt. Was für dieses Ereignis geplant ist, sehen Sie jetzt. Ein Bericht von Butze Merlin..“


„Mittelfingen.
Der Volksheld Freybert Obertyp von Glok kandidiert für die Wahl des Käpten Ähem. Auf einer Versammlung vor dem Gotya-Tower erklärte er vor seinen begeisterten Anhängern, Mensch und Bimmler gehörten zusammen. Man würde den Überbringern von Angst und Schrecken nicht auf den Leim gehen. Für Terroristen, so Glok wörtlich, sei auf Ding Dong, außer in Kofferräumen, kein Platz. Für die Wahl, die in 10 Tagen stattfindet, rechnen Beobachter mit einem klaren Sieg. Gloks Popularität basiert auf der Überwältigung von Hackelberry Schorsch, der einen Anschlag auf den Mehlverwerter Brotfront geplant hatte. Eine Reportage über Freybert Obertyp von Glok zeigt die Glotze im Anschluss.“
Merlin hob seine Augenbrauen und lächelte überlegen. „So ungefähr. Gut, nicht?“ Glok zeigte ihm einen erhobenen Daumen. „OK, weiter geht’s. Wir überspringen die unwichtigen Teile und gehen sofort zu den Fragen über. Die Lösungen müssen Sie natürlich nicht selbst herausbekommen. Das wäre ja gegen die Regeln. Ich erinnere Sie daran, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits gewählt sein werden. Sie müssen nur noch ihren Unterhaltungswert untermauern. Es ist nicht ratsam, die Fragen ohne die üblichen Manipulationen zu beantworten. Es ist jedoch üblich, den Kandidaten im Vorgespräch eine Übersicht zu geben.“
Glok hatte diese Regel bisher ignoriert. Es war nun an der Zeit, eine Strategie zu entwickeln, wie er die Wahl verlieren könnte und doch erhobenen Hauptes aus der Sache herauskäme. Da er nicht über den Ausgang des zweiten Wahlgangs informiert werden würde, bestand die Möglichkeit, am Ende doch noch zu Käpten Ähem gekürt zu werden. Er musste sich darauf verlassen, dass die Mings und KaNüLe den Gegenkandidaten zum Publikumsliebling machen würden. Sie hatten Glok geraten, sich nicht um Fatimo Bottkus zu kümmern. Je weniger er wüsste, um so glaubwürdiger sei er. Merlin gab Rowenta ein Zeichen.
Rowenta zeigte Glok eine Rolle, die aussah, wie transparentes Klebeband und steckte diese in eine Öffnung an Gloks Riesenglotze. Die Öffnung war ihm bisher nicht aufgefallen. Auf dem Bildschirm erschien ein Auswahlmenü. Butze Merlin stellte sich an die rechte Seite des Bildschirmes und berührte den obersten Balken auf der Oberfläche der Glotze mit drei Fingern und schob so lange an den Balkengrafiken herum, bis der Fragenkatalog erschien.
„Die erste Runde kann entscheidend sein. Wenn Sie hier nicht richtig antworten, haben Sie keine Punkte, die sie setzen können.
Halten Sie Ausschau nach Schildern, die hochgehalten werden und hören sie gut hin, wenn die Assistentinnen mit ihnen sprechen. Leider könne wir Ihnen keine Datenträger mit den Lösungen überlassen.
Glok versuchte, sich die Lösungen zu merken. Für die meisten würde er keine Hilfe brauchen. Außerdem würden die Wahlfälscher schon darauf achten, dass der bereits Gewählte nicht untergeht. Als Butze Merlin seine Ausführungen beendet hatte, verließ er mit seiner reizenden Assistentin eilig Gloks Loft. Zum Abschied sagte er:
„Das wars für heute. Sie sehen uns wieder beim nächsten Mal. Auf Wiedersehen und kommen Sie gut durch die Nacht.“

Freybert Obertyp von Glok fuhr anschließend zu den Mings. Unhold, Anemone und KaNüLe spielten mit ihren lebensgroßen Puppen. Glok erkannte Prinz Oh Ha sofort, die anderen Figuren hatte er noch nie gesehen. Anemone hatte eine Lachkrampf und KaNüLe wieherte wie ein Pferd. Unhold stand zwischen einem halben Dutzend 3D-Modellen und bewegte diese Marionetten mittels Fäden. Prinz Oh Has Figur trug keine Kleider, so dass Glok zunächst glaubte, sie würden ein berühmtes Märchen eines dänischen Schriftstellers nachstellen. Als er genauer hinsah, erkannte er, dass eine der Figuren, die vor Prinz Oh Ha kniete, dessen Penis im Mund hatte. „Das wollt ich doch nicht bei Glubschauge hochladen, oder? Fällt Euch nichts besseres ein?“ Glok ließ sich auf einem Sessel inmitten der 3D-Modelle nieder und betrachtete die Szenerie. Er konnte sich nicht gegen die Komik der kindischen Spiele seiner Freunde wehren und vergab ihnen laut lachend.
Als sich alle wieder beruhigt hatten, zeigte KaNüLe Glok das Video, welches sie bei Glubschauge hochzuladen die Absicht hatten, wenn Glok einverstanden wäre.
Der Film zeigte kurze, aneinandergereihte Ausschnitte von einem Jahrmarktsbesuch Fatimo Bottkus und Prinz Oh Has. Oh Ha hatte die Rolle des Miesepeters und Bottkus spielte das große Kind. Gegen Ende des dreiminütigen Videos sticht Prinz Oh Ha mit einem seiner spitzen Fingernägel in den Luftballon eines Eis lutschenden Mädchens, der daraufhin zerplatzt. Bottkus gibt Prinz Oh Ha eine schallende Ohrfeige, Oh Ha beginnt zu weinen und das Kind freut sich. Bottkus nimmt das Kind an der Hand, die Beiden gehen aus dem Bild, und lassen Prinz Oh Ha flennend zurück. „Wie findest Du es?“ fragte Unhold und Glok sagte: „Das könnte funktionieren“.

