Eindeutig: NEIN!
Mal abgesehen davon, dass ich mich grundsätzlich der schon mehrmals geäußerten Meinung anschliesse, dass es besser gewesen wäre, Peking erst gar nicht in die engere Auswahl zu nehmen, halte ich einen Olympiaboykott für grundsätzlichen Blödsinn:
1.) Ich sehe den Sinn nicht
Die gesamte Diskussion läuft doch derzeit drauf hinaus, dass es zum einen extrem verwerflich ist, wie China allgemein mit den Menschenrechten umgeht und im speziellen derzeit die friedlichen Proteste in Tibet unterdrückt - abgesehen davon, dass Tibet ist nur die aktuellste Menschenrechtsverletzung Chinas ist. Zum zweiten geht es doch darum, zu erreichen, dass China umdenkt und sich zukünftig an die Menschenrechtscharta hält und Konflikte politisch, diplomatisch und vor allem friedfertig angeht.
Mit einem Boykott, der eh nur von einzelnen Nationen und nie von allen unterstützt würde (siehe Moskau und LA) würde eher die Weltöffentlichkeit mangels ausführlicher ("rund-um-die-Uhr") Berichterstattung schnell China aus dem Fokus verlieren. Das Thema ist uninteressant geworden.
Viel sinnvoller finde ich Protestaktionen im Rahmen der olympischen Spiele. Ein Fernbleiben der Aktiven von allen offiziellen Feiern - vor allem der Eröffnungs- und Schlußfeier - würde der ganzen Welt sichtbar werden und für die Chinesischen Machthaber mehr als nur eine leichte Klatsche sein. Die gesamte Feierlichkeit, mit der ja China sich in den Mittelpunkt rücken will und mit dem China doch ach so sehr Werbung für sich machen würde, wäre doch nebensächlich zu der Tatsache, dass Länder, die sonst mit hunderten von Aktiven ihrer Fahne ins Stadion folgen, einfach fehlen.
Viel sinnvoller finde ich, wenn Sportler trotz des "offiziellen" Verbots von politischen Bekundungen im Rahmen der Wettkämpfe Protest zeigen - sei es durch die schon diskutierten Armbändchen, sei es durch Fernbleiben der Siegerehrung und sei es durch das Umhängen der tibetischen Flagge statt der eigenen Nationalflagge bei der Ehrenrunde im Stadion.
Viel sinnvoller finde ich es, wenn sich die Sportler nicht dem politischen Willen ihrer Offiziellen (NOK und so) beugen, sondern offen zeigen, dass sie mündige Bürger eines freien Landes sind, die erkennen, wo die Menschenrechte mit den Füssen getreten werden und dagegen protestieren.
Viel sinnvoller finde ich, wenn wie gerade gestern in Paris permanent Zeichen gesetzt werden. Welch ein Blamage für China, dass der Fackellauf abgebrochen werden musste. Wer das genervte und wütende Gesicht des chinesischen Repräsentanten gestern gesehen hat, der wird verstehen, wie tief solch ein Stachel in China sitzen wird.
So bekommt ein Protest ständiges Gesicht und wirkt wie unendlich viele Nadelstiche in Richtung der chinesischen Machthaber. Protest ist ständig im Fernsehen und nicht einmal groß bei der Boykotterklärung.
2.) Unsere Wirtschaft kann sich einen Boykott gar nicht mehr leisten
Mal die Realitäten auf den Tisch. China ist mittlerweile einer der wichtigsten Handelspartner für Deutschland (vor allem im Export). Nun mag man drüber streiten, ob es sinnvoll war, es so weit kommen zu lassen. Fakt ist aber, dass die wirtschaftlichen Konsequenzen für Deutschland bei einem Boykott und einer entsprechenden Gegenreaktion Chinas auf wirtschaftlichem Gebiet unmittelbare Auswirkungen auf die Zahl an Unternehmensinsovenzen und unsere Arbeitslosenquote und den Armenstand haben wird...und zwar nicht gerade kleine Auswirkungen. Ich möchte wissen, wer von denen, die gerade so lautstark nach Boykott rufen, bereit wäre, deshalb seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Sorry, aber es weder der Sport, noch die Politik, sondern die Wirtschaft, die hier das Sagen hat und die die Auswirkungen eines Boykotts schmerzhaft spüren wird.
3.) Die Sportler werden zum Spielball
Ich war selbst Leistungssportler und kann gut nachvollziehen, wie hoch der sportliche Stellenwert der Olympischen Spiele für einen Sportler sind. es geht nicht nur um ein paar Trainingseinheiten, die da in den Sand gesetzt werden, sondern um Jahre des zielgerichteten Trainings...um das höchste Ziel, was ein Sportler erreichen möchte.
Der Sport ist doch die schönste Möglichkeit, zu verbinden...politische Grenzen verschwimmen zu lassen. In Korea waren es die Fußballer, die (eine Laune von Fortuna bei der Gruppenauslosung), die Offenheit und Gemeinsamkeit ohne politisches Geplänkel auf dem Platz gezeigt haben. Das kann der Sport - er kann Zeichen der Verbundenheit setzen...und zwar in dem er eben nicht (!) sich zurückzieht, sondern jenseits der Politik sichtbar ist.
4.) Die Erfahrungen von Moskau und LA...
...haben gezeigt, dass sich durch einen Boykott nicht, aber auch gar nichts geändert hatte. Nur die Sportler haben gelitten. Die Ost-West-Probleme wurden damals politisch...und zwar erst Jahre später gelöst.
5.) Die Wertschätzung der Chinesen
Und damit meine ich die Freude der "normalen" chinesischen Bevölkerung über die olympischen Spiele. Sorry, aber wieso soll die Mehrheit der Bevölkerung, die eh nicht viel zu lachen hat, auch noch das entzogen bekommen, worauf sie sich so sehr freut. Vor allen Dingen: wenn die Spiele nicht boykottiert, sondern protestiert stattfinden, dann kann selbst das chinesische Staatsfernsehen nicht alles rausschneiden, was Protest ist...dann bleibt nicht mehr viel Berichterstattung im eigenen Lande übrig...und das wäre die allergrößte Blösse, die sich die Staatsmacht geben würde. Sie muss berichten!
Nochmals - alles, nur kein Boykott!