PainIsPleasure: Es war tatsächlich in der Geschichte der Emanzipation eine Zeitlang so, dass die Unterdrückung durch das Patriarchat (die stellenweise ja noch vorhanden war, stellenweise aber auch einfach ein einprägsamer politischer Kampfspruch war) gleichgesetzt wurde mit der "Inbesitznahme" der Frau beim Sex.
Es gab Strömungen, die behaupteten, dass Frauen Penetration grundsätzlich unangenehm finden und es immer eine Art von "Vergewaltigung" für die Frau sei, wenn sie penetriert werde. Dass so etwas prinzipiell ein Zeichen dafür sei, dass ein Mann eine Frau eben unterdrücken wolle.
Diese Strömung wollte also eine politische Sache daraus machen, dass Frauen nur noch mit anderen Frauen sexuell intim werden. Denn wie gesagt - Penetration gleich Vergewaltigung gleich "Patriarchat übt Macht über Frau aus und unterdrückt sie".
Diese Strömung hat sich nie wirklich durchgesetzt... Aber ihre hauptsächlichen Verfechterinnen gehörten zu denen, die als Frauen lieber Frauen als Männer lieben. Was deren gutes Recht ist - und jeder, der sie deswegen abwerten wollte (was wohl geschehen ist), ist durchaus daran beteiligt gewesen, Frauen eine eigenständige Sexualität abzusprechen.
Für eine lesbische, eine wirklich reinlesbische Frau, ist vermutlich auch jede Penetration durch einen Mann eine gefühlte Vergewaltigung. Für sie ist es ja einfach nicht auf diese Weise richtig, wie Liebe machen mit einer anderen Frau. Für sie fühlt es sich verkehrt und unterdrückend an, wenn sie aufgrund gesellschaftlicher Normen dann doch versucht, mit einem Mann eine Liebesbeziehung nicht zuletzt sexueller Natur zu führen.
Heute ist klar, dass einfach manche Frauen lesbisch sind, viele bi, und die allermeisten laufen unter "hetero und maximal ein bisschen neugierig". Heute ist das auch größtenteils akzeptiert so - eine Lesbe kriegt vielleicht mal einen blöden Spruch, aber sie hat es leicht, andere Leute wie sie selbst zu finden und sich eine eigene Meinung zu bilden. Es ist kaum noch möglich, ihr ernsthaft einzureden, dass sie krank ist und dass der richtige Mann schon dafür sorgen wird, dass sie ihre ganzen Albernheiten wieder vergisst.
Aber damals war das noch nicht klar. Wenn da eine Frau einmal entdeckte "hey, die Gesetze in Deutschland unterdrücken uns Frauen, wir wollen uns befreien, ich will mitmachen!" und im Zuge dieser Emanzipationsbestrebungen auch noch herausfand: "Hey, Sex mit einer Frau ist viel besser als Sex mit einem Mann, das mit einem Mann hat sich immer falsch angefühlt, fast wie eine freiwillige Vergewaltigung, aber das mit einer Frau ist süß und wunderschön" - dann ging sie erst mal davon aus, dass die (für alle Frauen gute) politische Befreiung und ihre (ganz persönliche) sexuelle und lesbische Befreiung miteinander einhergingen. (damals kam auch die Idee als breite Massenerscheinung auf, dass Frauen Vorspiel mögen und es vielleicht eine gute Sache ist, wenn Männer ihre Partnerinnen auch mal lecken)
Daher entstand bei manchen lesbischen Frauen, die sich zuvor in Heterobeziehungen versucht hatten, vermutlich in aller Unschuld, die Idee, dass beides miteinander zusammenhing: Männer, die Frauen unterdrücken und ihnen keine politische oder wirtschaftliche Macht gönnen wollen, und Männer, die Frauen beim Sex penetrieren. Und daher entstand eine Zeitlang auch die Idee innerhalb der feministischen Bewegung, dass man nur dann "true" sei, wenn man halt Sex mit Frauen und nicht mit Männern habe.
Was natürlich wieder für die "echten" Lesben deutlich bessere Jagdgründe bot... ^^
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Daher kommt der Begriff "Politlesbe". Eigentlich waren das die Frauen, die gar nicht wirklich lesbisch waren, sondern mehr aus "politischer Überzeugung" der Unterdrückung durch die Männer entsagen wollten. Vermutlich waren es de facto nur sehr wenige.
Aber mir selber gefällt halt auch nicht, wenn die gesamte männliche Sexualität verteufelt und bösartig dargestellt wird - wie es im Rahmen dieses "Politlesbentums" stellenweise passierte und vielleicht sogar immer noch passiert. Mir gefällt Penetration besser als Lecken oder manuelle Stimulation. Wenn eine Frau behauptet, dass ich damit der männlichen Unterdrückung der Frauen Vorschub leiste, weil nur andere Frauen eine Frau richtig verstehen können - dann vermischt sie Politik und lesbische sexuelle Orientierung. Und dann ist sie eben auch eine Politlesbe.