Das Video wurde über Nacht zum am häufigsten angesehenen während des ersten Veröffentlichungstages, dafür hatte KaNüLe gesorgt. Die Kommentare hatte er angeschubst, indem er unter verschiedenen Namen begeisterte Reaktionen vortäuschte. Anemone und Unhold taten das Gleiche. Besonders gelobt wurde die vorgebliche Zivilcourage von Fatimo Bottkus. Prinz Oh Ha dagegen wurde mit Hohn und Spott überzogen. Anemone schien damit bewiesen zu sein, dass in den Bimmlern trotz ihrer zum Teil unverständlichen Wesenszüge den Menschen mehr glichen, als sie jemals gedacht hatte.

In Kommentaren wurde dazu aufgerufen, endlich mit dem autokratischen System Schluss zu machen.

Nicht wenige waren zwar amüsiert über die Entlarvung Oh Has als Tyrannen, beklagten aber die Machart des Videos, welches den Eindruck des Planeten auf andere Welten als im besten Falle skurril, auf jeden Fall aber als nicht ernst zu nehmen festigte.

Die Forderung nach demokratischen Verhältnissen fand eine große Anhängerschar.

Es gab auch Stimmen, die daran erinnerten, was Bottkus vor der Ohrfeige getan hatte. Als Chef der sportlichen Verlierer sei Bottkus für die Einschüchterung unbescholtener Bimmler verantwortlich gewesen.

Einige warnten vor überhasteten Umwälzungen. Wenn das Amt des Präsidenten tatsächlich ein ernst zu nehmender politischer Faktor werden würde, wäre dann nicht mit Fatimo Bottkus ein vollkommen Ungeeigneter in einer Position, die ihn mit Macht ausstattete, von der er als Würstchen in der Staatsmacht bisher ferngehalten wurde?

Man könne keinen Idioten zum Clown wählen und aus dem Clown einen Staatsmann machen.



Unhold plagte ein schlechtes Gewissen. Wenn es Veränderungen geben sollte, seien sie das Ergebnis eines Streiches und nicht einer Bewegung, die vom Volk ausging, war seine Meinung.
Glok, der zuerst begeistert war von den Reaktionen vieler Bimmler, stimmte Unhold zu und ergänzte, dass wieder einmal die Veränderung einer Gesellschaft nicht durch ihren eigenen Antrieb ausgelöst werde, sondern durch Manipulation. Und auch dieses Mal sei Glok dabei, etwas zu versauen, nicht mehr von oben, wie noch vor kurzer Zeit, sondern von unten.
Von Prinz Oh Ha und Fatimo Bottkus gab es auch am zweiten Tag nach der Ohrfeige, für den sich die Bezeichnung Schellentag zu etablieren schien, keine öffentliche Reaktion. In der Glotze gab es Aufrufe an Fatimo Bottkus. Er solle sich dringend melden. Ihm wurde sogar öffentlich eine Leibwache versprochen, wenn er sich zur Wahl des Käpten Ähem aufstellen ließe.

Prinz Oh Ha war in guter Stimmung.
„Gut gemacht, einerseits. Hätte ich Euch gar nicht zugetraut. Der Mensch Glok ist ja wohl weg vom Fenster.
Andererseits, Bottkus, kann ich eine solche Respektlosigkeit nicht auf mir sitzen lassen. Sie haben Glück, dass Ihnen die Herzen gerade zufliegen, sonst hätte Ihres bereits aufgehört, zu schlagen.
Ich werde sie angemessen bestrafen müssen. Aber das hat Zeit bis nach der Wahl.“

Von Freybert Obertyp von Glok sprach niemand mehr. Am dritten Tag nach dem Schellentag brachte der Briefkasten Gloks die Ausladung aus der Wahlsendung. Glok überflog den Brief nur kurz. Er war erleichtert, nichts mehr mit dem Spektakel zu tun zu haben und schwor sich, nie mehr in die Entwicklung des Planeten einzugreifen, in welcher Form auch immer. Glok zog sich in sein Loft zurück, antwortete nicht mehr auf Nachrichten und ging nicht mehr ans Telefon. Anemone und Unhold schrieb er einen kurzen Brief, in dem er die Gründe für seinen Rückzug erläuterte. Wenn er begnadigt werden würde, und seine Arbeit als Weltenmacher wieder aufnehmen dürfte, würde er das ablehnen. Freybert Obertyp von Glok empfand ein Gefühl, welches so tief in sein Gemüt eindrang, wie keine andere menschliche Regung je zuvor. Glok erkrankte an einer Depression, die ihn nicht mehr losließ.
Anemone und Unhold nahmen sich vor, die Großstadt zu verlassen und ihr Leben in ähnlicher Weise auf dem Land zu gestalten, wie sie es auf der Erde taten, als Glok alias Ersie S. den Neustart initiierte.
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