Liebe
Es war einmal eine Liebe..Es war einmal eine Liebe. Sie hatte jahrelang ohne rechte Freude und ohne Gegenliebe gelebt. Sie war aus diesem Gefängnis ausgebrochen und hatte beschlossen, sich nie mehr so weh tun zu lassen, wie es geschehen war.
Sie lebte alleine und war froh, keine Schmerzen mehr zu empfinden.
Aber eines Tages war die Erinnerung verblaßt und ein zarter Funke Hoffnung regte sich, daß doch noch Liebe in der Welt sei, die es zu finden galt. Und als sich die Gelegenheit bot, stürzte sie sich noch einmal mit Elan ins Abenteuer.
Die Welt war wieder bunt und schön .Sie blühte sichtlich auf, fand das Leben lebenswert, die Menschen liebenswert und sah mit rosaroter Brille in die Zukunft.
Sie war auch stark, kämpferisch, beherzt und wankte nicht, als Krankheit und Sorgen an ihr nagten. Es gingen Jahre ins Land, die Kraft ließ ein wenig nach, der Elan wurde zu gleichmäßigem, ruhigem Schritt. Aber die rosarote Brille saß noch fest auf der Nase.
Langsam, ganz langsam verspürte sie den einen oder den anderen kleinen Nadelstich, ein Hauch von Traurigkeit beschlich sie. Manches, was geschah, kam ihr sehr bekannt vor , tauchte aus dem Vergessen auf. Aber die Angst vor Schmerzen ließen sie die Brille noch fester aufsetzen.
Aber eines Tages, bei einem heftigen Anlaß, zerbrach die Brille. Und es war wie die Vertreibung aus dem Paradies. Die Wirklichkeit hatte sie eingeholt. Da waren sie wieder, die schmerzhaften Zurückweisungen, die Lieblosigkeiten, die Gedankenlosigkeiten. Andere Menschen hatten ihren Platz eingenommen. Sie war das 5. Rad am Wagen.
Zuerst kämpfte sie, steigerte ihre Bemühungen, erschöpfte sich in dem aussichtslosen Tun, über sich hinauszuwachsen. Sie ertrug Rückschläge, hoffte erneut, bis zum nächsten Rückschlag.
Bis sie eines Tages ein stilles Kämmerchen fand, in das sie sich zurückzog. Da war es friedlich, es gab keine schmerzenden Stiche, die Wände waren dick und schützend. Das Kämmerchen war allerdings leer, es hatte auch keine Fenster durch die Luft und Licht hereinkommen konnten. Aber es war friedlich und das war die Hauptsache.
Irgendwann einmal wurde die Liebe vermißt, man begab sich auf die Suche nach ihr. Ganz zum Schluß fand man das kleine Kämmerchen, klopfte an und erhielt keine Antwort. Als man die Tür aufbrach, fand man nur eine zerbrochene, rosarote Brille. Die Liebe aber war still und von der Umwelt unbemerkt gestorben.
Die Hülle, in der sie jahrelang gelebt hatte, bewegte sich weiterhin unter den Menschen, tat ihre Pflicht und dachte manchmal in stillen Stunden, wie schön es gewesen war, als die Liebe noch in ihr wohnte.
Nur für eines war die Hülle dankbar: die Liebe hatte ihre Schwester, die Liebe zur Natur und zur Kreatur in ihr zurückgelassen und ermöglichte ihr so ein Weiterleben. Und ganz, ganz selten zog die Liebe eines anderen Menschen wie eine Sternschnuppe vorbei und ließ ein Samenkorn in der Hülle zurück.
Ein Samenkorn, das gepflegt und gehegt werden will. Somit ist die Hoffnung zur Hülle zurückgekehrt.