Meine Recherchen haben mir den Gedanken eingegeben, dass die Wurzeln der Emanzipation etwa zur Zeit der französischen Revolution bzw. in den Jahrzehnten danach liegen.
Warum?
Vorher wurden Frauen einfach nicht unterdrückt. Bzw. sie wurden nicht mehr unterdrückt als Männer auch. Eine adelige Frau war gegenüber einem leibeigenen Bauern nicht wirklich unterdrückt ^^. Und eine Frau aus dem Handwerk hat genauso mitgearbeitet wie ihr Mann - und Hausfrau war damals wirklich noch ein Fulltime-Job. Es war normal, dass sie dafür genauso viel oder wenig Anerkennung bekam wie die Männer für ihre Arbeit auch. Meistens also eher wenig.
Erst, als die Gedanken breites Allgemeingut waren, dass jeder Mensch aus sich selbst heraus Wert besitzt und die Gleichheit der Menschen ein erstrebenswertes Ziel ist - erst da konnte der Gedanke entstehen, dass das eben nicht nur für Männlein, sondern auch für Weiblein gelten sollte.
Dann kam die noch größere Wende, nämlich die industrielle Revolution. Ann Hollander (Anzug und Eros) beschreibt sehr gründlich anhand der Modegeschichte, wie sich in dieser Zeit Männer- und Frauenmode voneinander fortentwickelten. Vorher sagte Kleidung etwas über den Stand aus - ärmlich oder reich, verziert oder schlicht, bunt oder dunkel, teures Material oder billiges. Adelige Männer schminkten sich genauso wie adelige Frauen, trugen kunstvolle bunte Kleidung, die bestickt und prachtvoll war, trugen Ohrringe und hohe Absätze. Das waren vor der französischen Revolution die Merkmale von hohem Stand, nicht von Weiblichkeit - weswegen viele der Männer aus dieser Zeit auf uns mit unserem neuzeitlichen Auge "weibisch" wirken.
Danach erst setzte (nicht zuletzt auch im bürgerlichen Ideal) die Trennung von "zuhause" und "Arbeitsplatz" ein. Die Männer mussten sich in immer größerem Umfang der sehr schmerzhaften Trennung von ihrer Familie unterziehen, um außer Haus zu gehen. Für uns heute ist das normal - aber für Menschen, die seit vielen Generationen daran gewöhnt waren, dass es "normal" ist, im Kreis von Frau, Familie und Kindern daheim zu arbeiten und sich gegenseitig zu helfen, war der Gang in die Fabrik ein ganz schwerer und schmerzhafter Einschnitt ins Leben, eine Trennung von der für die Eltern und Großeltern selbstverständlichen Eingebundenheit ins Leben der eigenen Familie.
Gleichzeitig begannen die Männer damit, die Welt zu erobern, in Kolonien und Naturwissenschaft und Industrie gleichermaßen. Als Ausgleich für die stark beschnittene Bindung an die Familie erhielten sie etwas anderes sehr Wertvolles.
Und in dieser Zeit erst entstand das Ideal des züchtigen Hausfrauchens. Zart, sensibel, ein bisschen zerbrechlich, emotional und voller Herzenswärme sollte sie einen Gegenpol zur harten und kalten Welt da draußen werden. Der Mann, der sich anschickte, die Welt zu erobern, merkte, dass er dadurch gleichzeitig etwas verlor, nämlich die Fähigkeit, die Traurigkeit über die Einsamkeit fern seiner Familie zu empfinden.
Auf einmal sollte das, was einen Menschen ausmacht, zweigeteilt werden. Die Emotionalität, Sensitivität, Herzenswärme und familiäre Bindung, die die Männer in sich unterdrückten, projizierten sie nun in ihre Frauen hinein, die nun aber bitte völlig und nur noch aus diesen Eigenschaften bestehen sollten. Auf einmal sollten die Menschen ihre natürliche Dualität aus Emotion und Ratio trennen und jeweils den einen Teil von sich abspalten. Den "echten" Frauen wurde die Ratio abgesprochen und sie auf ihre Rolle als emotionale Wesen reduziert. Und den "echten" Männern wurde die Emotionalität abgesprochen und sie auf ihre Rolle als rationale Wesen beschränkt.
Letzlich wurde beiden Geschlechtern ein ganz wichtiger Teil ihrer Menschlichkeit abgesprochen. Den Männern, die dem nicht entsprechen konnten, wurde "Weibischsein" unterstellt, denn Frauen, die eben ihren Intellekt schulen wollten, "Mannsweiblichkeit". Es gab das schöne Wort Blaustrumpf, es gab bestimmt auch noch andere schöne Wörter.
Anscheinend waren die Frauen schneller dabei, sich das Recht zum Erobern der Außenwelt zu erkämpfen.
Nach dem, was ich bisher rausgefunden habe, lagen die Wurzeln der Emanzipation (oder die Quelle dieses Flusses, schönes Bild von deviousmind) eben in diesen Konflikten. Wie gesagt, ich lasse meinen Standpunkt gerne durhc Dinge erweitern, von denen ich bisher noch nichts weiß!
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Aber es ging nicht erst in den siebzigern los. Im Gegenteil. Die Kämpfe um das Frauenwahlrecht der Suffragetten in den 20er Jahren waren vielleicht sogar dramatischer als die Proteste gegen den Abtreibungsparagrafen. Und das Recht von Frauen, auch in verheiratetem Zustand arbeiten gehen zu dürfen, wurde ganz unspektakulär im Krieg ermöglicht, als die Männer alle an die Front gingen.
Die Reformationen des Scheidungsparagrafen, des Abtreibungsparagrafen in den 70ern waren weitere wichtige Schritte. Über die Nützlichkeit von Frauenquoten lässt sich streiten, aber auch das gehört zum demokratischen Prozess. Die kürzliche Veränderung der Regelung zur Vaterzeit kam ganz unspektakulär daher, hat für die Emanzipation der Männer von ihrer neutral-kühl-rationalen Rolle her aber in meinen Augen eine sehr hohe Bedeutung. Ähnliches gilt für die Bewegung, die die Väterrechte nach Scheidungen stärken will.