Was ist hier eigentlich das Thema? Das Elend derjenigen, die nicht in der Lage sind, ihr Glück zu finden oder herzustellen? Die zu dumm, zu passiv, zu unreflektiert sind oder durch ihre Erziehung zu chancenlos waren, um aus ihrem Leben ein erfülltes zu machen? Die es einfach nicht schaffen, diesen sogenannten erfüllten Sex zu haben? Ist dieses angebliche Sex-Elend nicht einfach nur ein Zeichen von strukturellen Mißständen, die einen Namen haben; Gesellschaft?
Der Umgang und die Gestaltung der eigenen Sexualität ist ein Gradmeser und Lackmustest für die eigene, für die ganz perönliche Verfasstheit. Befinde ich mich in diesem angeblichen Sex-Elend, habe ich an meiner Verfasstheit zu arbeiten, und nicht an meiner Sexualität. Die verändert sich nämlich als Konsequenz. Insofern ist jede Art des Umgangs mit Sexualität – beispielsweise auch das Behaupten einer gänzlich befreiten Erlebensweise – ein Hinweis auf die perönliche Verfasstheit.
Wenn man sich die beschriebene Szene aus dem Swingerclub ansieht, gibt es auch jene, die Sex ohne Ende haben, aber augenscheinlich keine Erfüllung. Und es gibt die Frau, die längst zum Klischee wurde; die verheiratete Hausfrau und Mutter, die nicht weiß, was ein Orgasmus ist. Das und vieles mehr existiert hinter den Türen und Fenstern, an denen wir täglich vorbeigehen. Die Unterschiede in den Lebensweisen sind so groß, daß schon das Wort „Unterschiede“ gar nicht passend erscheint; es sind verschiedene Welten.
Mit der digitalen Revolution kommt es nun immer mehr dazu, daß diese Welten aufeinandertreffen, und zwar in der Form der kontaktfreien Kommunikation über den heimischen Rechner. Leute, die zuvor nur übereinander redeten – oder auch übereinander herzogen – reden jetzt miteinander oder ziehen eben auch übereinander her.
Da sitzt also die orgasmusfreie Mutter, deren Kinder aus dem Gröbsten raus sind, und liest, wie andere frank und frei ihr grenzenlos erfüllendes Sexleben ausplaudern. Okay, das sind jetzt zwei denkbare Extrempole, zwischen denen sich das tatsächliche Geschehen abspielt.
Dieses tatsächliche Geschehen hat sehr viele Gesichter. Was allerdings immer wieder deutlich wird, ist das Instrumentalisieren von Sex. Das Benutzen von Sexualität und auch bestimmte Arten der Rede über Sexualität im Dienste aller möglicher, insbesondere manipulativer und Selbstdarstellungs-Interessen halte ich für den schlimmsten Mißstand.