Vielen Dank an euch für die tollen Antworten. Ich will mal versuchen, hier auf die gestellten Fragen zu antworten.
@ Gernot2 (du hießt aber doch mal Freimut, oder???):
Was ist der eigentliche Reiz an fremder Haut? Wie begründe ich das? Dein Beispiel mit den DDR-Bürgern finde ich sehr gut. Vielleicht ist es bei mir tatsächlich das Gefühl des Eingesperrtseins.
In meiner Jugend war ich viel zu schüchtern, um mich mit dem anderen Geschlecht austoben zu können. Hätte damals meine Frau nicht den ersten Schritt gemacht, wir wären wohl nicht zusammen gekommen. Das es dann auch gleich die Frau ist, mit der ich mein Leben verbringen will war wohl mehr als glücklicher Zufall. Vielleicht resultiert mein Wunsch daher auch aus dem Gefühl, etwas verpasst zu haben.
In der Vorstellung reizt mich einfach das Unbekannte: wie fühlt sich eine andere Frau an, wie riecht sie, was macht sie alles im Bett, wie stöhnt sie, wie verdorben ist sie….. Die 16 Jahre unserer Beziehung haben sexuell gesehen nicht viel Neues gebracht. Wir hatten uns ziemlich schnell auf ein Repertoire festgelegt und dabei blieb es dann bis vor ca. 3 Jahren. Ich mache meiner Frau keinen Vorwurf, sie ist das Produkt ihrer Erziehung, aber sie war für mich einfach zu wenig neugierig (zu prüde?!) Um mal ein Beispiel zu geben: Oralverkehr gab es nur sehr selten, und wenn, dann nur wenn ich auf dem Rücken liege und ja meine Augen geschlossen lasse. Aktuell muss ich aber schon sagen, dass sie sich langsam weiter entwickelt. Vielleicht kommt mein Problem auch einfach daher, dass ich mich in der Beziehung weiterentwickelt, andere Bedürfnisse entwickelt habe und sie vermeintlich stehen geblieben ist. Ich weiß es nicht. Ich bin schon neugierig, andere sexuelle Dinge auszuprobieren und Vorlieben zu entdecken. Ich weiß nicht, auf welche der ganzen möglichen Spielarten ich stehe, bin aber so neugierig, erst einmal Neues auszuprobieren um hinterher entscheiden zu können, ob es mir gefällt oder nicht. Das ist bei meiner Frau ganz anders: Sie entscheidet vorher, ob es ihr gefällt und lässt es nicht auf den Versuch ankommen (auch das beginnt sich langsam zu ändern). Vielleicht hätte ich mein Problem auch nicht, wenn ich ein kleines Luder geheiratet hätte, das für alle Schandtaten und Versuche bereit ist. Ich kann die Quelle dieses Wunsches einfach nicht an etwas Bestimmtem festmachen.
Es kann also sehr gut sein, dass der unbefriedigende Sex mit meiner Frau tatsächlich meine Baustelle ist. Ob es das ist wird aber erst die Zeit zeigen.
@ Antaghar:
Und si meine auch ich, dass man deshalb sehr genau hinspüren sollte: Vielleicht sehnt man sich ja nach etwas (ohne genau zu wissen, nach was eigentlich) - und oft genug steht dahinter womöglich eine Ahnung davon, welche sexuelle Ekstase wirklich möglich ist, die man aber mit dem geliebten Partner leider (noch) nicht erlebt oder mit ihm aus irgendwelchen Gründen niemals erleben wird. Und man will zwar weiterhin mit ihm zusammensein, aber eben auch die Intensität und Ekstase spüren, die möglich wäre. Und hofft, dass fremde Haut das bringt, wonach man sich sehnt ...
Auch das ist sehr gut möglich: Das ich das vermeintliche Paradies in fremde Haut projiziere. Es kann sehr gut sein, dass mir Sex mit einer anderen nicht das bringt, was ich mir erhoffe, ich gehe sogar fast davon aus. Trotzdem - ich kann einfach (noch?!) nicht von diesem Wunsch abkommen. Er ist nach wie vor da, nur er drängt eben nicht mehr.
