zurück zum Thema wie Katharina57 erwähnte...obwohl der letzte Beitrag mir ganz tief unter die Haut ging.....Gänsehaut....
Dieses Ehrlich sein zu sich selber hat viel mit dem Alter und Reife zu tun, wo man im Laufe der Jahre dann lernt, dass man bestimmte Dinge irgendwann nicht mehr nötig hat.
Jeden Modetrend mitmachen. Auf Familienfesten lieb sein, obwohl man alle nicht ausstehen kann, mit Männern aus Höflichkeit ins Bett gehen und für andere Umzugskisten schleppen. Nein, es gibt vieles was man sich nicht mehr antun muss - und vieles, was einem nicht mehr so wichtig erscheint. Mir sind Konventionen nicht mehr wichtig. Oder die Meinung anderer. Ich habe mittlerweile dieses "innere Schulterzucken", das ich als ein Geschenk ansehe, das mir mit der Zeit zuteil wurde. Ich schere mich nicht mehr darum, was andere über mich denken, denn ich habe gelernt, dass es viel gesünder ist, meine Ecken & Kanten zu pflegen anstatt zu versuchen, sie glatt zu schmirgeln.
Das böse Wort heißt "ankommen" und klingt nach Selbstfindungskurs in der Toskana. Das gute Wort heißt "entspannt". Natürlich kann man sich von morgens bis abends über seine Falten grämen und seine Eigenheiten; man kann es aber auch lassen und sie genauso hinnehmen wie seine evtl. zunehmende Spießigkeit. Früher fand man es lächerlich, Kochrezepte zu sammeln oder seine Schuhe aus Spanner zu ziehen, heute ist vieles selbstverständlich. Ich bin so froh ...ein gewisses Alter zu haben. Man war doch in jungen Jahren ununterbrochen damit beschäftigt, seine Identität zu finden, man suchte überall danach: indem man versuchte, sich dünn zu hungern ( was ein aussichtsloses Unterfangen war, aber das weiß man erst 10 Jahre später), in den Betten fremder Männer, in blauen Rauchkringeln von Zigaretten und Rotweinflaschen. Alles musste ausprobiert werden.
Nebenher suchte man sein wahres Ich in grässlichen modischen Eskapaden, hörte furchtbare Musik und bestäubte sich abwechselnd mit orientalischen Düften und 4711.
Man machte unzählige Psychotests, um zu ergründen, welcher Haustier-, Urlaubs- oder Männertyp man ist, aber seiner Identität kam man dadurch nicht unbedingt näher!
Was die ausmacht, lernte ich während durchzechter Nächten und durchweinter Tage.
Wenn im Krankenhaus die Hölle los war und Patienten gestorben sind. Man viel auf die Nase, man stand wieder auf. Hinfallen, Krone richten, aufstehen, weitergehen. Verborg sich für andere Menschen, bis man ganz schief und unglücklich war. Wurde von der besten Freundin oder vom Partner enttäuscht und lernt, daß Freundschaften ein kostbares Gut sind, das zwar meist prima von allein funktioniert, aber das man zwischendurch pflegen muss wie ein fiebriges Kind. Irgendwann versteht man dann auch, daß Coolness keine Frage des Alters ist,spätestens dann wenn man auf einer Hochzeit mit den Großeltern über die Dielen hopst, als ob es kein Morgen gäbe. Das war cool. So will man auch werden.
Tja..und was kommt bei so einem Langzeitprojekt namens Leben heraus? Eine Frau, die sich selbst auf die harte Tour ziemlich gut kennengelernt hat. Eine Frau mit einem relativ hohen Authentizitäts-Faktor. Der Witz ist ja, daß Authentizität voll im Trend liegt.
Alles muss plötzlich ganz echt und natürlich sein, jedes Kraut selbst gezogen und jeder Küchenstuhl selbst geschreinert.
Wenn ich mir einen authentischen Menschen vorstelle, dann denke ich an jemanden, der in Übereinstimmung mit sich selbst, seinen Überzeugungen und Werten lebt.
Die Sache mit der Authentizität gestaltet sich allerdings oft als schwierig, weil das Thema von vielen Missverständnissen begleitet wird. Etwa dem, daß Echtheit darin besteht, seinen Gefühlen sofort nachzugeben. Oder dass man als Persönlichkeit schwierig sein muss. Frauen, die im Restaurant erst kompliziert "nur" einen grünen Salat bestellen und denn den Kellner rund machen, weil versehentlich eine Schnecke unter einem Rucolablatt saß, haben eines vergessen: es ist okay, sich nicht alles gefallen zu lassen. Aber es zeugt nicht vom Charakter, anderen das Leben schwer zu machen. Es ist eindeutig lässiger, mit den Schulter zu zucken, die Schnecke zu entsorgen und den Teller leer zu essen und mit einem Glas Prosecco nachzuspülen!
Das Leben ist kein Ponyhof..das weiss man irgendwann. Aber schuld sind nicht immer die anderen. Und es kann auch nicht immer darum gehen, barfuß durch den Regen zu tanzen und sich und seine Spleens unheimlich gelungen zu finden. Natürlich möchte man so konsequent sein wie der schwarze Schlumpf. Aber wie soll das gehen, wenn man manchmal an sich selbst zweifelt und in einer Gesellschaft lebt, in der Heucheln zum guten Ton gehört???
Natürlich tritt man heute selbstbewusster auf als vor 30 Jahren. Man hat gelernt, im Job gut zu sein, in einer Konferenz oder privat die Ellenbogen auszufahren, einen hässlichen wie heiss geliebten Pulli anzuziehen und sich nicht um das Geschwätz der anderen zu kümmern. Aber das heißt nicht, sich vor einer Präsentation schlaflos im Bett zu wälzen oder nach dem Meeting darüber grübelt, ob man etwas Falsches gesagt hat. Klar mache ich mir viele Gedanken, ständig, und manchmal bin ich genauso unehrlich wie jede andere Frau auf diesen Planeten...(ganz tolle Frisur. tolles Kleid.....!!!!)..Aber ich weiß eben auch, warum.
Was die Sache mit dem Heucheln angeht - klar wäre es schön, sich überhaupt nicht mehr verbiegen zu müssen und ohne Falsch zu sein....bei meinen Kunden kann ich das schlecht machen. Intuitiv wissen wir ja, dass es uns guttut, uns selbst treu zu bleiben und wahrhaftig zu sein. Nicht umsonst haben wir alle von Zeit zu Zeit das Gefühl, im falschen Film zu stecken. Aber es klappt immer besser, nur noch..sein Ding zu machen. Einfach mal trauen. Mir tut es gut und es macht Spass. Es gibt Sätze, die ich heute sagen kann, ohne rot zu werden. Zum Beispiel dass ich Marmelade koche und Kinderüberraschungseier liebe, im Lokal kein Trinkgeld gebe wenn der Service mies war und zu sagen..ja mein Trench ist ein Burberry, da hat man was fürs Leben. Es tut gut, sich treu zu sein, aber es ist nicht immer einfach.