Es Geht doch reziprok!
Gerne möchte ich meine sehr persönliche Sichtweise zum Thema beitragen, weil es mich selbst schon seit langem beschäftigt, wen die Ausführlichkeit stört, mag zu Kursbeiträgen weitergehen.
Ein "Spiel" war SM für mich nie!
SM hat bewusst mindestens die letzten drei Jahrzehnte - ich bin 46 Jahre alt - mein Leben beeinflusst.
Meine SM Wurzeln liegen irgendwo in der praepupertären Kindheit.
Wie vermutlich bei vielen anderen hat es bei mir die Phase der ersten Annäherungsversuche an das andere (weibliche) Geschlecht gegeben. Es folgte das unterschwellige Gefühl des Andersseins, der Versuch des Verdrängens, das Gefühl des undefinierten Unglücklichseins,
das langsame Begreifen was in einem vorgeht ( hier haben mir die “Schlagzeilen” sehr geholfen, damals gab es noch kein Internet ), das Erkennen, dass es SM gibt, die ersten bewussten Auseinandersetzungen mit SM, der erneute - diesmal bewusste Versuch es zu verdrängen und loszuwerden, das Scheitern, das sich langsam Zugestehen, das beginnende Ausleben der Neigung und irgendwann, das sich akzeptieren. Hierbei hat mir auch meine Frau mit der ich seit zwanzig Jahren verheiratet bin geholfen. Sie hat besonders die letzten Jahre meine submissive Sexualität akzeptiert und sie mit mir ausgelebt. Ihr selbst war eine dominante SM Neigung eigentlich fremd. Sie hat es mir zuliebe getan; ein gewisser Reiz für Sie ist das Ambiente und das Outfit der einschlägigen Events.
Seit den ersten Versuchen des bewussten Verdrängens, also vielleicht die letzten zehn bis fünfzehn Jahre, habe ich immer wieder versucht meine Ursachen zu finden. Bei einem Therapeuten bin ich nie gewesen; wahrscheinlich aus der Sorge heraus die Neigung dann loswerden zu müssen. Das wollte ich für mich nicht. Sexualität ohne SM konnte ich mir irgendwann auch gar nicht mehr vorstellen. Ich gehe für mich sogar soweit, dass ich im Laufe der Zeit in der “normalen Sexualität” eine partielle Impotenz entwickelt habe. “Blümchensex” in der Beziehung ohne SM Bezug funktionierte zwar noch, aber eigentlich nur dann, wenn ich dabei mit den Gedanken bei einer SM Inszenierung war. Sexualität war für mich weiterhin in einem SM Kontext sehr wichtig. Ohne SM konnte und wollte ich es mir nicht mehr vorstellen. Ich akzeptierte mich so wie ich war.
Meine SM Ursachen glaubte ich zwischenzeitlich gefunden zu haben. Ich hatte viele Bücher gelesen, gute wie schlechte. Bei den Klassikern der Psychoanalyse fand ich meine Neigungen wieder; Einzelheiten würden an diese Stelle viel zu weit führen. Bis heute kann ich allerdings für mich nicht erklären, warum die Kindheitserlebnisse gerade bei mir diese Folgen hatten und ein Kind das viel traumatischere Erlebnisse hatte “normal” blieb.
Eine grundlegende Veränderung in meinem SM Bewusstsein trat durch äußere Umstände ein. Im letzten Jahre geriet unsere Partnerschaft in eine Krise. Nicht nur Männer kommen in den “zweiten Frühling“. In dieser Situation stellte unser SM Geheimnis - bis auf wenige Freunde - wusste keiner von meiner Neigung, ein mögliches Druckmittel in der Familie oder bei einer Trennung dar. Deshalb offenbarte ich mich unseren älteren beiden Kindern; ich wollte reinen Tisch machen. Die Kinder reagierten vollkommen gelassen; mein achtzehnjähriger Sohn meinte nur ich sei inzwischen alt genug um zu wissen was ich täte, meine fünfzehnjährige Tochter war eher erstaunt, dass bei den Alten sexmäßig überhaupt noch was los ist.
Das ich in der Lage war meine Neigung nicht nur für mich zu akzeptieren sondern auch vor Dritten (den eigenen Kindern) artikulieren zu können hatte ungewollt ein Gefühl der inneren Erleichterung und eine Steigerung des Selbstwertgefühls zur Folge. Der berühmte Stein der vom Herzen fällt.
Dieses familiäre Comming out hatte ungewollt zur Folge, dass die vorher in langen Jahren bewusst gewordene Veranlagung und deren Ursachen nicht nur akzeptiert sondern verarbeitet wurden. Die geschah nicht mit einem Knall, sondern erfolgte schleichend über einige Wochen. Irgendwann hat sich die Fantasie in Luft aufgelöst. Die deutlichste Veränderung war, dass normaler Sex - nicht nur in der Partnerschaft - plötzlich wieder reizvoll war. Vorher wäre ich nicht dazu in der Lage gewesen.
Ich fühle mich zufrieden und gehe mit einem gestärkten Selbstwertgefühl durchs Leben. Meine SM Zeit möchte ich trotz allem nicht missen. Sie hat mein Leben geprägt und mich zu dem gemacht was ich bin. Der innere Masochismus hat mir dabei sicher oft mehr genutzt als geschadet, weil ich auf mich selbst nie Rücksicht genommen habe.
Nachdem submissives SM zwischenzeitlich bei mir mehr in den Hintergrund gerückt ist, habe ich in der Sexualität meine dominante Seite entdeckt und schätzen gelernt. Das hat nicht nur mit Outfit und Umfeld zu tun. Die Fantasien erregen in umgekehrter Weise. Die in meinem Profil (letztes Foto) abgebildeten Utensilien sowie alle anderen noch vorhandenen Spielzeuge brauche ich somit für mich selbst nicht mehr (grins..). Es macht mir Spaß eine andere Sie erotisch, auch mit Kopfkino, zu dominieren. In meiner jetzigen Rolle ist das „Vorleben“ kein Nachteil. Nach meiner Erfahrung ist es sogar sehr hilfreich die "andere Seite" fühlen zu können - man weiß noch wie man selber gefühlt hat - und Dominanz ist mit einer gewissen Lebenserfahrung viel überzeugender.
In diesem Sinne hoffe ich auf nette Resonanz.
Johann61