Ich schrieb, dass ich davon ausgehe, dass der Wunsch wieder mit voller Wucht zurückkommen wird. Ich traue meiner Frau noch sehr viel Entwicklungspotenzial in sexueller Hinsicht zu, kann aber nicht glauben, dass sie sich jemals frei von ihren inneren Barrieren machen kann. Daher werden wir aus meiner JETZIGEN Sicht niemals eine gemeinsame breite Basis für eine zufriedenstellende Sexualität haben. Ich habe momentan das Gefühl, dass ich immer werde zurückstecken müssen und mich niemals im Bett so geben kann wie ich sein will. Irgendwann werden dann wahrscheinlich - wenn ich mich mal generell schlecht fühle - die Rahmenbedingungen so aussehen, dass dieser Wunsch mit voller Wucht zurückkommt. Vielleicht irre ich mich jetzt aber auch, weil ich mir noch nicht zutraue, dass meine weitere Entwicklung dafür sorgt, mit so etwas gelassener umgehen zu können.
@ ChriDan:
Ja, ich lasse euch teilhaben, weil mir zum einen die Diskussion hier sehr viel gebracht hat. Zum anderen aber auch, weil ich mich irgendwie verpflichtet fühle (im positiven Sinn). Es hat mir immer so viele neue Sichtweisen gebracht, dass ich das einfach schuldig bin.
Zu meiner Vision. Hm?! Gar nicht so einfach. Die mache ich nicht an materiellen Dingen fest. Ich lasse auch meine Familie dabei außer Acht. Die ist mir verdammt wichtig, aber hier geht es nur um mich und meine Vision.
Ich hoffe, dass ich eines Tages meine Berufung finden werde. Ich habe studiert, habe schon in vielen Bereichen gearbeitet. Im Nachhinein hätte ich aber was anderes machen sollen, etwas das mir wirklich Spaß macht. Nur was? Ich hoffe, dass ich etwas entdecken werde, was mir unheimlich viel gibt, in dem ich aufgehe und mich selbst verliere. Etwas, was ich um seiner selbst willen mache und um darin immer besser zu werden, Meisterschaft zu erlangen. Wenn ich damit noch meine Brötchen verdienen kann, umso besser.
Beruflich fange ich erst mal anders an. Ich versuche, meine Selbständigkeit zu verwirklichen. Dann sehen wir weiter. Gerade auch mein eigener Chef zu sein bedeutet mir sehr viel.
Ich versuche, freier zu werden: Frei von innerlichen und äußeren Zwängen, von der Meinung anderer nicht abhängig zu sein. Frei von vermeintlichen Verpflichtungen.
Keine Angst mehr zu haben. Keine Angst vor der Zukunft, vor falschen Entscheidungen. Ebenso auch keine Angst mehr zu haben, in meinem Leben etwas verpasst zu haben.
Ich möchte glücklich sein. Um das zu erreichen, muss ich mich noch wesentlich mehr entwickeln. Glück ist zu 90 % eine Sache der inneren Einstellung, und die will ich erlangen.
Sicher, es gibt auch materielle Dinge. Wir haben ein altes Haus gekauft und sind nach und nach am Renovieren und Modernisieren. Mein eigenes, nach meinen Vorstellungen entworfenes Haus zu bauen wäre großartig. Das ist aber nicht das Entscheidendste.
Ich habe ein hohes Idealbild von mir, das sich aber noch in keinster Weise mit meinem Selbstbild deckt. Hier Deckungsgleichheit erzeugen wäre super.
Wenn ich meine Vision über mich insgesamt verdichten sollte, würde ich das mit den Worten Nelson Mandelas bei seiner Antrittsrede machen. Der folgende Text hängt über meinem Schreibtisch, damit ich dessen immer gewahr bleibe:
Unsere tiefste Angst ist nicht,
dass wir unzureichend sind.
Unsere tiefste Angst ist,
dass wir über die Maßen machtvoll sind.
Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit,
dass uns am meisten ängstigt.
Wir fragen uns: Wer bin ich,
brillant zu sein, großartig,
talentiert und sagenhaft?
Aber tatsächlich, wer bist du,
es NICHT zu sein?
Du bist ein Kind Gottes.
Dein Kochen auf kleiner Flamme
dient der Welt nicht.
Es liegt nichts Erleuchtetes darin,
sich kleiner zu machen,
damit andere Menschen sich in deiner Nähe
nicht unsicher fühlen.
Wir sind geboren, um die Herrlichkeit Gottes
zu offenbaren, die in uns ist.
Sie ist nicht nur in einigen von uns,
sie ist in Allen!
Und indem wir unser eigenes Licht
scheinen lassen,
geben wir unbewusst anderen Menschen
die Erlaubnis, das gleiche zu tun,
indem wir uns von unserer eigenen Angst befreit haben,
befreit unsere Gegenwart automatisch andere!
Das ist meine Vision, auf ein großartiges, schillerndes Zitat verdichtet. Das in mir zu erkennen und zu leben.