Wie auf Erden, so im Himmel
Und der Haifisch,
der hat Zähne,
und sagt Ahoi,
wenn du ruhst
March saß kerzengerade auf ihrer Schlafstatt und strich sich ihre verschwitzten Haare aus dem Gesicht. Sie trug Sorge, dass sie die Zähne des Haimaules zurückbehalten würde, wenn ihr weiterhin nach der Weisheit Glut dürsten würde und fuhr deshalb im Sekundentakt mit ihrer inzwischen blutigen Zunge über ihre zwei Zahnreihen. Eine mit ihren Wurzeln im Oberkiefer sitzend und die andere im unteren Kieferknochen fest verankert.
Doch dies allein vermochte sie nicht zu beruhigen. Geistesgegenwärtig wanderte sie mit ihren nervösen Blicken immer wieder über ihr blütenweises Nachthemd und checkte nur sehr zeitverzögert, dass dieses gar nicht blutbesudelt war, sondern immer noch so erstrahlte wie das Unschuldsgewandt einer büßenden Maid.
March hechelte wie ein gehetztes Tier. Denn sie hatte geträumt, der Kaiserin ihre Amseln - eine nach der anderen - verspeist zu haben. Genau da wo sie damals mit ihrem Gatten in ihrem güldenen Käfig lebte, und es ihnen an nichts zu mangeln schien.
Sie hatte davon geträumt, mit einer jeden dieser Amseln vorher einen kleinen Plausch über das System der Springer und Widertäufer gehalten zu haben, und um ihnen auf den Zahn zu fühlen, ob sie jegliche Würstchen des Hofstaates kennen würden und ob sie Kräne besäßen, um diese von ihren Sockeln der Eitelkeiten zu heben und zu entmannen, bevor die Nacht wieder abtauchte und die Morgengeister erneut am Verstand ihrer holden Maid sägen würden.
March war müde und unangenehm überrascht, als ihr Gatte sich unter dem Sternenbaldachin des jungen Morgenhimmels schwebend regte. Er raunte ihr zu, dass sie noch ganze zweiundvierzig Mal würde schlafen müssen, bevor die Himmelsmusik erschallen würde, um die allesumwebenden Mächte versöhnlich auf sie einzustimmen.
Ihr Gatte war an einem Donnerstag bei einer Würfelpartie verstorben. Als er mit dem Teufel um sein holdes Eheweib spielte, denn er hatte sie damals loswerden wollen. Doch March war ihm zuvorgekommen und hatte ihm eine Prise Fingerhut ins Abendmahl getan gehabt.
So war er damals qualvoll in den Armen des Teufels verschieden und hatte seinen Geist aus Rache an seiner Frau an den Sternenbaldachin getackert. Und die Engel hatten ihre liebe Not mit ihm gehabt, ihn auf das Paradies beziehungsweise das Paradies auf ihn einzustellen. Denn er hatte sich für ihre Begriffe gewöhnungsbedürftig schrullig verhalten. Er hatte ihre idyllisch heile Welt gestört, und sie hatten sich allesamt darüber gewundert, dass der Teufel ihm keinen Einlass in seinem Höllenschlund gewährt, sondern ihn vor den Pforten des Himmels ausgespuckt hatte
March war übel von der Idee, ihren Gatten bald von Angesicht zu Angesicht wiedersehen zu dürfen. Sie verweilte nun schon eine geschlagene Stunde vor dem Ankleidespiegel in ihrem Schlafzimmer und trat von einem nackten Fuß auf den anderen. Dabei strich sie sich immer wieder die Oberfläche ihres Gesichtes glatt und überlegte fieberhaft, wie sie dieses unaufhaltsame Ereignis würde vermeiden können.
Doch ihr fiel dazu nichts ein, dass den Teufel so sehr schockieren würde, dass er sie samt seiner Rakete in den Höllenschlund stopfen würde, anstatt sie wie ihren Gatten vor den Toren des Himmelreiches abzuladen.
Es sei denn, es gelänge ihr, den Heerscharen der Engel eine Falle zu stellen und ihnen die Finsternis ihrer eignen Zweifel einzuflößen, um so in ihren fühligen Mägen einen Sinnflut-Strom aus Mekel zu provozieren. Gesagt und getan brach sie auf, um ins Geisterhorn ihres längst verstorbenen Gattens zu blasen.
Der Gottvater und sein teuflisches Haustier wussten darüber natürlich längst Bescheid. Sie grollten amüsiert, tranken Honig-Met aus Walhalla und spielten eine Runde Russisch Roulette.
Die Schar der Engel hingegen war schockiert und echauffierte sich maßlos darüber, dass sie nun auch noch das Eheweib würden bemuttern dürfen. Sie waren eben doch der konservativen Meinung, dass beide Übeltäter in die Hölle gehören würden und nicht in ihr sonst so lichtes Paradies. So schworen sie sich darauf ein, eine Allianz aus Engelskriegern aufzubauen, um einen Gegenkomplott zu schmieden …
© CRSK, LE, 12/2023
Die reizenden Worte der Macht:
- • Aufbauen
- • Rakete
- • Finsternis
- • Grollen
- • Einflößen
- • Strom
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Gepostet im bezaubernden Geschichtenspiel der Kurzgeschichten-Gruppe: Kurzgeschichten: Geschichtenspiel Teil 45