Nun.....problematisch ist wohl, dass die Bundesregierung die einschlägigen europäischen Richtlinien, die die Bundesrepublik grds. adaptieren muss (!), nicht allein 1 zu 1 umgesetzt, sondern gewisse Begriffe weit ausgelegt und daher die Vorgaben in gewisser Weise "übererfüllt" hat. Dies bezieht sich insb. auf die Bereiche, die vor Diskriminierung geschützt sein sollen, sowie auf die Beweislast, dass eine solche überhaupt gegeben ist.
§1 AGG (allg. Gleichstellungsgesetz) lautet:
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der
Rasse oder wegen der
ethnischen Herkunft, des
Geschlechts, der
Religion oder
Weltanschauung, einer
Behinderung, des
Alters oder der
sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen
hierbei ist zu beachten, dass die o.g. Richtlinien wohl Alter, Behinderung, Religion und sexuelle Identität nicht erfassen; die explizite Regelung im AGG also eine "Übererfüllung" seitens der BRD darstellt (s.o.).
Festzustellen ist in diesem Zusammenhan, dass auch bisher schon ein Schutz vor Diskriminierungen in den o.g. Bereichen durch allg. zivirechtliche Grundsätze bestanden hat, der insb. in Bezug auf das Geschlecht überaus effizient ist/war.
So ist es bspw. auch nach bisheriger Rechtslage so, dass eine Frage des Arbeitgebers nach einer möglichen Schwangerschaft einer Bewerberin sittenwidrig und damit verboten ist. Eine Bewerberin dürfte also mit einer Lüge auf diese Fragestellung antworten.
Die politische Diskussion ist nunmehr darauf hinausgelaufen, ob -mit Blick hierauf- eine "Übererfüllung" der europäischen Richtlinien überhaupt erfolgen muss, um effizienten Schutz gewährleisten zu können oder ob durch eine solch explizite Regelung nicht u.U. die Privatautonomie der Rechtssubjekte zu stark beschränkt wird. Auch diese ist nämlich grundgesätzlich, also sozusagen "von höchster Stelle" verbürgt.
Eine Frage, die man wohl kaum objekiv beantworten kann, sondern die maßgeblich davon abhängt, welcher politischen Strömung man anhängt.
Ist man bspw. eher "sozial/links" orientiert, wird man idR. eine verstärkte Schutzaufgabe des Staates bejahen wollen; sieht man sich hingegen eher dem liberaleren Lager verbunden, hält man dies -wie ich- als eine Gefahr für den Grundsatz der Vertragsfreiheit und die Privatautonomie, die so kaum akzepabel erscheint.
Jetzt wird man sich u.U. fragen, warum ein dichterer Schutz vor Diskriminierung durch das AGG gefährlich und unangebracht sein kann.
Hier hilft wiederum ein Blick in das Gesetz:
§2 bestimmt die Bereiche, in denen das Gesetz anwendbar ist. (insb. im Bereich von abhängigen Beschäftigungsverträgen, d.h. normalen Arbeitsverträgen)
§3 nimmt sodann eine Definition der Verhaltensweisen vor, vor denen geschützt werden soll: Unmittelbare Benachteiligung, mittelbare Benachteiligung, Belästigung und sexuelle Belästigung.
So führt bspw. eine "Belästigung" dann zur Anwendbarkeit des AGG, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Wie jeder unschwer erkennen kann, ist diese Begriffsbestimmung ein wenig "schwammig", da sie sich insb. mit der "Würdeverletzung" einem Rechtsbegriff bedient, der kaum präzise zu bestimmen ist.
Die Norm muss also AUSGELEGT werden.
Da iSd. Gesetzes ein Arbeitgeber auch für das Handeln seiner Angestellten verantwortlich ist, kann also in der Tat ein aufgeschlagener Playboy in bestimmten Situationen die o.g. Definition erfüllen und bspw. (neben einem dem "betroffenen" AN zustehenden Leistungsverweigerungsrecht) zu SCHADENSERSATZANSPRÜCHEN gegen den Arbeitgeber führen, wenn sich bspw. eine Arbeitnehmerin hierdurch belästigt fühlt.
Ob eine positiv-rechliche Regelung solcher "Probleme" tatsächlich geboten war mag man wohl in der Tat bezweifeln, führt sie doch schlussendlich (wenn auch ggf. nur mittelbar) zu einer Einschränkung der persönlichen Freiheit, da der Arbeitgeber verständlicherweise einschlägige Verhaltensweisen ausschließen bzw. in jedem Falle sanktionieren wird, um nicht schadensersatzpflichtig zu werden.
Ein anderer Bereich, der erfasst ist, ist der Bereich der Einstellung in ein Arbeitsverhältnis.
So kann sich bspw. (!) eine weibliche Bewerberin, die nicht eingestellt wurde, auf eine mögliche Diskriminierung wegen des Geschlechts berufen (oder ein Muslim bzgl. der Religion / ein Schwarzer wg. seiner Rasse).
Nun verhält es sich gem. §22 AGG so, dass der "Betroffene" lediglich Indizien vorweisen muss, die auf eine mögliche Diskiminierung aus genannten Gründen hindeuten.
Dieses dann zu wiederlegen, ist sodann Aufgabe des Arbeitgebers, der umfassend darlegen muss, warum ein jeweils anderer Bewerber ausgewählt wurde. Ist dies tatsächlich aus einem der o.g. Günde erfolgt, muss er sich auf einen möglichen Rechtfertigungsgrund berufen.
Allg. widerspricht diese Regelung dem allg. zivilrechtlichen Grundsatz, dass jeder "Anspruchssteller" die Tatsachen, auf die er sich beruft, substantiiert darlegen muss; es handelt sich mithin um eine Beweislasterleichterung zu Gunsten des Arbeitnehmers bzw. Bewerbers.
Zwar lässt sich für diese Regelung anführen, dass eine Beweislasterleichterung allein deswegen angezeigt ist, um den schutzzweck des Gesetzes überhaupt wirksam verwirklichen zu können, allerdings liegt -wie immer- der Teufel im Detail.
Insb. in "Grenzsituationen", in denen bspw. bei gleicher Qualifikation ein "Weißer" ausgewählt wurde, ein "Schwarzer" jedoch nicht (oder auch umgekehrt) und diese Auswahl auf Gründen beruhte, die sich nicht wirklich materiell erfassen lassen (Sympathie, Ausstrahlung, Auftreten), wird es einem Arbeitgeber idR. überaus schwerfallen, Argumente aufzubieten, die den Diskriminierungsvorwurf widerlegen.
Der Arbeitgeber ist also u.U. in seiner Entscheidungsfreiheit erheblich beschränkt; der zivilrechtliche Grundsatz der Privatautonome erscheint nicht unerheblich beschnitten.